Starke Monatsbilanz im DAX Powell beflügelt die Märkte
Eine Rede des US-Notenbankchefs Jerome Powell hat die Finanzmärkte am Abend entzückt: Die Fed will tatsächlich ihr Zinstempo verlangsamen, was die Wall Street beflügelte.
Diesmal sagte Jerome Powell etwas, das die Investoren gerne hörten. Bei einer Rede in Washington stimmte der US-Notenbankchef die Finanzmärkte am Abend auf eine weniger aggressive geldpolitische Gangart ein. "Bereits im Dezember" könne die Zeit gekommen sein, das Tempo bei den Zinsanhebungen herauszunehmen. Auf der letzten Zinssitzung des Jahres Mitte Dezember ist also nicht mehr mit einem großen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten zu rechnen. Das genügte, um die Aktienmärkte aus dem Stand nach oben zu schicken. Der Leitindex Dow Jones drehte nach einem verhaltenen Start ins Plus und beendete den Handel 2,2 Prozent höher.
Deutlich stärker legten die Kurse an der Technologiebörse Nasdaq zu. Die dort gelisteten Wachstumswerte gelten als besonders zinsabhängig. Mit der Aussicht auf eine weniger aggressivere Geldpolitik der Fed steigen die Chancen auf höhere Bewertungen von Technologieaktien. Der Nasdaq 100 gewann 4,6 Prozent.
Dabei hatten die Märkte eigentlich schon mit einer Verlangsamung des Zinstempos gerechnet. "Man kann die Zinssätze nicht mehr so schnell erhöhen, wie sie es bisher getan haben. Dennoch ist es für die Anleger immer angenehm, wenn sie es direkt vom Chef hören", sagte Rick Meckler, Partner beim Vermögensverwalter Cherry Lane.
Die Konjunkturdaten des Tages boten ein uneinheitliches Bild. Während die US-Wirtschaft im Sommerquartal mit 2,9 Prozent stärker als erwartet gewachsen ist, haben die US-Unternehmen im November deutlich weniger Arbeitsstellen geschaffen als erwartet. Unter dem Strich entstanden lediglich 127.000 Jobs, wie der Personaldienstleister ADP mitteilte.
Der DAX hat den Handelstag mit einem leichten Plus von 0,3 Prozent beendet. Der Gewinn des deutschen Leitindex im November summiert sich damit auf rund 8,6 Prozent. Saisonal betrachtet ist der November zwar häufig ein guter Börsenmonat. Die technischen Analysten der HSBC verweisen aber auf die ungewöhnlich lange andauernde "Schönwetterperiode" im DAX, die nun schon seit mehr als acht Wochen andauere. So etwas sei dem Aktienbarometer in seiner gesamten Historie seit 1988 nur fünf Mal gelungen. "Zu mehr als zehn positiven Wochen in Serie kam es dabei nie. Das zeigt, wie außergewöhnlich die aktuelle Erholungsserie ist."
Die neuesten Verbraucherpreisdaten aus der Eurozone wurden an der Börse wohlwollend aufgenommen. Denn die Teuerungsrate in der Eurozone ging mit 10,0 Prozent erstmals seit mehreren Monaten zurück. Volkswirte hatten mit 10,4 Prozent gerechnet. Der leichte Rückgang vom bisherigen Rekordniveau dürfte denjenigen Währungshütern in der Europäischen Zentralbank (EZB) Argumente liefern, die eine etwas weniger kräftige Zinserhöhung auf der kommenden Zinssitzung am 15. Dezember favorisieren.
Die Finanzmärkte werden weiterhin durch die Lage in China verunsichert. Aktuelle Umfragen zeigen, dass sich die Stimmung in Chinas Wirtschaft verschlechtert hat. Angesichts von Rekord-Corona-Zahlen mit Lockdowns und der jüngsten Proteste bleibt die wirtschaftliche Aktivität auf Schrumpfungskurs.
Die Aussicht auf kleinere Zinsschritte in den USA trieb auch den Euro im späten Handel nach oben. Die Gemeinschaftswährung überwand wieder die Marke von 1,04 Dollar.
