US-Notenbanchef Jerome Powell
Marktbericht

Breite Kurserholung an den Börsen Fed-Chef macht den Anlegern Mut

Stand: 02.03.2022 22:38 Uhr

Wird die Zinswende doch nicht so groß? Der Ukraine-Krieg stimmt die Fed vorsichtiger. Präsident Powell plant nur einen kleinen Zinsschritt im März. Das beruhigt die Anleger. Die Börsen erholen sich.

Die Achterbahnfahrt an den internationalen Aktienmärkten setzt sich fort. Nach den deutlichen Kursverlusten zum Monatsanfang ist es heute wieder kräftig nach oben gegangen. Der Dow Jones schloss 1,8 Prozent höher, der marktbreite S&P 500 legte 1,9 Prozent zu, und die technologielastige Nasdaq schaffte ein Plus von 1,6 Prozent.

Die Aussicht auf behutsame Zinserhöhungen der Fed versetzte die US-Anleger in Kauflaune. Zwar wird die US-Notenbank die Zinswende in diesem Monat einleiten, sie dürfte aber womöglich nicht so drastisch ausfallen wie befürchtet. Eine Zinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte im März ist aus Sicht von Fed-Chef Jerome Powell angemessen. "Ich neige dazu, eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte vorzuschlagen und zu unterstützen", sagte Powell in seiner Anhörung im Finanzdienstleistungsausschuss des US-Repräsentantenhauses.

Der Krieg in der Ukraine sei ein Unsicherheitsfaktor. "In der kurzen Frist bleiben die Auswirkungen der Invasion in die Ukraine, der Sanktionen und kommender Ereignisse auf die US-Wirtschaft hochgradig unsicher", sagte der Fed-Präsident im US-Repräsentantenhaus. Es sei noch unklar, wie lange wirtschaftliche Verzerrungen infolge des Konflikts wie höhere Öl- und Gaspreise anhalten würden. Die Notenbank werde daher die wirtschaftlichen Entwicklungen genau beobachten und "geschickt" darauf reagieren, versprach Powell. Das Ziel der Fed sei es, einen "langen Aufschwung" zu ermöglichen, der weiter für einen starken Arbeitsmarkt sorgen werde.

Powell und andere Vertreter der Notenbank hatten bereits zuvor einen ersten Zinsschritt für den März angedeutet Wegen der noch nicht absehbaren Folgen des Ukraine-Kriegs kamen zuletzt aber wieder Zweifel an einer baldigen Zinswende auf. Die Fed hatte die Leitzinsen im März 2020 angesichts der verheerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die US-Wirtschaft auf ein Niveau zwischen 0,0 und 0,25 abgesenkt.

Positive Impulse lieferte der Wall Street auch die Nachricht, dass Russland und die Ukraine Bereitschaft für eine Fortsetzung der Verhandlungen über eine Waffenruhe am Donnerstag signalisierten. "Wir warten morgen auf sie", sagte der Leiter der russischen Delegation, Wladimir Medinski, am Mittwochabend der Agentur Interfax zufolge. Nach vorläufigen Angaben solle das Treffen mit Vertretern des Nachbarlandes in der ersten Tageshälfte stattfinden. Die Ukrainer seien auf der Anreise.

Im Sog der freundlichen Wall Street beendete der DAX seine zweitägige Talfahrt. Er schloss um 0,7 Prozent fester und überwand ganz knapp die runde Marke von 14.000 Punkten. Am Morgen war der deutsche Leitindex zeitweise mit 13.707 Zählern auf den tiefsten Stand seit gut einem Jahr abgesackt. "Wieder einmal keimt Hoffnung auf ein Ende des Krieges auf, nachdem beide Kontrahenten Bereitschaft für eine Fortsetzung der Verhandlungen signalisierten", erklärte Analyst Konstantin Oldenburger vom Online-Broker CMC Markets die Kurserholung. "Endet aber auch dieses Treffen, sofern es denn überhaupt stattfindet, ohne Ergebnis und gehen die Angriffe Russlands auf die Ukraine mit unverminderter Härte weiter, dürfte der DAX schon morgen wieder die Reise gen Süden antreten."

