Moderate Gewinne Atempause an der Wall Street
Nach den heftigen Verlusten vom Freitag haben sich die US-Börsen zumindest stabilisiert. Trotzdem bleibt die Stimmung angespannt, vor allem die Zinswende lastet weiter schwer auf den Märkten.
Nach zunächst richtungslosem Verlauf haben sich die US-Börsen im Handelsverlauf noch stabilisiert. Am besten hielt sich dabei die Technologiebörse Nasdaq, an der vor allem gegen Handelsschluss noch Interesse aufkam. Der Composite-Index legte um 1,29 Prozent zu auf 13.004 Punkte, auch der Auswahlindex Nasdaq 100 machte 1,32 Prozent auf 13.533 Zähler gut.
Der Leitindex Dow Jones, der im Tagestief schon auf 33.323 Punkte gefallen war, erholte sich im Verlauf ebenfalls und schloss am Ende bei 34.049 Punkten, ein Tagesgewinn von 0,7 Prozent. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei bei 4296 Zählern um 0,57 Prozent höher aus dem Handel.
Von einer kraftvollen Gegenbewegung nach den starken Verlusten am Freitag konnte allerdings keine Rede sein, zumal es lange nicht nach dieser moderaten Erholung ausgesehen hatte. Im Vordergrund stand vielmehr die Furcht vor einem stotternden Wirtschaftsmotor in China sowie vor rasch steigenden Zinsen. "Die Erholung der Aktien von der Korrektur im ersten Quartal ist auf eine Mauer aus steigenden langfristigen Zinsen gestoßen", sagte Lisa Shalett, Investment-Chefin von Morgan Stanley.
Neben dem alles beherrschenden Zinsthema sorgen sich die Anleger vor allem wegen der Lage in China. Nach der Entdeckung von einigen Dutzend Corona-Infektionen in Peking müssen sich alle 3,5 Millionen Einwohner des größten Stadtteils Chaoyang in drei Runden alle zwei Tage testen lassen. Die Angst vor strengen Ausgangssperren auch in der chinesischen Hauptstadt sorgte für Hamsterkäufe und leere Regale in Supermärkten.
"In China fällt der Regierung keine Alternative zu ihrer Zero-Covid-Strategie ein", erklärten die Analysten der LBBW. "Shanghai bleibt abgeriegelt, die Häfen bleiben dicht und die Schiffs-Staus werden immer länger."
Aus Branchensicht standen Ölwerte am stärksten unter Verkaufsdruck, nachdem die Ölpreise deutlich gefallen waren. Entsprechend gehörten die Aktien von Chevron, ExxonMobil und ConocoPhillips mit Verlusten zwischen 2,2 und 4,5 Prozent zu den schwächsten Werten. Am Rohölmarkt dominieren zunehmend Sorgen über eine schwächere Nachfrage wegen der strengen Corona-Maßnahmen in China.
Die Wirtschaftsmetropole Shanghai geht bereits in die vierte Woche eines harten Lockdowns. Die Notierungen für die Nordseesorte Brent und die US-Leichtölsorte WTI fielen zwischen fünf und sechs Prozent. Brent rutschte zwischenzeitlich unter die Marke von 100 Dollar je Fass.
Der High-Tech-Unternehmer Elon Musk kauft den Kurzbotschaftendienst Twitter für rund 44 Milliarden Dollar (knapp 41 Milliarden Euro) auf. Twitter gab am Abend kurz vor Börsenschluss eine "endgültige Vereinbarung" für eine Übernahme des Onlinedienstes durch Musk bekannt. Der Gründer des Elektroautobauers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX wird demnach 54,20 Dollar pro Twitter-Aktie zahlen. In der Folge soll Twitter dann von der Börse genommen werden. Vergangene Woche hatte der Verwaltungsrat von Twitter noch versucht, eine Übernahme durch den reichsten Menschen der Welt zu verhindern. Er gab nun seinen Widerstand auf.
Musk hatte Mitte April verkündet, er wolle Twitter vollständig übernehmen. Zuvor hatte der 50-Jährige bereits etwas mehr als neun Prozent der Anteile gekauft und war damit zum größten Aktionär des Kurzbotschaftendienstes aufgestiegen. Musk erklärte, er wolle Twitter "besser machen als jemals zuvor". Die Twitter-Aktie legte kräftig um über 5,6 Prozent zu, blieb aber noch unter dem vereinbarten Übernahmepreis.
