Vor neuen Inflationsdaten US-Anleger werden vorsichtiger
Nach der Bankenkrise war heute vor wichtigen neuen Preisdaten. Die US-Anleger haben sich nicht mehr weiter vorgewagt, denn Inflationsängste sind noch nicht gebannt.
Anders als die heimischen Anleger haben sich die Investoren an der Wall Street heute nur zögerlich vorgewagt. Zwar überwog die Erleichterung, dass die Bankenkrise vorerst glimpflich überstanden sei, neue Inflationsdaten werfen aber bereits ihre Schatten voraus. Denn am Freitag stehen die Februar-Daten des Preisindex der persönlichen Konsumausgaben (PCE) an, das bevorzugte Inflationsmaß der Notenbank Federal Reserve (Fed). Die Januar-Zahlen zeigten eine starke Beschleunigung der Verbraucherausgaben.
"Die Daten, die wir allmählich sehen, sehen weniger rosig aus, und obwohl die Inflation schmerzhaft langsam zurückgeht, bewegt sie sich in die richtige Richtung", sagte Stuart Cole, leitender Makroökonom beim Maklerunternehmen Equiti Capital. "Dies deutet zunehmend darauf hin, dass die Fed kurz davor steht, ihre Zinserhöhungspolitik einzustellen."
Laut dem Fedwatch-Indikator der weltgrößten Terminbörse CME Group (Chicago Mercantile Exchange) werden die Wetten der Händler momentan zu gleichen Teilen zwischen einer Pause und einer Zinserhöhung um 25 Basispunkte durch die Fed im Mai aufgeteilt.
Nach einer freundlichen Eröffnung fehlten der Street die Anschlusskäufe, um die anfänglichen Gewinne noch auszuweiten. Am Ende stand ein moderater Aufschlag beim Leitindex Dow Jones von 0,43 Prozent auf 32.859 Punkte.
Die Technologiebörse Nasdaq verteidigte ihre Anfangsgewinne und schloss 0,7 Prozent höher - zu mehr reichte es aber nicht mehr. Der Auswahlindex Nasdaq 100 legte 0,9 Prozent zu. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 4050 Zählern um 0,5 Prozent höher aus dem Handel.
Bankaktien konnten unter den Standardwerten anfängliche Gewinne nicht halten, hier nahmen die Anleger Gewinne mit. US-Präsident Joe Biden will derweil angesichts der Bankenturbulenzen in den USA wieder schärfere Auflagen für Geldhäuser und damit eine Rücknahme von Erleichterungen seines Vorgängers Donald Trump. Biden fordere daher die Bankaufsichtsbehörden unter anderem auf, die Liquiditätsanforderungen für kleinere Banken zu erhöhen, teilte das Weiße Haus am Donnerstag mit. Außerdem sollten diese sich wieder jährlichen Stresstests unterziehen müssen.
Gefragt waren hingegen Disney-Aktien, nachdem sich das Unternehmen mit einem juristischen Kniff erfolgreich gegen ein neues Gesetz des ultrakonservativen Gouverneurs von Florida, Ron DeSantis, gewehrt hatte. Es ging um die Hoheitsrechte für das etwa zehn Quadratkilometer große Areal des Disney-Vergnügungsparks in Orlando, die der Politiker beschneiden wollte.
Disney hatte durch einen aus den 1960er-Jahren stammenden alten Sonderstatus etwa die Kontrolle über den Bau der riesigen Vergnügungsparks und auch das Recht, kommunale Anleihen auszugeben. Auf dem Gebiet befinden sich außer Disney World auch noch etliche weitere Vergnügungs- und Wasserparks, Hotels und die dazugehörige Infrastruktur.
Das neue Gesetz hätte dem von DeSantis ernannten Gremium weitreichendes Mitspracherecht über die künftige Entwicklung des Gebietes gegeben. Es galt als Retourkutsche dafür, dass sich der Konzern zuletzt gegen ein Gesetz des Republikaners gestellt hatte, das Unterricht über sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität vom Kindergarten bis zur dritten Klasse verbietet und in höheren Klassen einschränkt.
Aktien von Alibaba legten 3,5 Prozent zu. Der chinesische Amazon-Rivale hat einem Medienbericht zufolge mit den Vorbereitungen für den Börsengang seiner Logistiksparte Cainiao Network Technology in Hongkong begonnen. Diese werde derzeit mit mehr als 20 Milliarden Dollar bewertet, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider.