Zuvor hatte der Euro noch dem leichten Rückgang der Inflationsrate im Euroraum Tribut zollen müssen, der einen weniger straffen Zinskurs der EZB tendenziell wahrscheinlicher macht.
Am späten Abend kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 85,38 Dollar. Das sind 1,5 Prozent mehr als gestern. Der Anstieg wurde am Markt auch mit der jüngsten Entwicklung der Ölreserven in den USA erklärt. Die Rohöllagerbestände sind in der vergangenen Woche überraschend stark gefallen. Sie sanken im Vergleich zur Vorwoche um 12,6 Millionen Barrel. Volkswirte hatte im Schnitt nur mit einem Rückgang um 3,1 Millionen gerechnet.
Zudem ist der Ölmarkt im Vorfeld des Treffens des Ölverbunds OPEC+ am Sonntag nervös. In der OPEC+ sind die Mitgliedsstaaten des Ölkartells und andere wichtige Förderstaaten wie Russland organisiert. Zuletzt wurde am Markt spekuliert, dass die OPEC+ die Produktionsmenge unverändert halten könnte.
Der Bitcoin konnte sich heute bei Kursen über 17.000 Dollar stabilisieren. Dabei teilte die Europäische Zentralbank heute kräftig gegen die Cyberwährung aus: Nach Einschätzung zweier hochrangiger EZB-Experten ist der Bitcoin nach dem erneuten Kursabsturz im Zuge der FTX-Pleite auf dem Weg in Richtung Bedeutungslosigkeit. Bitcoin-Befürworter hätten zwar vor dem FTX-Kollaps auf eine Atempause auf dem Weg zu neuen Höhen gehofft. "Dabei war schon vorher zu erkennen, dass es eher ein letztes Aufbäumen auf dem Weg in die Irrelevanz war", hieß es in einem Blogbeitrag von EZB-Generaldirektor Ulrich Bindseil und EZB-Berater Jürgen Schaaf, den EZB heute auf ihre Internetseite stellte.
Auf dem aktuellen Niveau hat die führende Kryptowährung seit Jahresbeginn mehr als 63 Prozent an Wert eingebüßt. Noch im November 2021 hatte sie einen Höchststand bei rund 69.000 Dollar erreicht. Die jüngsten Turbulenzen im Sektor hatten rund um den Globus Rufe nach einer scharfen Regulierung aufkommen lassen. "Da Bitcoin weder als Zahlungssystem noch als Anlageform geeignet erscheint, sollte er regulatorisch auch als keines von beiden behandelt - und damit legitimiert werden", forderten die EZB-Autoren.
Twitter muss seine Anstrengungen zur Einhaltung von EU-Recht nach Ansicht von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton verstärken. Nach einem Gespräch mit Twitter-Chef Elon Musk teilte Breton mit, er freue sich zu hören, dass Musk das sogenannte EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) gelesen habe. Twitter habe aber noch viel Arbeit vor sich. Das soziale Netzwerk müsse transparente Nutzerrichtlinien einführen, Inhalte deutlich stärker moderieren, die Meinungsfreiheit schützen und entschlossen gegen Desinformation vorgehen, so Breton. Das EU-Gesetz soll unter anderem sicherstellen, dass Plattformen illegale Inhalte auf ihren Seiten schneller entfernen. Die Vorgaben gelten ab Mitte Februar 2024 in der gesamten EU - für besonders große Plattformen schon früher. Anfang 2023 will die Kommission einen Stresstest in der Twitter-Zentrale durchführen.
Zweitgrößter DAX-Gewinner war die Aktie von Mercedes-Benz. Das zusammen mit Bosch entwickelte voll automatisierte, fahrerlose Parken des Konzerns kann in Serie gehen. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) habe die Genehmigung dazu erteilt, erklärten die Partner heute. Es handele sich um die erste Freigabe für den Serienbetrieb weltweit. Zum Einsatz kommt das fahrerlose Parken zunächst nur im Parkhaus P6 am Flughafen Stuttgart. Per Smartphone-App könne der Parkplatz gebucht, das Auto losgeschickt und wieder zum Vorfahren bestellt werden.
