Anleger vorsichtiger Zinsen bleiben ein Thema
So richtig Freude will an der Wall Street nicht mehr aufkommen, seit die Zeichen auf einen weiteren außergewöhnlichen Zinsschritt der US-Notenbank stehen. Kursgewinne wurden abverkauft.
Und sie schwelen doch noch, die Zinssorgen. Nach einem recht unbekümmerten Start in die neue Woche gingen die US-Börsen im Verlauf in die Knie. Der Leitindex Dow Jones ging nur noch mit einem leichten Plus von 0,1 Prozent aus dem Handel.
Die Technologietitel des Nasdaq büßten 0,4 Prozent ein. Den Investoren gelang es nicht, die Sorge vor einer härteren Gangart der US-Notenbank Fed abzuschütteln, die der unerwartet stark ausgefallene US-Arbeitsmarktbericht am Freitag angefacht hatte. Mittlerweile geht die Mehrzahl der Marktteilnehmer davon aus, dass die Geldpolitiker den Leitzins auf ihrer Sitzung Ende September um drastische 0,75 Prozentpunkte anheben werden.
Am Sonntag hatte der US-Senat anderthalb Jahre nach dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden dessen milliardenschweres Klima- und Sozialpaket verabschiedet. Das Paket sieht rund 370 Milliarden Dollar für Energiesicherheit und Klimaschutz sowie 64 Milliarden Dollar für die Gesundheitsversorgung vor.
Mit Spannung erwarten die Marktteilnehmer nun die Veröffentlichung der Verbraucherpreisdaten für Juli am Mittwoch. Im Juni war die Teuerung in den USA auf 9,1 Prozent gestiegen - und damit auf den höchsten Wert seit über 40 Jahren.
DAX holt Freitagsverlust auf
Am deutschen Aktienmarkt dominierte noch eine positive Lesart der US-Daten vom Freitag. So belegt der robuste Arbeitsmarkt die Stärke der amerikanischen Wirtschaft, die möglicherweise im laufenden dritten Quartal wieder zulegen kann. Damit treten Sorgen wegen einer möglichen Stagflation mit ihren negativen Folgen für die Unternehmensgewinne wieder in den Hintergrund.
Die Anleger zeigten sich jedenfalls zum Wochenstart wieder risikofreudiger und ließen den DAX um 0,8 Prozent steigen. Damit erreichte der deutsche Leitindex wieder in etwa sein Startniveau vom Freitag.
Italien kurz vor "Ramschstatus"
Am Markt für europäische Staatsanleihen sind die Renditen für italienische Staatspapiere gegen den allgemeinen Markttrend zunächst gestiegen. Die Rendite für die Laufzeit von zehn Jahren stieg zeitweise über die Marke von 3,0 Prozent. Die Anleihen der übrigen Eurostaaten waren gefragt, die Renditen gaben zum Teil deutlich nach. Deutsche Bundesanleihen haben ihre Gewinne ausgebaut und rentieren nur noch mit 0,88 Prozent.
Marktbeobachter verwiesen auf einen negativen Kommentar der US-Ratingagentur Moody's. Die Agentur hatte am Freitagabend den Ausblick auf das italienische Kreditrating auf "negativ" gesetzt. Das bedeutet, dass Moody's das Rating, also die Bewertung der Bonität, von derzeit Baa3 senken kann. Die aktuelle Bewertung ist nur eine Stufe vom sogenannten "Ramsch-Bereich" entfernt, mit dem riskante Anlagen gekennzeichnet werden. "Das Risiko einer weiteren Herabstufung auf Ramsch nimmt mit Blick auf die mögliche politische Gemengelage nach den Wahlen am 25. September zu", kommentierten die Anleiheexperten der Dekabank. Italien steht nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Mario Draghi vor Parlamentswahlen.