Zum Wochenstart hat der DAX an seine jüngsten Verluste angeknüpft und den Handelstag mit einem Minus beendet. Der deutsche Leitindex notierte letztlich bei 13.924 Punkten um 1,5 Prozent leichter - deutlich unter der Marke von 14.000 Punkten, um die im Verlauf lange gerungen wurde. Im späten Geschäft weiteten sich die Verluste nach zuvor wechselvollem Handel aus, so dass das Schlussniveau in der Nähe des Tagestiefs bei 13.863 Punkten lag. Das entsprach einem Minus von 2,0 Prozent im Vergleich zum XETRA-Schlusskurs vom Freitag bei 14.142 Punkten. Im Hoch hatte der DAX bei 14.037 Punkten knapp über der psychologisch wichtigen Tausendermarke gelegen.
Mit dem Rutsch unter seine jüngsten Verlaufstiefs bei 14.000 Punkten sendete der DAX zudem ein technisches Verkaufssignal. Der Abwärtstrend seit Anfang Januar setzt sich fort.
Auslöser der jüngsten Talfahrt an den weltweiten Börsen waren deutliche Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell am Donnerstag, denen zufolge eine Zinserhöhung von 50 Basispunkten nach der nächsten Zinssitzung der Bank am 4. Mai zu erwarten sei. Zwar war an den Märkten bereits länger auf eine weitere US-Zinserhöhung spekuliert worden, auf die konkrete Ankündigung reagieren die Anleger jetzt aber überraschend deutlich.
Denn seitdem geht es mit den Kursen sowohl in Europa als auch in den USA bergab - und zwar am Aktien- ebenso wie am Rentenmarkt. Anleger fürchten vor allem, dass die US-Notenbank Federal Reserve mit ihrem Zinskurs die Konjunktur abwürgen könnte.
Apropos Konjunktur: Weitere Konjunkturängste kommen derzeit aus China, wo sich die Corona-Pandemie ausbreitet. Dies schürt ebenfalls Ängste hinsichtlich des chinesischen Wirtschaftswachstums.
"Die neue Geschichte dreht sich heute um China, und der Markt ist sehr besorgt über die Auswirkungen auf die Lieferketten", sagte Roland Kaloyan, Aktienstratege bei der Societe Generale. Nach Dutzenden Coronafällen in Chinas Hauptstadt Peking wächst die Furcht vor einem Lockdown wie in der Wirtschaftsmetropole Shanghai.
Die Sorgen dominierten - ungeachtet der Erleichterung über den Wahlsieg des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Auch ein überraschend robuster ifo-Geschäftsklimaindex hilft nicht. "Doch insbesondere die Geschäftserwartungen in der Industrie befinden sich nach wie vor auf Niveaus, bei denen es in der Vergangenheit zu Rezessionen gekommen war - wie 1992/93 nach dem Wiedervereinigungsboom, 2008 während der Finanzmarktkrise oder im Frühjahr 2020 nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie", unterstreicht Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Auch andere Experten äußerten sich kritisch, für Entwarnung gebe es keinen Anlass.
Wie es mit den Kursen in den kommenden Tagen weitergehen könnte, hängt allerdings auch vom weiteren Verlauf der US-Berichtssaison ab. Im Lauf der Woche dürften die Quartalszahlen der US-Tech-Riesen Microsoft, Alphabet, Meta, Apple und Amazon von Anlegern besonders kritisch beäugt werden.
Die Tech-Werte hatte in den vergangenen Jahren stets die Rally an den Aktienmärkten angeführt. Ein Schwächesignal aus diesem Sektor hätte fatale Folgen für den Gesamtmarkt. In der Vorwoche hatte Netflix mit seinen Quartalszahlen bereits für eine herbe Enttäuschung gesorgt.
Immer mehr Anleger suchen ihr Heil im "sicheren Hafen" der Weltleitwährung US-Dollar. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, stieg um 0,3 Prozent auf ein Zwei-Jahres-Hoch von 101,34 Punkten. Die erwartete Serie von US-Zinserhöhungen und die Furcht vor einer Rezession seien derzeit auch die bestimmenden Themen am Devisenmarkt, sagt Candace Browning, Chef-Analystin der Bank of America.