Doch die Stimmung an den Finanzmärkten bleibt angespannt. Die Rohstoffpreis-Rally schürt Konjunktur- und Inflationsängste. Vereinzelt macht gar schon das böse Wort "Stagflation" die Runde. Darunter verstehen Experten eine stagnierende Wirtschaft bei steigender Inflation. Bislang sei aber noch unklar, ob der Krieg der wirtschaftlichen Erholung ein Ende setzen werde, fragt sich Berenberg-Anlagestratege Jonathan Stubbs. Diese Unsicherheit könne noch Wochen oder Monate anhalten.

Die Ölpreise schnellten heute auf neue mehrjährige Höchststände. Die Ölsorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um bis zu 7,7 Prozent und lag mit 113,09 Dollar je Barrel (159 Liter) so hoch wie zuletzt vor mehr als siebeneinhalb Jahren. Auch andere Rohstoffe kosteten deutlich mehr. bei Kohle und Erdgas. Die entsprechenden Terminkontrakte für Kohle und Erdgas stiegen um 25 Prozent auf 250 Dollar je Tonne beziehungsweise gut 50 Prozent auf 185 Euro je Megawattstunde. Das sind Rekordniveaus.

An der Moskauer Aktienbörse fand heute erneut kein Handel statt. Die Börse bleibt nach Angaben der russischen Zentralbank auch am Donnerstag weitgehend geschlossen. Einige ausgewählte Geschäfte an dem Handelsplatz sollen aber zum ersten Mal im Laufe dieser Woche möglich sein.

Im späten Handel zog der Euro wieder an und überwand die Marke von 1,11 Dollar, die in den vergangenen Tagen als Widerstand auf dem weiteren Weg nach unten fungiert hatte. Der Preis für die Feinunze Gold sank leicht auf 1933 Dollar.

Vor allem steigende Energiepreise treiben die Verbraucherpreise in der Euro-Zone auf einen neuen Höchststand. Sie kletterten im Februar um 5,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, gab das Statistikamt Eurostat bekannt. Experten hatten lediglich mit 5,4 Prozent gerechnet - nach 5,1 Prozent im Januar. Die Inflationsrate schießt damit immer weiter über die Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent hinaus. Diese tritt nächste Woche zu ihrer Zinssitzung zusammen. Sie gerät angesichts der rasant steigenden Preise unter Zugzwang, ihren noch immer lockeren Kurs zu straffen.

Die Sanktionen gegen Russland sorgen für eine strategische Kehrtwende bei einigen Konzernen. Neben Ölmulti ExxonMobil und dem iPhone-Hersteller Apple reagieren auch die Flugzeugbauer Airbus und Boeing auf den Krieg in der Ukraine und die westlichen Sanktionen. Sie stellen ihre Lieferungen an russische Fluggesellschaften ein. Die Airlines erhalten damit keine Ersatzteile mehr und werden auch technisch nicht mehr unterstützt. Auch das Gemeinschaftsunternehmen ECAR, das Airbus mit dem russischen Finanzinvestor Systema und der Industrieholding Kaslol betreibt, stelle die Arbeit ein. Die Airbus-Aktien waren mit einem Plus von 5,5 Prozent TOp-Gewinner im DAX.

Autoaktien von VW, Mercedes-Benz und BMW standen dagegen auf der DAX-Verliererliste. Im größten europäischen BMW-Werk Dingolfing wird die Fahrzeugproduktion in der kommenden Woche komplett ausfallen, erklärte ein Konzernsprecher. Davon seien mehrere Tausend Mitarbeiter betroffen. Wie es danach weitergehe, sei im Moment offen. Das Thema Kurzarbeit sei in Klärung. BMW stellt zudem den Bau von Autos im russischen Kaliningrad und den Export nach Russland bis auf Weiteres ein.