Ölpreise leicht erholt
Die Ölpreise haben am Abend wieder angezogen, bleiben aber in der Nähe ihrer sechsmonatigen Tiefststände vom Wochenschluss. Besonders die Lage in China spielt eine große Rolle am Ölmarkt. Die dortigen strikten Corona-Lockdowns schüren immer wieder Ängste vor einer wirtschaftlichen Abschwächung und damit einer nachlassenden Nachfrage. Am Vormittag wurde bekannt, dass auf der bei Urlaubern beliebten Insel Hainan angesichts des dortigen Corona-Ausbruchs weitere Gebiete abgeriegelt wurden. Dagegen überraschte das starke Exportwachstum im Juli von 18 Prozent die Märkte. Chinas Importe stiegen allerdings im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur um 2,3 Prozent und verfehlten die Prognose von 3,7 Prozent deutlich.
Palantir kappt Prognose
Bei den Einzelwerten an der Wall Street stachen die Aktien der Datenanalysefirma Palantir mit einem Minus von bis zu 15,2 Prozent hervor. Das umstrittene Unternehmen, das Daten unter anderem für das US-Militär und den Geheimdienst CIA sammelt, ist nach eigenen Angaben nicht sicher, ob wichtige Regierungsverträge erneuert werden. Der Umfang zentraler Aufträge sei "unvorhersehbar", sagte Finanzchef David Glazer. Daher senkte der Datensammler seine Wachstumsprognose für das Gesamtjahr von bisher rund 30 auf 23 Prozent.
Sartorius setzt auf Biopharmazeutika
Am Abend gab Sartorius eine Großübernahme bekannt. Der Pharma- und Laborausrüster aus dem DAX kauft den britischen Hersteller von Biopharmazeutika Albumedix. Der Kaufpreis liege bei 415 Millionen britischen Pfund. Albumedix sei ein führender Anbieter von Lösungen auf Basis rekombinanten Albumins, so Sartorius. Dieses sei ein wichtiger Baustein bei der Herstellung innovativer Biopharmazeutika, besonders für Zelltherapien, Virustherapien und Impfstoffe. Albumedix habe mehr als 100 Mitarbeiter und werde 2022 voraussichtlich einen Umsatz von rund 33 Millionen Pfund erzielen. Die Transaktion steht unter dem Vorbehalt behördlicher Genehmigungen und soll vor Ende des dritten Quartals 2022 abgeschlossen werden.
Bayer-Talfahrt geht weiter
Unter den wenigen schwächeren DAX-Titeln fiel erneut die Bayer-Aktie auf. Es war der dritte Minustag in Folge für die Aktie des Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzerns seit der Veröffentlichung der Quartalsdaten in der Vorwoche und insgesamt schon ein Verlust von rund zehn Prozent. Vor allem die drohenden Rechtsrisiken in den USA im Zuge der Monsanto-Übernahme belasten weiter.
VW: Eigentümerfamilien wollen mehr Mitsprache
Die Ablösung von Konzern-Chef Herbert Diess bringt die Machtverhältnisse bei Volkswagen in Bewegung: Die Familien Porsche und Piech, die über die Porsche Automobil Holding SE das Sagen bei Europas größtem Autobauer haben, wollen sich bei Entscheidungen stärker einmischen als bisher, wie aus dem Umfeld des Aufsichtsrats zu hören war.
"Sie wollen die Umsetzung der strategischen Vorgaben stärker im Blick haben", sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Der künftige Konzernchef Oliver Blume, Wunschkandidat des Porsche-Piech-Clans, solle mehr Augenmerk auf das operative Geschäft legen als sein Vorgänger. Blume solle den von Diess angestoßenen Wandel zu einem führenden Mobilitätsdienstleister zudem in ruhigeres Fahrwasser führen.