Für Kursfantasie sorgte auch JD.com. Der chinesische E-Commerce-Riese will seine Immobilien- und Industriesparten abspalten und an die Hongkonger Börse bringen. Umfang und Struktur der Börsengänge seien noch nicht abschließend geklärt, hieß es. Die in den USA gelisteten Papiere gewannen knapp acht Prozent.
Die Anleger blickten auch auf neue Konjunkturdaten, die eine weiterhin robuste US-Wirtschaft signalisieren. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe ist auf niedrigem Niveau etwas stärker als erwartet um 7000 Anträge auf 198.000 gestiegen. Seit Beginn des Jahres liegen die Werte mit nur wenigen Ausnahmen aber unter der Marke von 200.000. Bei Werten unter dieser Marke sprechen Experten von einem niedrigen Niveau an Hilfsanträgen, was auf einen robusten Arbeitsmarkt in den USA hindeutet.
Die US-Wirtschaft ist Ende 2022 etwas schwächer als erwartet gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im vierten Quartal auf das Jahr hochgerechnet um 2,6 Prozent zu, wie das Handelsministerium in Washington nach einer dritten Schätzung mitteilte. In einer zweiten Schätzung war noch ein Wachstum um 2,7 Prozent ermittelt worden. Bankvolkswirte hatten im Schnitt mit einer Bestätigung der Zweischätzung gerechnet.
US-Wachstumszahlen werden annualisiert, also auf das Jahr hochgerechnet. Sie geben damit an, wie stark die Wirtschaft wachsen würde, wenn das aktuelle Tempo vier Quartale anhielte. In Europa wird auf diese Vorgehensweise verzichtet, weshalb die Wachstumszahlen nicht direkt miteinander vergleichbar sind. Um näherungsweise auf eine mit Europa vergleichbare Wachstumsrate zu kommen, müsste man die US-Rate durch vier teilen.
So schnell und brutal wie sie kam, scheint sie auch wieder aus den Köpfen der Anleger zu verschwinden: die Bankenkrise. Erinnerungen an den systemischen Ausfall nach der Lehman-Pleite im Jahr 2008 hatten den DAX in der Vorwoche bis auf 14.458 Punkte gedrückt.
Von diesem Ausverkauf war heute nichts mehr zu spüren. Der deutsche Leitindex setzte vielmehr seine jüngste Erholung fort und schloss auf einem neuen Drei-Wochen-Hoch bei 15.522 Punkten. Prozentual legte der Index damit 1,26 Prozent zu.
Noch besser lief es bei den Aktien aus der zweiten Reihe. Der industrie- und exportlastige MDAX stieg kräftig um 2,14 Prozent, wobei vor allem die dort besonders stark vertretenen Immobilienaktien Boden gut machen.
Nach den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor habe sich ein zuversichtlicherer Tenor an den Börsen durchgesetzt, sagte LBBW-Analyst Rolf Schäffer. Die akute Furcht der Marktteilnehmer vor einer Finanzsystemkrise sollte weiter nachlassen - gänzlich verschwinden dürfte sie nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank in den USA und der Notübernahme der Credit Suisse aber nicht.
Trotz der Erholung bleibt beim Blick auf die Wirtschaftsdaten aber Vorsicht geraten. Denn die Hoffnungen der Anleger auf Signale für einen weniger steilen Zinspfand in der Eurozone wurden von den deutschen Verbraucherpreise im März nicht erfüllt. Die Teuerungsrate sank hierzulande gegenüber Vorjahr zwar auf 7,4 von 8,7 Prozent. Dabei wurde sie aber erstmals mit den durch den Ukraine-Krieg und die Energiepreis-Explosion schon erhöhten Preisen verglichen, nicht mehr mit den niedrigeren vor Kriegsausbruch - Fachleute sprechen von einem Basiseffekt.
"Für den Verbraucher ist es im Grunde wichtiger, was von Monat zu Monat passiert. Und hier ist die Teuerung noch immer recht hoch", sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. Obwohl sich Kraftstoffe und Heizöl etwas verbilligten, stieg das Preisniveau um 0,8 Prozent im Vergleich zum Februar.
