Nach Biden-Rückzug Neue Fantasie an der Nasdaq
Vor allem die Anleger an der Nasdaq griffen nach dem Kandidatenwechsel im US-Präsidentschaftswahlkampf zu. Die Aussicht bei einem Harris-Sieg auf weniger Zölle im Handel mit China kam gut an.
Der Rückzug von US-Präsident Joe Biden aus dem Rennen um das Weiße Haus hat zum Wochenstart für steigende Kurse an der Wall Street gesorgt. Vor allem Technologiewerte erholten sich von ihrem jüngsten Rücksetzer.
Der Index der Tech-Börse Nasdaq sprang um 1,58 Prozent auf Punkte. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 rückte um 1,54 Prozent vor, ebenso der marktbreite S&P-500-Index, der 1,08 Prozent gewann. Der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, legte nur moderat um 0,32 Prozent zu auf 40.415 Punkte.
Die Sorge vor einem Handelskonflikt zwischen den USA und China bei einem Wahlsieg von Ex-Präsident Donald Trump hatte Investoren vergangene Woche einen Bogen um den Tech-Sektor machen lassen. Heute kehrten die Tech-Investoren nun geballt zurück.
Durch Bidens Rückzug und die bevorstehende Kandidatenkür von Vizepräsidentin Kamala Harris werden die Karten im US-Wahlkampf neu gemischt. Nach dem Attentat auf Ex-Präsident Trump und nach dem desaströsen Auftreten Bidens im ersten Fernsehduell schien die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus schon ausgemachte Sache - nun ändert sich alles.
"Die Demokraten haben (...) mit der designierten Kandidatin Kamala Harris das Momentum auf ihrer Seite. Auch könnten die Demokraten angesichts einer 59-jährigen Spitzenkandidatin den Spieß umdrehen und nun ihrerseits aufgrund des hohen Alters von Donald Trump dessen geistige Fitness in Zweifel ziehen. Daher hat nach unserer Einschätzung die Wahrscheinlichkeit eines Trump-Wahlsieges nach dem Abgang von Joe Biden abgenommen", kommentiert Dirk Chlench, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Harris muss allerdings auf dem Parteitag der Demokraten im August noch bestätigt werden, gilt aber als Favoritin.
Im Fokus stand unter den Einzeltiteln die Nvidia-Aktie, die deutlich um 4,76 Prozent zulegte auf 123,54 Dollar. Wegen der US-Beschränkungen für Technologie-Exporte nach China arbeitet der Chiphersteller Insidern zufolge an einer speziellen Version seines aktuellen KI-Chips für den dortigen Markt. Dieser gemeinsam mit dem chinesischen Vertriebspartner Inspur entwickelte Prozessor solle im zweiten Quartal 2025 auf den Markt kommen, sagten mehrere Insider.
Spannend wird es beim Blick auf die Einzelwerte dann wieder Dienstagabend, wenn Tesla seine Quartalszahlen präsentiert. Die Aktie ist unter den "Glorreichen Sieben" in diesem Jahr das mit Abstand schwächste Papier. Auch die Google-Mutter Alphabet lässt die Anleger Dienstagabend in ihre Bücher blicken. Zuletzt war das Papier in den Abwärtssog der Tech-Aktien geraten.
Zum Wochenstart ließ der DAX eine verlustreiche Vorwoche hinter sich und legte wieder zu. Am Ende stieg der deutsche Leitindex um 1,29 Prozent auf 18.407 Punkte. Die charttechnisch wichtige Marke von 18.500 Punkten konnte der deutsche Leitindex allerdings nicht überwinden, das Tageshoch lag bei 18.468 Punkten.
Martkttechnisch gilt: Solange der DAX seine 50-Tage-Linie (aktuell bei knapp 18.500 Punkten) aber nicht zurückerobern kann, bleiben die Perspektiven für das deutsche Börsenbarometer eingetrübt.
Auch der MDAX der mittelgroßen Werte gewann 0,3 Prozent hinzu auf 25.418 Punkte. Gewinne und Verluste im DAX gingen dabei bei den Einzeltiteln quer durch alle Branchen. Dabei stabilisierte sich die Bayer-Aktie weiter und stand knapp vor Infineon an der DAX-Spitze. Insgesamt profitierten die deutschen Tech-Aktien heute von einer Stabilisierung der US-Technologiebörse Nasdaq. Sartorius-Vorzüge setzten hingegen ihren jüngsten Ausverkauf fort und standen am DAX-Ende.