Der Euro hat unterdessen vom Wahlsieg Macrons bei der französischen Präsidentschaftswahl nur kurz profitiert. Rasch rückten die bevorstehenden US-Zinserhöhungen wieder in den Fokus der Devisenmarkt-Anleger. Der Euro fällt weiter und steht im US-Handel am Abend nur noch knapp über der Marke von 1,07 Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0746 (Freitag: 1,0817) Dollar fest.
Derweil war der "sichere Hafen" Gold bei den Anlegern nicht gefragt. Der Preis für eine Feinunze des gelben Edelmetalls fällt um 1,7 Prozent auf 1899 Dollar. Der Goldpreis leidet unter dem steigenden US-Dollar und den anziehenden Anleiherenditen. Gold wirft selbst keine Zinsen ab und ist daher ein "natürlicher Verlierer" steigender Zinserwartungen.
In dem trüben Marktumfeld gehören die als defensiv angesehenen Aktien von Energiekonzernen in Zeiten der voranschreitenden Energiewende zu den positiven Ausnahmen. Im DAX gehörten die Aktien des Versorgers RWE zu den größten Gewinnern. Auch Tagessieger Henkel profitierte als defensiver Titel. Allerdings war die Aktie zuletzt schlecht gelaufen, so dass der Trost heute für die Aktionäre überschaubar bleibt.
Zu den schwächsten DAX-Werten gehört einmal mehr die Aktie von Delivery Hero. Mit einem Kursverlust von bislang 66 Prozent ist sie der größte DAX-Verlierer im noch jungen Börsenjahr 2022. Tagesverlierer waren Deutsche Bank, die über fünf Prozent verloren.
Die Deutsche Börse ist dank eines höheren Handelsaufkommens an den Märkten mit einem Gewinnsprung in das Jahr gestartet. Der den Anteilseignern zurechenbare Gewinn sei im ersten Quartal binnen Jahresfrist um ein Drittel auf 420,8 Millionen Euro geklettert, teilte der Börsenbetreiber aus dem DAX nach Handelsschluss mit.
Die Nettoerlöse nahmen im ersten Jahresviertel ebenfalls deutlich um 24 Prozent auf 1,062 Milliarden Euro zu. "Das erste Quartal 2022 lag deutlich über unseren Erwartungen", erklärte Finanzvorstand Gregor Pottmeyer. Alle Komponenten des Wachstums hätten zu dem außergewöhnlich guten Ergebnis beigetragen.
"Wir rechnen daher derzeit damit, die Prognose für das laufende Geschäftsjahr zu übertreffen", erklärte Pottmeyer. Die Deutsche Börse erwartet nun für 2022 einen Anstieg der Nettoerlöse auf mehr als 3,8 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll auf mehr als 2,2 Milliarden Euro zunehmen. Bislang wurden Nettoerlöse von rund 3,8 Milliarden Euro und ein Ebitda von rund 2,2 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
Der Wohnungsriese Vonovia aus dem DAX sieht sich trotz der wirtschaftlichen Folgen des russischen Einmarsches in der Ukraine auf Kurs zu seinen Jahreszielen. "Wirtschaftlich gesehen erwarten wir ein neues Rekordjahr", sagte Vonovia-Chef Rolf Buch in seiner am Abend vorab veröffentlichten Rede für die virtuelle Hauptversammlung am Freitag.
Vonovia gehe im laufenden Jahr für zentrale Kennzahlen von einem Wachstum von voraussichtlich mehr als 20 Prozent aus, bekräftigte er. Der Gewinn aus dem operativen Geschäft (Group Funds from Operations/Group FFO) - die bei Immobilienfirmen zentrale Kennziffer - soll damit in einer Bandbreite von rund 2,0 bis 2,1 Milliarden Euro liegen. Vonovia hatte den kleineren Rivalen Deutsche Wohnen übernommen, Buch geht die Integration des Zukaufs an. Anfang 2023 soll sie abgeschlossen werden. "Durch den Zusammenschluss mit der Deutsche Wohnen sind wir stärker geworden", sagte Buch laut Redetext.
Der Finanzdienstleister Hypoport hat zu Jahresanfang Umsatz und Gewinn deutlich gesteigert. Die Erlöse seien zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um über 25 Prozent auf 136 Millionen Euro gestiegen, teilte das SDAX-Unternehmen nach Börsenschluss in Berlin mit. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen legte um über 35 Prozent auf 17 Millionen Euro zu. Anleger zeigten sich erfreut. Der Aktienkurs von Hypoport legte auf der Handelsplattform Tradegate in einer ersten Reaktion um fast zweieinhalb Prozent zu.