Der Energiekonzern RWE prüft, wie mit einer Verlängerung der Laufzeiten von Kohle- und Gaskraftwerken auf eine Versorgungskrise in Deutschland reagiert werden könnte. Das betreffe vor allem den kommenden Winter und die nächsten Jahre. "Es ist aus unserer Sicht richtig, dass die Bundesregierung Optionen im Bereich Kohle und Gas prüft", hieß es vom Unternehmen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte am Morgen im Deutschlandfunk erklärt, Deutschland sei im Fall eines russischen Gaslieferstopps gut vorbereitet. Im schlimmsten Fall könnten Kohlekraftwerke in der Reserve gehalten oder sogar in Betrieb gelassen werden.

Aus dem MDAX ragten die Aktien des Düngemittel-Herstellers mit einem Plus von rund zwei Prozent positiv heraus. Laut Marktteilnehmern könnte das Unternehmen von einer steigenden Düngenachfrage profitieren, wenn Lieferungen von Konkurrenten aus Russland wie Uralkali ausfallen.

Mit minus 18 Prozent war die Aktie des Solartechnikherstellers SMA klares Schlusslicht im TecDAX. SMA hat das erst Mitte Januar gesenkte Ergebnisziel für das vergangene Jahr verfehlt. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen lag 2021 mit voraussichtlich neun Millionen Euro deutlich unter den zuletzt angepeilten 20 bis 30 Millionen Euro. Hintergrund sei das außerordentliche Ende eines bestehenden Servicevertrags für Photovoltaik-Kraftwerke. Die Rückstellungen dafür belasteten demnach das Ergebnis. Für das neue Jahr peilt SMA beim operativen Ergebnis einen Anstieg auf zehn bis 60 Millionen Euro an.

Der Autovermieter Sixt hat dank einer starken Nachfrage und höheren Preisen das Jahr 2021 mit dem höchsten Vorsteuergewinn seiner Geschichte abgeschlossen. Gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 stieg das operative Ergebnis vor Steuern um gut 43 Prozent auf 442,2 Millionen Euro. 2020 war das Unternehmen hier noch in die roten Zahlen gerutscht. Weil der Autovermieter die Nachfrage infolge fehlender Wagenauslieferungen nur bedingt bedienen konnte, stiegen die Preise für die Mietwagenkunden. Entsprechend erholte sich der Konzernumsatz 2021 gegenüber dem Vorjahr um fast die Hälfte auf knapp 2,3 Milliarden Euro.

Gestiegene Abschreibungen haben die Ergebnisse der Online-Apotheke 2021 belastet. Das operative Ergebnis (Ebit) betrug minus 65,7 Millionen Euro - nach minus 0,9 Millionen im Vorjahr. Netto lag der Verlust bei 74,2 Millionen Euro. Der Vorstand begründete die Abschreibungen in Höhe von 27,0 Millionen Euro mit der Inbetriebnahme des neuen Logistikzentrums, Unternehmenszukäufen sowie erhöhten IT-Investitionen. Der Umsatz legte um 9,5 Prozent zu auf über eine Milliarde Euro.

Ford spaltet sein Elektroauto- und sein Verbrennergeschäft in zwei unabhängige Einheiten auf und will so im Wettbewerb mit Rivalen wie Tesla Boden gut machen. Das Elektrogeschäft soll künftig unter dem Markennamen Ford Model e geführt werden. Die Einheit Verbrennungsmotoren wird künftig als "Ford Blue" firmieren. Für kommendes Jahr kündigte Ford eigene Bilanzen für die beiden Sparten an. Die Aufspaltung elektrisierte die Anleger. Die Ford-Papiere kletterten um über acht Prozent nach oben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 02. März 2022 um 16:00 Uhr.