Damit schließt sich ein womöglich noch problematischer Kreis. Denn es waren unter anderem die drastischen Zinserhöhungen der großen Notenbanken, die so manches Geldhaus diesseits und jenseits des Atlantik in Schwierigkeiten gebracht haben. Allerdings scheinen die Bilanzen der Banken derzeit widerstandsfähiger zu sein als 2008, was an der Börse entsprechend goutiert wird und durchaus Anlass zur Hoffnung gibt.
Neben dem Dauerthema um Zinsen und Banken standen heute auch eine Reihe von Quartalsergebnissen aus der zweiten Reihe auf der Agenda.
Unter den Einzelwerten im DAX punktete neben dem Sportartikelkonzern Adidas besonders der Chiphersteller Infineon. Zahlreiche positive Analystenkommentare katapultierten die Aktien auf den höchsten Stand seit Januar 2022. Nach starken vorläufigen Zahlen zum zweiten Geschäftsquartal hatte Infineon am Dienstagabend seine Jahresziele angehoben. Am Mittwoch und auch am Donnerstag hoben zahlreiche Analysten ihre Kursziele für die Aktie an. Am Ende stand ein deutliches Plus von über fünf Prozent auf der Anzeigetafel. Auch Adidas stiegen in der gleichen Größenordnung.
Am DAX-Ende standen die Papiere des Börsenbetreibers Deutsche Börse. Die Schweizer Großbank UBS hat die Einstufung für auf "Buy" mit einem Kursziel von 205 Euro belassen. Analyst Michael Werner senkte aber seine Ergebnisschätzungen bis 2025 leicht ab, wie er in einer heute vorliegenden Studie aufgrund zuletzt gefallener Zinserwartungen schrieb. Anleger nahmen Gewinne mit, nachdem die Aktie zuletzt gut gelaufen war.
Die Ölpreise haben erneut zugelegt. Zuletzt kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 1,3 Prozent mehr. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 1,7 Prozent auf 24,76 Dollar.
Die erneut freundliche Stimmung an den Aktienmärkten stützte auch die Ölpreise. An den vergangenen Tagen ist die Angst vor einer Bankenkrise in den Hintergrund getreten. Verbesserte wirtschaftliche Aussagen würden auch die Nachfrage nach Rohöl stützen. Händler verwiesen zudem auf zuletzt gesunkene Rohöllagerbestände in den USA.
Gestützt wurden die Ölpreise durch einen schwächeren Dollarkurs. Dieser macht Rohöl für Anleger aus anderen Währungsräumen günstiger. Dies stützt die Nachfrage.
Darüber hinaus gibt es Unsicherheiten auf der Angebotsseite. So steht ein Streit zwischen dem Irak, der Türkei und den kurdischen Behörden seit Tagen Öllieferungen aus dem türkischen Hafen Ceyhan im Weg. Es geht um Exporte von etwa 400 000 Barrel je Tag. Der Streit erfolgt in einem Umfeld mit einem bereits verringerten Angebot aus Russland.
Für eine Feinunze Gold wurden 1973 Dollar gezahlt, rund ein halbes Prozent mehr als gestern. Das gelbe Edelmetall ist seit dem Abflauen der Bankenturbulenzen allerdings bei Anlegern weniger stark gefragt, nachdem es in der Vorwoche noch zeitweise über die Marke von 2000 Dollar gestiegen war.
Der Euro hat am Abend im späten US-Währungshandel die Gewinne zum US-Dollar gehalten. Für Kursauftrieb hatten Preisdaten aus Deutschland und Spanien, die Hinweise auf weiter steigende Zinsen lieferten, gesorgt. Zuletzt notierte die Gemeinschaftswährung bei 1,0902 Dollar und damit etwa auf dem Niveau des späten europäischen Handels. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs auf 1,0886 (Mittwoch: 1,0847) Dollar festgesetzt.
Chefvolkswirt Jörg Zeuner von Union Investment verwies auf die sogenannte Kernrate der Preisentwicklung ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise und bezeichnete diese als "hartnäckig hoch". "Deshalb dürften die Währungshüter bei der EZB den Fuß auf dem Bremspedal halten und die Zinsen bis in den Sommer noch um 0,75 Prozentpunkte erhöhen", sagte Zeuner. Steigende Leitzinsen im Kampf gegen die hohe Inflation stützen den Kurs einer Währung.