Der französisch-österreichische Biotechkonzern Valneva kommt im Zulassungsverfahren für seinen Covid-19-Totimpfstoff nicht so schnell voran wie gedacht. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat weitere Informationen über den Impfstoff angefordert. An der Börse in Paris brachen die Aktien von Valneva um rund 16 Prozent ein, es war der größte Tagesverlust seit Anfang Januar.
BMW stoppt wegen fehlender Halbleiter die Produktion im Werk Regensburg für mindestens eine Woche. Ein Sprecher sagte, seit heute ruhe die Arbeit in Presswerk, Lackiererei, Karosseriebau und Montage. Ein Drittel der 9000 Mitarbeiter in Regensburg sei betroffen. Normalerweise laufen in Regensburg täglich rund 1000 Autos der Modelle X1, X2 und 1er vom Band. Wie es in der kommenden Woche weitergeht, ist den Angaben zufolge noch offen.
In der Debatte über eine Entlastung des Vorstands bei der Hauptversammlung am kommenden Freitag kann das Bayer-Management unter Vorstandschef Werner Baumann mit Unterstützung des norwegischen Staatsfonds rechnen. Der mit einem Anteil von zuletzt knapp 2,3 Prozent fünftgrößte Aktionär teilte am Sonntag mit, dass er für die Entlastung des Vorstandes stimmen werde. Das Vergütungspaket für Baumann will der Fonds dagegen nicht mittragen.
Der DAX-Konzern erwartet zudem einen erfolgreichen Jahresstart. Firmenchef Werner Baumann zeigt sich trotz des Kriegs in der Ukraine optimistisch für die Geschäfte des Agrar- und Pharmakonzerns. Dies geht aus der der am Abend nach Börsenschluss veröffentlichten Rede zur Hauptversammlung am 29. April hervor.
"Gerade im Agrargeschäft sehen wir ein deutlich positiveres Marktumfeld als in den vergangenen Jahren", so Baumann. Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges und der damit verbundenen Sanktionen seien im ersten Quartal noch nicht sichtbar. Die Zahlen will Bayer am 10. Mai veröffentlichen.
Ein möglicher Verkauf von 100 "Marder"-Schützenpanzern an die Ukraine schob zunächst Rheinmetall an. Aktien des Rüstungskonzerns gehörten zu den wenigen Gewinnern im MDAX. Das Papier konnte die Gewinne aber nicht halten. Die Bundesregierung wird nach Aussage des Regierungssprechers Steffen Hebestreit "zeitnah" über die von Rheinmetall beantragte Lieferung von 100 Marder-Schützenpanzer an die Ukraine entscheiden.
Der Modekonzern Hugo Boss kann den Ausfall des Geschäfts durch Russlands Krieg gegen die Ukraine nach Einschätzung seines Vorstandsvorsitzenden Daniel Grieder ausgleichen. "Wir können das in anderen Regionen kompensieren", sagte Grieder dem "Handelsblatt". Elf Franchisegeschäfte in der Ukraine und 28 eigene Geschäfte in Russland seien geschlossen.
Nach sechs Wochen Stillstand lässt der Lastwagenbauer MAN die Produktion ab heute wieder anlaufen. Die Versorgung mit Kabelsträngen habe sich verbessert, ein kleiner Teil der Belegschaft könne jetzt schrittweise aus der Kurzarbeit zurückkehren, sagte MAN-Chef Alexander Vlaskamp. "Nach heutiger Einschätzung könnten wir über 20 Prozent unserer Jahresproduktion verlieren. Der Rückstand ist kaum mehr aufzuholen", sagte Vlaskamp.
Die im Dow Jones enthaltene Coca-Cola-Aktie legte rund ein Prozent zu. Der Getränkekonzern hat dank Preiserhöhungen für seine Produkte im ersten Quartal seinen Umsatz deutlich gesteigert. Er kletterte um 16 Prozent auf 10,5 Milliarden Dollar (9,8 Milliarden Euro), wie das US-Unternehmen mitteilte.
Das war deutlich mehr als von Analysten erwartet, die mit 9,8 Milliarden Dollar gerechnet hatten. Der Gewinn betrug 2,8 Milliarden Dollar. Coca-Cola hatte die Preise seiner Produkte im Schnitt um sieben Prozent angehoben und dies mit der hohen Inflation begründet. Der Absatz stieg ebenfalls, und zwar um elf Prozent.