Zinsängste Die Wall Street bleibt angeschlagen
Auch an der Wall Street gab es heute, wie schon zuvor in Europa, keine Gegenbewegung nach den heftigen Verlusten vom Freitag. Die düsteren Zinsperspektiven wirkten nach.
Die zerplatzten Spekulationen auf ein abnehmendes Tempo bei Zinserhöhungen lasteten heute auf der Wall Street. Zwar war der Abwärtsdruck nicht mehr so stark wie am Freitag, zu mehr reichte es aber nicht. An den Finanzmärkten dominieren damit nach wie vor Sorgen bezüglich weiter deutlich steigender Leitzinsen in den USA und zunehmend auch in Europa, die die Wirtschaft belasten könnten.
Der Jones-Index der Standardwerte schloss am Ende bei 32.098 Punkten um 0,57 Prozent leichter. Die zinssensitive Technologiebörse Nasdaq erholte sich im Verlauf zwar etwas, blieb aber letztlich doch deutlich im Minus. Der Composite-Index gab 1,02 Prozent nach auf 12.017 Punkte, der Auswahlindex Nasdaq 100 verlor 0,96 Prozent. Am Freitag war es an der Nasdaq schon rund vier Prozent bergab gegangen. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 4030 Zählern aus dem Handel, ein Verlust von 0,67 Prozent.
Die gestiegene Verunsicherung der Anleger ließ sich auch an dem als Angstmesser der Wall Street bekannten Volatilitätsindex ablesen, der auf ein Sieben-Wochen-Hoch kletterte.
US-Notenbankchef Jerome Powell hatte Ende vergangener Woche die hohe Priorität der Inflationsbekämpfung unterstrichen und klargestellt, dass die Federal Reserve ihren Kampf gegen die stark steigenden Preise auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Folgeschäden fortsetzen werde. Markterwartungen, wonach die Fed wegen konjunktureller Probleme im kommenden Jahr wieder an Zinssenkungen denken könnte, erteilte Powell damit faktisch eine Absage.
"Die Botschaft von Jackson Hole war laut und deutlich und nicht das, was die Märkte erwartet hatten", sagte Nordea-Chefanalyst Jan von Gerich mit Blick auf das Zentralbank-Symposium im US-Bundesstaat Wyoming aus der Vorwoche, bei dem auch Powell aufgetreten war. "Die Zentralbanken brauchen überzeugende Beweise dafür, dass die Inflation zurückgeht. Das ist eine schlechte Nachricht für die Wirtschaft und die Risikobereitschaft und erhöht das Risiko einer tieferen Rezession, wenn wir schnellere Zinserhöhungen bekommen."
Unter den Einzelwerten profitierten Ölwerte von dem deutlichen Anstieg der Ölpreise. So gehörten Chevron mit einem Plus von 0,77 Prozent im Dow zu den größten Gewinnern. Die Aktien von Exxon Mobil und von ConocoPhillips gewannen 2,3 beziehungsweise 0,92 Prozent. Schlusslicht im Dow waren Salesforce, die knapp drei Prozent verloren.
Die Aussicht auf kräftige Zinserhöhungen und eine drohende Rezession drücken derzeit deutlich auf die Stimmung der heimischen Anleger. Diese haben sich heute weiter vom Markt verabschiedet, der DAX gab 0,61 Prozent auf 12.892 Punkte nach. Wer auf eine technische Gegenreaktion nach den deutlichen Verlusten vom Freitag gesetzt hatte, wurde enttäuscht. Von Schnäppchenjägern war nichts zu sehen.
Apropos Markttechnik: Charttechnisch ist der DAX stark angeschlagen. "Jetzt geht es für den Markt darum, schnell Halt zu finden, um nicht direkt die nächste und wohl alles entscheidende Marke anzulaufen: das Jahrestief knapp unter 12.500 Punkten", sagt Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege RoboMarkets.
Bei den Investoren hallten die Äußerungen des US-Notenbankchefs Jerome Powell heute weltweit nach. Dieser hatte die Finanzmärkte auf einen langen Kampf gegen die Inflation eingestimmt.
Aber nicht nur in den USA, wo die Notenbank Federal Reserve (Fed) schon länger auf dem Bremspedal steht, sondern auch in Europa nehmen die Zinsängste derzeit massiv zu. Denn die lange Zeit viel zu zögerlich agierende EZB steuert nun ebenfalls auf einen größeren Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten auf ihrer nächsten Sitzung am 8. September zu.
Aus den Kursen am Geldmarkt geht hervor, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Anhebung des Leitzinses in der Eurozone in dieser Höhe auf mittlerweile auf 67 Prozent taxiert wird. Zum Vergleich: Vor den Auftritten der Notenbanker am Wochenende war die Wahrscheinlichkeit für einen solch kräftigen Zinsschritt nur mit 24 Prozent taxiert worden.
Am Samstag hatten sowohl EZB-Direktorin Isabel Schnabel als auch die Notenbank-Chefs von Frankreich und Lettland, Francois Villeroy de Galhau und Martins Kazaks, für kraftvolle oder deutliche Zinserhöhungen argumentiert, um die ausufernde Inflation zu bekämpfen. Die Inflation im Euroraum war im Juli auf einen neuen Rekordwert von 8,9 Prozent geklettert.