Auf Unternehmensseite bleiben Immobilienwerte auch am vorletzten Handelstag der Woche gefragt. Aktien von Vonovia verteuern sich im DAX um fast fünf Prozent, im MDAX gehörten TAG Immobilien und Aroundtown mit deutlichen Kursaufschlägen von sieben und gut acht Prozent zu den größten Gewinnern.
Die Stimmung für den durch steigende Zinsen und hohe Energie- und Baukosten angeschlagenen Sektor hatte sich mit der Hoffnung auf ein baldiges Ende des harten Kurses der Notenbanken bereits zur Wochenmitte gedreht. Die Aktien kommen allerdings von einem niedrigen Niveau und sind daher auch für Schnäppchenjäger interessant.
Die Zalando-Aktie war ebenfalls stark gefragt. Dabei helfen auch die Zahlen von H&M. Die Bekleidungskette hatte im ersten Quartal dank eines Sondereffekts operativ mehr verdient als vor einem Jahr und dabei auch die Erwartungen übertroffen. Dabei hätten die Margen überzeugt, so Analyst Richard Chamberlain von RBC. Die H&M-Aktie sprang in Stockholm prozentual zweistellig in die Höhe.
Der Einstieg der Lufthansa bei der italienischen Fluggesellschaft Ita Airways steht unmittelbar bevor. Der Vorstand von Ita stimmte einem gemeinsamen Businessplan mit dem deutschen Konzern zu, wie heute in Rom bekanntgegeben wurde. Die Lufthansa will zunächst 40 Prozent der Anteile an dem Nachfolger der Traditionsairline Alitalia übernehmen, der bislang noch komplett dem italienischen Staat gehört. Finanzminister Giancarlo Giorgetti traf sich am Donnerstag mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr und dem Ita-Präsidenten Antonino Turicchi. Der Minister sprach danach von einem weiteren Schritt hin zu einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
Im MDAX ragten Aktien des Telekommunikationskonzerns United Internet mit einem Abschlag von 3,6 Prozent am Index-Ende negativ heraus. Das angepeilte Betriebsergebnis liege unter den Markterwartungen, betonte ein Börsianer.
Aktien des Solartechnikspezialisten SMA setzten sich mit einem Aufschlag von mehr als 20 Prozent auf dem SDAX-Spitzenplatz weit nach vorne ab - dies bedeutet ein Hoch seit 2010. Höhere Jahresziele für den Umsatz und das operative Ergebnis ziehen die Anleger an.
Volkswagen do Brasil hat in einer Anhörung zu möglicher Sklavenarbeit auf einer Amazonas-Farm eines Tochterunternehmens in den 1970er und 80er Jahren nach Angaben der brasilianischen Staatsanwaltschaft den Verhandlungstisch verlassen. Das Unternehmen habe erklärt, kein Interesse an einem Abkommens mit der für Arbeitsrecht zuständigen Anklagebehörde zu haben, hieß es in einer Mitteilung der Behörde in Brasília.
Der Nutzfahrzeugzulieferer SAF-Holland will die Dividende stärker anheben als erwartet. Die Aktionäre sollen 60 Cent je Aktie als direkte Gewinnbeteiligung erhalten. Von Bloomberg befragte Experten hatten lediglich mit 50 Cent Dividende gerechnet.
Anleger der Shop Apotheke schauen über eine Kapitalerhöhung hinweg. Sie konzentrierten sich eher auf die Chancen, die eine Partnerschaft in der Schweiz mit der Unternehmensgruppe Galenica mit sich bringt. Erstmals seit sieben Monaten wurden in der Spitze wieder mehr als 80 Euro für die Aktien der Online-Apotheke gezahlt.
Der Strahlen- und Medizintechnikkonzerns Eckert & Ziegler rechnet 2023 wegen höherer Kosten für die klinische Entwicklung mit einem weiteren Gewinnrückgang. Der Überschuss werde im laufenden Jahr wegen dieser Belastungen im Segment "Sonstige" rund 25 Millionen Euro betragen, wie das im Nebenwerteindex SDax notierte Unternehmen heute in Berlin mitteilte. Investoren erwischte das auf dem falschen Fuß. Der Aktienkurs brach um 15 Prozent ein.
Apple hat seine diesjährige Entwicklerkonferenz WWDC für den 5. bis 9. Juni angesetzt. Unter anderem der Finanzdienst Bloomberg berichtete, dass Apple eine Brille zur Anzeige virtueller Realität (VR) ankündigen wolle, die einige Monate später auf den Markt kommen werde.