Hauptthema des Tages an der Frankfurter Börse war natürlich ebenfalls der Rückzug von US-Präsident Joe Biden aus dem Wahlkampf. Damit steigen auch die Chancen, dass die zu erwartende protektionistische Wirtschaftspolitik Trumps verhindert werden kann. Vor allem der exportstarken deutschen Industrie hätte dieser Kurs besonders geschadet, wie schon die ersten Präsidentschaft Trumps zwischen 2017 und 2021 gezeigt hatte.
Auch wenn die Anleger heute in Kauflaune waren - die Frage ist, wie lange der politische Rückenwind aus Washington den Index tragen kann. Politische Börsen, so ein altes Sprichwort, haben kurze Beine. Zudem könnte es sich bei den heutigen Kursgewinnen auch um eine Gegenreaktion auf die jüngsten Kursverluste handeln.
Ein starkes Cloud-Geschäft hat SAP erneuten Rückenwind gegeben. Die Erlöse in dieser Sparte seien im zweiten Quartal um ein Viertel auf 4,153 Milliarden Euro gestiegen, teilte der Walldorfer Software-Konzern am Abend nach US-Börsenschluss mit. Der Konzernumsatz habe um zehn Prozent auf 8,288 Milliarden Euro zugelegt. Beide Werte deckten sich mit den Markterwartungen.
Weitere Kosten für die Restrukturierung drückten allerdings das operative Ergebnis um elf Prozent auf 1,222 Milliarden Euro. Das Unternehmen weitet sein Stellenabbauprogramm wegen der Annahmebereitschaft vieler Beschäftigter aus und will daher ab dem kommenden Jahr die Kosten stärker senken. Statt 8.000 Stellen sollen nun 9.000 bis 10.000 der derzeitigen Jobs abgebaut werden.
Rechne man Sonderposten heraus, ergebe sich ein währungsbereinigtes Plus von 35 Prozent auf 1,940 Milliarden Euro. Auf dieser Basis bekräftigte SAP das Ziel eines Betriebsergebnisses von 7,6 bis 7,9 Milliarden Euro. Für das kommende Jahr peilt das Unternehmen nun einen Wert von 10,2 statt zehn Milliarden Euro an. Die Aktie legt im nachbörslichen US-Handel rund fünf Prozent zu.
Insgesamt nimmt nun auch die heimische Berichtssaison Fahrt auf, morgen werden eine Fülle neuer Quartalsberichte hauptsächlich aus dem europäischen Ausland erwartet. In den USA hatten die Ergebnisausweise mit den Zahlen aus dem Bankensektor traditionell schon früher begonnen.
Der Kurs des Euro hat sich auch im US-Handel nicht mehr viel bewegt. Die europäische Gemeinschaftswährung wurde zuletzt bei 1,0888 Dollar gehandelt. Bereits im europäischen Geschäft hatten die jüngsten politischen Entwicklungen in den USA kaum eine Rolle gespielt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0888 (Freitag: 1,0890) Dollar fest.
In der vergangenen Woche war der Euro noch zeitweise bis auf 1,0948 Dollar gestiegen und damit auf den höchsten Stand seit März. Seitdem hat sich die Gemeinschaftswährung etwas abgeschwächt, was Analysten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) mit dem Renditevorteil für US-Staatsanleihen erklärten. Während US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren aktuell mit einer Rendite von 4,2 Prozent gehandelt werden, werfen deutsche Bundesanleihen mit gleicher Laufzeit nur eine Rendite von 2,4 Prozent ab.
Die Feinunze Gold lag zuletzt bei 2.396 Dollar rund 0,6 Prozent im Minus. Damit geht die Korrektur seit dem Rekordhoch in der Vorwoche bei 2.484 Dollar weiter. Öl der Nordseesorte Brent gab rund 0,4 nach auf gut 82 Dollar je Fass.
Die beiden vor der Verschmelzung stehenden Autozulieferer Vitesco und Schaeffler senken wegen der schwachen Branchenkonjunktur ihre Jahresprognosen. Vitesco teilte mit, der Konzernumsatz 2024 werde voraussichtlich um die 8,1 (bisherige Prognose 8,3 bis 8,8) Milliarden Euro betragen, nach 9,233 Milliarden Euro im Vorjahr.
Infolge fehlender Umsätze und Deckungsbeiträge werde eine bereinigte Ebit-Marge von rund 4,0 (bisher: 4,5 bis 5,0) Prozent erwartet nach 3,7 Prozent im Vorjahr, erklärte das Unternehmen und verwies auf die "nur langsam voranschreitende Erholung des Marktumfelds im Automobilsektor, speziell im Bereich der batterieelektrischen Fahrzeuge".