Am Devisenmarkt hat sich der Euro zwischenzeitlich knapp über die Parität zum US-Dollar hochgekämpft, im US-Handel steht er wieder ganz knapp darunter. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 0,9986 (Freitag: 1,0007) Dollar fest. Die Erholung wurde vor allem mit den zu Wochenbeginn merklich gefallen europäischen Gaspreisen begründet.
Am Morgen sank der Preis des Terminkontrakts TTF auf 268 Euro. Trotz erheblich gedrosselter Liefermengen aus Russland nähert sich der Füllstand der deutschen Gasspeicher der 85-Prozent-Marke, die eigentlich erst Anfang Oktober erreicht werden soll. Am Freitag war der Kontrakt noch zeitweise mit rund 340 Euro gehandelt worden. Die Eurozone und insbesondere Deutschland sind stark von Erdgas abhängig. Hohe Gaspreise stellen eine große Belastung für die wirtschaftliche Entwicklung dar.
Übergeordnet stützen aber die steigenden US-Zinserwartungen den Greenback. Der Rückfall der Gemeinschaftswährung in Richtung Parität ist maßgeblich auf das große Zinsvoraus der Weltleitwährung Dollar zurückzuführen. Vor einem Jahr kostete der Euro noch knapp 20 Prozent mehr, seitdem ist er nur gefallen. Unter Parität versteht man ein 1:1-Tauschverhältnis zwischen zwei Währungen.
Die Ölpreise haben ihre deutlichen Aufschläge der vergangenen Woche ausgebaut. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent sowie der US-Leichtölsorte WTI kosteten rund 4,7 Prozent mehr als am Freitag. Auftrieb erhalten die Erdölpreise seit einigen Tagen von der Aussicht auf ein geringeres Angebot. Vergangene Woche hatte es entsprechende Signale vom Ölriesen Saudi-Arabien und von anderen Mitgliedern des Rohölverbunds OPEC+ gegeben.
Gestützt wurden die Ölpreise durch die Unsicherheit im Irak. Anhänger des einflussreichen Schiitenführers Muktada al-Sadr haben den Regierungspalast in Bagdad erstürmt. Auch rund zehn Monate nach der Parlamentswahl können sich die Parteien weder auf einen Präsidenten noch einen Regierungschef einigen, während das Land unter einer Wirtschaftskrise, Inflation und Korruption ächzt. Der Irak ist ein wichtiges Ölförderland.
Im DAX stand die Bayer-Aktie im Fokus, die am Indexende lag und fast fünf Prozent verlor. Der Pharmakonzern will seinen Medikamentenkandidaten Asundexian gegen Schlaganfälle nun auch in zulassungsrelevanten Studien an einer breiten Patientengruppe testen. Auf Basis der Phase-II-Daten werde das Phase-III-Entwicklungsprogramm Oceanic gestartet, teilte der DAX-Konzern am Sonntag mit. Experten sprachen allerdings von durchwachsenen Ergebnissen.
Inhaber eines E-Mail-Kontos bei den 1&1-Diensten GMX und Web.de können künftig herkömmliche Briefe auf Papier aus einem neuen Online-Office heraus versenden. Die Dokumente lassen sich mit der Funktion "Als Brief versenden" an die Deutsche Post übermitteln. Dort werden sie ausgedruckt, frankiert und auf dem Postweg als gedruckter Brief an die Empfänger-Adresse zugestellt, wie die United-Internet-Marke 1&1 und die Deutsche Post am Montag mitteilten.
Parallel zur Einführung des neuen Dienstes stellt die Deutsche Post ihren Service E-Post für Privatkunden bis Ende November 2022 ein. Die Deutsche Post empfiehlt privaten Nutzern nun, die E-Mail-Anbieter GMX und Web.de sowie die eigene Post & DHL App als Alternativen für hybride Briefdienstleistungen zu nutzen. Für Geschäftskunden werde E-Post als Plattform zur Digitalisierung der Briefkommunikation "hingegen unverändert fortgeführt und weiter ausgebaut".
Der angeschlagene Energiekonzern Uniper muss immer neue Löcher stopfen und hat den Staat um weitere Hilfen gebeten. Uniper habe zwei Milliarden Euro aus der bestehenden Kreditfazilität der staatlichen KfW Bank in Anspruch genommen und damit die Summe von neun Milliarden vollständig ausgeschöpft, teilte das Unternehmen mit. Darüber hinaus habe Uniper eine Erweiterung der KfW-Kreditlinie in Höhe von vier Milliarden Euro beantragt. Damit solle die kurzfristige Liquidität des Unternehmens sichergestellt werden. Der Versorger ist durch die Gaslieferkürzungen Russlands in Schieflage geraten.