Die Materialknappheit in der deutschen Industrie ist laut einer Umfrage des ifo-Instituts bei Unternehmen tendenziell weiter zurückgegangen. Gut 59 Prozent der befragten Firmen gaben im November an, unter Engpässen zu leiden - das ist der niedrigste Wert seit April 2021. In der Automobilbranche verschärfte sich das Problem des Materialmangels laut ifo aber weiter. Über 83 Prozent der Unternehmen klagten demnach über Schwierigkeiten, gegenüber knapp 75 Prozent im Vormonat.
Der vor der Verstaatlichung stehende Düsseldorfer Versorger Uniper will vom russischen Gazprom-Konzern wegen ausbleibender Gaslieferungen Schadenersatz in Milliardenhöhe einklagen. "Uniper hat ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet", sagte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach. Die Gasersatzkosten beliefen sich auf bislang 11,6 Milliarden Euro. Diese Summe werde bis Ende 2024 weiter steigen. Das Verfahren solle vor einem internationalen Schiedsgericht in Stockholm stattfinden, sagte Maubach.
Gazprom lehnte dies postwendend ab. Der russische Energieriese habe keine Verträge gebrochen. Damit ist unklar, ob ein solches privatwirtschaftliches Schiedsverfahren überhaupt stattfindet. Maubach betonte, dass Uniper notfalls auch vor Gerichte in Deutschland ziehen werde. Der Konzern macht seit Monaten hohe Verluste, weil er teuren Ersatz für ausbleibende Gaslieferungen aus Russland besorgen muss. In den ersten neun Monaten diese Jahres hatten die Düsseldorfer ein Minus von 40 Milliarden Euro angehäuft.
Der Energiekonzern will indessen noch in diesem Jahr das schwimmende Flüssigerdgas-Terminal in Wilhelmshaven in Betrieb nehmen. Nur besonders schlechtes Wetter könne noch einen Strich durch die Rechnung machen, sagte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach heute. Flüssigerdgas (LNG) spielt eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen der Bundesregierung, Gaslieferungen aus Russland zu ersetzen. Gestern hatten der US-Energieriese ConocoPhillips und QatarEnergy eine Vereinbarung zur Lieferung von LNG nach Deutschland unterzeichnet.
Die Schweizer Großbank UBS hat die Einstufung für Deutsche Telekom auf "Buy" mit einem Kursziel von 26,40 Euro belassen. Deutschland sei für die Telekombranche ein guter Markt, allerdings mit spezifischen Herausforderungen, schrieb Analyst Polo Tang in einer aktuellen Studie. Sein Favorit ist die Deutsche Telekom.
Mit Kursgewinnen wurde die Aktie des Airport-Betreibers Fraport im MDAX gehandelt. Die Zahl der Flugreisenden in Deutschland hat sich während des Sommerflugplans wegen abnehmender Corona-Sorgen mehr als verdoppelt. Von April bis Oktober stieg die Zahl der Fluggäste um 108,7 Prozent zum Vorjahreszeitraum auf rund 59,0 Millionen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Auch der innerdeutsche Luftverkehr legte zu, mit einem Plus von 84,2 Prozent auf 4,46 Millionen Fluggäste aber weniger als der Auslandsverkehr.
Die insolvente skandinavische Fluggesellschaft SAS hat ihren Verlust im vierten Quartal ausgeweitet. Der Vorsteuerverlust stieg auf 1,7 Milliarden schwedische Kronen (155,36 Millionen Euro) nach einem Minus von 945 Millionen im Vorjahr. SAS will nach eigenen Angaben das Insolvenzverfahren in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 abschließen. Zudem werde die Umsetzung "wahrscheinlich zusätzliche Gerichtsverfahren in anderen Gerichtsbarkeiten als den USA nach sich ziehen". Aus diesem Grund gebe es "keine Garantie dafür, dass die Aktionäre von SAS AB eine Entschädigung erhalten werden".