Auch der fränkische Auto- und Industriezulieferer Schaeffler, mit dem Vitesco zum 1. Oktober verschmolzen werden soll, senkte daraufhin seine Prognose: Bei unverändert deutlichem Umsatzwachstum erwarte der Vorstand nun eine kombinierte bereinigte Ebit-Marge von fünf bis acht (bisher sechs bis neun) Prozent. Auf Basis vorläufiger Zahlen liege der Umsatz im zweiten Quartal bei 4,191 (Vorjahr: 4,056) Milliarden Euro, die Ebit-Marge vor Sondereffekten sei auf 4,9 (7,1) Prozent gesunken.
Der Online-Broker Flatexdegiro will sich von der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin ein Aktienrückkaufprogramm genehmigen lassen. Die Hauptversammlung vom 04. Juni hatte das Unternehmen ermächtigt, eigene Anteilscheine zu erwerben.
Die Durchführung stehe unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Behörde, teilte Flatexdegiro am Abend mit. Es sei beabsichtigt, einen Großteil des bilanziellen Nettogewinns aus dem Geschäftsjahr 2023 von 71,9 Millionen Euro für das Aktienrückkaufprogramm zu verwenden.
Am deutschen Aktienmarkt waren heute auch die Varta-Aktie im Fokus. Anleger reagierten auf das geplante Sanierungsverfahren bei dem Batteriehersteller mit einem Ausverkauf der Aktien. Die Titel brachen in der Spitze um fast 80 Prozent ein auf ein Rekordtief von 2,10 Euro. Zuletzt erholte sich das Papier zwar etwas, mit gut 68 Prozent Wertverlust war es aber ein schwarzer Tag für das Traditionsunternehmen.
Das angeschlagene Unternehmen aus Ellwangen hatte am Sonntag Lösungen für eine Sanierung angekündigt, bei der die hohe Schuldenlast reduziert werden soll, die Aktionäre und Aktionärinnen aber leer ausgehen. Am Freitag waren ihre Anteile noch 440 Millionen Euro wert gewesen.
Eine Empfehlung von Oddo BHF schob die Papiere von Süss Microtec wieder in Richtung Rekordhoch. Mit einem Plus von gut 8,5 nehmen sie im SDAX Kurs auf den Höchststand von Mitte Juli bei 70,70 Euro. Die Oddo-Experten lobten die sehr soliden Eckdaten des Halbleiterzulieferers. Ihr Kursziel signalisiert mit 80 Euro nun deutliches Aufwärtspotenzial.
Dagegen blieb die Takkt-Aktie mit einem Minus von rund 17 Prozent der mit Abstand größte Verlierer im SDAX. Nach einem schwachen ersten Halbjahr hat der Stuttgarter Büromöbelhändler seine Prognose für 2024 gesenkt. Statt eines Rückgangs beim Umsatz im hoch einstelligen bis niedrig zweistelligen Prozentbereich erwartet das Unternehmen nun ein Minus um 12 bis 17 Prozent im Gesamtjahr. Das dürfte auch Einfluss auf die Profitabilität haben.
Die irische Billig-Airline Ryanair hat im ersten Quartal ihres Geschäftsjahres deutliche Gewinneinbußen hinnehmen müssen. Die Nachfrage bleibe zwar stark, doch die Ticketpreise hätten sich schwächer entwickelt als erwartet, erklärte Unternehmenschef Michael O'Leary. Der Gewinn nach Steuern brach daher im zweiten Quartal im Jahresvergleich um 46 Prozent auf 360 Millionen Euro ein. Die Aktie lag deutlich rund neun Prozent im Minus.
Im Dow Jones stehen Verizon mit über sechs Prozent Minus am Ende. Der US-Telekomkonzern hat im zweiten Quartal wegen gestiegener Zinsaufwendungen weniger verdient. Unterm Strich blieben mit 4,7 Milliarden Dollar (rund 4,3 Mrd Euro) 1,3 Prozent weniger als im Vorjahresquartal, wie der Wettbewerber der Deutsche-Telekom-Tochter T-Mobile US vor US-Börsenstart mitteilte.
Zwischen April und Juni steigerte der größte US-Mobilfunkanbieter unterdessen seine Einnahmen im Jahresvergleich um 0,6 Prozent auf rund 32,8 Milliarden US-Dollar. Befragte Experten hatten im Durchschnitt aber mit etwas mehr gerechnet.
Dabei profitierte das Unternehmen vor allem von seinem 5G-Festnetzersatz, bei dem Internet zu Hause über Mobilfunk und nicht wie üblich über Kabel empfangen wird: Allein im zweiten Quartal kamen rund 218.000 neue Kunden nach Abzug von Kündigungen hinzu - ein Plus von 7,4 Prozent. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wuchs um 2,8 Prozent auf 12,3 Milliarden Dollar und traf damit die durchschnittliche Analystenschätzung. Die Jahresprognose bestätigte der Konzern.