Erst im Juli hatte der Bund ein 15 Milliarden Euro schweres Hilfspaket für den größten deutschen Gasimporteur gezurrt. Dies sah neben den KfW-Milliarden auch den Einstieg des Staates mit rund 30 Prozent vor. Die Details müssen der Bund und Uniper unter anderem noch mit dem finnischen Mutterkonzern Fortum klären. Ab Oktober erhofft sich Uniper Erleichterung durch die geplante Gasumlage, mit der die Gaskunden Uniper und weitere unter Druck geratene Versorger stützen sollen.
Die Auslieferung von neuen Corona-Impfstoffen, die besser gegen Omikron-Varianten des Virus schützen, könnte ab kommender Woche starten. In den beiden Kalenderwochen 36 und 37, also ab dem 5. September, sollten pro Woche jeweils rund fünf Millionen Dosen des angepassten BA.1-Impfstoffs von BioNTech/Pfizer ausgeliefert werden, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Schreiben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Zudem erhalte der Bund vom Hersteller Moderna insgesamt rund vier Millionen Dosen BA.1-Impfstoff im Laufe der beiden Septemberwochen.
Auch wenn die neuen Impfstoffe auf die Variante BA.1 zugeschnitten sind, helfen sie Lauterbach zufolge auch gegen andere Omikron-Varianten. "Nach den vorliegenden Studiendaten wirken die Impfstoffe deutlich besser gegen die derzeit vorherrschende BA.5-Variante als der Impfstoff der ersten Generation", schrieb der Minister. Insbesondere für Hochrisikogruppen könnten sie "ein entscheidender Faktor sein". Lauterbach verwies darauf, dass "täglich nach wie vor rund 100 Personen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion sterben".
Der Chef der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen, sieht klare Anzeichen für eine Normalisierung der angespannten Lieferketten. "Vor sechs Monaten war jedes unserer Schiffe drei- oder vierfach überbucht, jetzt sind die Schiffe vielleicht noch zu 20 Prozent überbucht. Das ist ein wesentlicher Indikator", sagte Habben Jansen der "Welt am Sonntag".
Das Medienunternehmen RTL Deutschland baut seine Spitze weiter personell um. Ingrid Heisserer, die vom Kosmetikhersteller L'Oreal kommt, wird zum 1. Dezember neue Finanzchefin. Für das Personal bei RTL Deutschland ist künftig Xenia Meuser verantwortlich, die mit Wirkung zum 25. Oktober neue Personalleiterin wird. Die Managerin arbeitet bislang bei der Mutter des Karrierenetzwerkes Xing, New Work.
Die Lufthansa sieht sich durch die geplante Verschärfung der Maskenpflicht in Flugzeugen erheblich wirtschaftlich benachteiligt. "Passagiere, die die Wahl haben, über mehrere Stunden mit oder ohne Maske zu fliegen, entscheiden sich meist für die komfortablere Variante", schreibt das Unternehmen in seinem heute veröffentlichten Politikbrief.
Mit knapp zwei Jahren Verspätung erhält die Lufthansa morgen ihr erstes Langstreckenflugzeug vom Typ Boeing 787-9. Der sogenannte "Dreamliner" mit 294 Plätzen soll gegen 11.00 Uhr aus Seattle kommend am Frankfurter Flughafen landen, wie ein Sprecher heute berichtete. Für den gesamten Konzern hat Lufthansa 32 Flugzeuge des zweistrahligen Typs bestellt, der in der Konzernflotte perspektivisch ältere Airbus-Modelle mit vier Triebwerken ersetzen soll.
Der angeschlagene Immobilienkonzern Adler Group wird seinen Aktionären keinen Dividendenvorschlag unterbreiten. Dies geschehe aus Gründen der Vorsicht, solange kein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt sei, teilte das Unternehmen heute mit. Die Adler Group werde daher bis auf Weiteres auch keine zukunftsgerichtete Aussage zur Dividende treffen.
Zudem bestellte der Verwaltungsrat Thomas Echelmeyer mit Wirkung zum 1. September zum Finanzvorstand des Unternehmens. Der Manager hat diese Funktion bereits seit 1. Juni interimistisch inne. Die im Nebenwertesegment SDAX notierte Aktie zeigte sich auf der Handelsplattform Tradegate im Vergleich zum Xetra-Schluss kaum bewegt.
Der Schmuck- und Uhrenhersteller Bulgari peilt ein neues Spitzenjahr an: "Bereits 2021 war bei Bulgari ein Rekordjahr, und dieses Jahr wird nochmals deutlich besser sein. Wir wachsen sowohl bei den Uhren als auch beim Schmuck im hohen zweistelligen Prozentbereich", sagte Bulgari-Chef Jean-Christophe Babin in einem Interview mit der "NZZ". Die Corona-Maßnahmen in China seien aber nach wie vor eine Herausforderung.
Der schwedische Netzwerk-Ausrüster Ericsson fährt seine Geschäftsaktivitäten in Russland in den kommenden Monaten schrittweise zurück. Das Unternehmen beschäftige etwa 400 Mitarbeiter in Russland und werde diese finanziell unterstützen, teilte Ericsson mit. Der Konkurrent von Nokia hatte seine Mitarbeiter bereits Anfang des Jahres in bezahlten Urlaub geschickt.