Porsche SE mit Milliardengewinn im Halbjahr
Die VW-Holding Porsche SE hält wegen der Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg weiter sowohl einen Rückgang als auch einen deutlichen Anstieg des Gewinns in diesem Jahr für möglich. Die Holding, über die die Familien Porsche und Piech die Stimmrechtsmehrheit an dem Wolfsburger Autokonzern halten, bestätigte ihre Prognose eines Nettogewinns vor Steuern in einer weiten Bandbreite zwischen 4,1 und 6,1 Milliarden Euro. 2021 hatte die Porsche SE den Gewinn auf 4,6 (Vorjahr 2,6) Milliarden Euro fast verdoppelt. In den ersten sechs Monaten stieg der Reingewinn, der sich im Wesentlichen aus der Beteiligung an Volkswagen speist, um 31 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Davon flossen 3,1 Milliarden Euro von Volkswagen an die Holding.
Die Porsche Holding will im Zuge des noch im vierten Quartal geplanten Börsengangs 25 Prozent plus eine Aktie der Stammaktien an der Porsche AG erwerben. Damit erhielte sie eine Sperrminorität.
Siemens Energy tief in den roten Zahlen
Siemens Energy kämpft weiter mit Verlusten. Für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2021/22 meldete der Energietechnikkonzern einen Fehlbetrag nach Steuern von 533 Millionen Euro. Ursache waren Belastungen aus der Restrukturierung der Geschäfte in Russland und erneute Einbußen bei der spanischen Windenergietochter Siemens Gamesa. Im Vorjahreszeitraum hatte ein Verlust von 307 Millionen Euro in den Büchern gestanden. Im Gesamtjahr erwartet der Konzern einen Verlust, der das Vorjahresniveau von minus 560 Millionen Euro annähernd in Höhe der Kosten der Restrukturierung des Russlandgeschäfts übersteigt. Vor allem im Zusammenhang mit den Problemen in Russland hätten sich die Sondereffekte im Quartal auf minus 298 Millionen Euro summiert.
Hypoport bekräftigt Ziele
Der Finanzdienstleister Hypoport hat im zweiten Quartal seinen Umsatz um ein Fünftel auf 126 Millionen Euro gesteigert. Der Überschuss stieg um 32 Prozent auf knapp zehn Millionen Euro. Das Unternehmen hält trotz des deutlichen Zinsanstiegs bei Immobilienkrediten an seinen Jahreszielen fest. Die höheren Zinsen, eine drohende Rezession und fehlendes Material in der Bauindustrie könnten jedoch im zweiten Halbjahr zu "längeren Vermarktungszyklen für Immobilienfinanzierungen" führen.
BioNTech wächst, aber unter Erwartungen
BioNTech profitiert auch weiterhin kräftig von der hohen Nachfrage nach seinem Corona-Impfstoff. Im ersten Halbjahr setzte das Mainzer Unternehmen 9,6 Milliarden Euro um. Der Halbjahresgewinn belief sich auf 5,4 Milliarden Euro. Allerdings blieben der Umsatz und der Gewinn je Aktie im zweiten Quartal mit 3,2 Milliarden Euro und 6,45 Euro unter den Schätzungen. Analysten hatten im Mittel 3,96 Milliarden und 7,44 Euro pro Aktie erwartet. Im Gesamtjahr peilt BioNTech einen Umsatz von 13 bis 17 Milliarden Euro an. Die Vorbereitung für die Markteinführung zweier an neue Corona-Varianten angepasster Impfstoffe sei "in vollem Gange", teilte das Unternehmen mit. Ihre Auslieferung könne "vorbehaltlich behördlicher Genehmigungen" ab Oktober beginnen.
Hoher Milliardenverlust für Softbank
Die Krise der Technologieaktien hat den japanischen Großinvestor Softbank tief in die roten Zahlen gedrückt. Von April bis Juni sei ein Verlust von 3,16 Billionen Yen (umgerechnet fast 23 Milliarden Euro) angefallen. Im Vorjahreszeitraum stand noch ein Gewinn von rund 5,5 Milliarden Euro in der Bilanz. Allein die die Geschäftsaktivitäten dominierenden Vision Funds, die unter anderem am Fahrdienstvermittler Didi, dem Online-Händler Coupang, dem Uber-Konkurrenten Grab und Alibaba beteiligt sind, kamen in den drei Monaten auf ein Minus von mehr als 21 Milliarden Euro.