Ein Kind hält bei einer Demonstration ein Plakat mit der Aufschrift "Wir wollen unsere Zukunft mitgestalten!"

Geplantes Sondervermögen Kann die Jugend so einen Schuldenberg stemmen?

Stand: 13.03.2025 14:37 Uhr

Der alte Bundestag könnte per Grundgesetzänderung Hunderte Milliarden für ein schuldenfinanziertes Sondervermögen lockermachen. Zurückzahlen müssen wird es die junge Generation, die über den Plan aber nicht zu entscheiden hat.

Von Von Johannes Reichart, BR

Gerät die Generationengerechtigkeit in Deutschland ins Wanken? Diese Frage stellen sich viele Menschen nicht nur im politischen Berlin. Dort könnte der aktuelle Bundestag kurz vor seiner Auflösung noch grünes Licht für ein gigantisches Sondervermögen geben. Die Tilgung der Schulden fällt dann in den kommenden Jahrzehnten an. Die Schultern, die das tragen müssen, sind jetzt teilweise noch im Jugendalter.

Die, die das werden schultern müssen, trainieren zum Beispiel beim TSV 1860 München in der Boxabteilung. Fragt man nach den geplanten Milliardenschulden, gehen die Meinungen unter den jungen Sportlerinnen und Sportlern auseinander. Die Mehrheit der Befragten sieht kein Problem darin, dass der Staat erheblich neue Schulden aufnimmt. Viele finden, dass man lieber jetzt als später investieren sollte.

Andere betonen, die Verschuldung sollte "im Rahmen" bleiben. Einzelne Jugendliche lehnen neue Schuldenpakete ab, etwa mit dem Hinweis: "Es ist nicht fair, dass unsere Generation die Schulden der jetzigen Zeit in der Zukunft zurückzahlen muss."

Sorge vor Krieg ist größer geworden

Einigkeit bei allen befragten Sportlern zwischen 16 und 25 Jahren herrscht darüber, dass dringend in Schulen und Universitäten investiert werden sollte. Aktuelle empirische Daten zum Stimmungsbild der Generation Z, also jungen Leuten zwischen 14 und 29 Jahren, mit Blick auf die neuen Sondervermögen gibt es nicht. Aus Studien wie etwa der Shell-Jugendstudie 2024 ist bekannt, dass bei jungen Menschen die Sorge vor Kriegen, im Ausland oder im eigenen Land, mittlerweile größer ist als etwa die Sorge vor dem Klimawandel.

Der ist aber weiterhin das zweite große Thema und so wünschen sich mehrere Sportler bei der Stichprobe im Boxclub nach einer wirksamen Aufrüstung der Bundeswehr auch mehr Investitionen, um den Klimawandel zu bremsen oder sich vor den Folgen zu schützen - Stichwort Klimaanpassung. 

Jugendverbände uneins beim Thema Verschuldung

Auch unter Jugendverbänden ist die Meinung gespalten. Vertreter des Deutschen Jugendrings (DJR) in Berlin beispielsweise sind für eine Abschaffung der Schuldenbremse und für eine höhere Besteuerung von Einkommens- und Vermögensreichtum. Schriftlich heißt es auf Anfrage zu den geplanten neuen Sondervermögen: "Für Investitionen muss der Gesetzgeber wieder finanzielle Handlungsspielräume zurückgewinnen. Die unverhältnismäßige Einschränkung des 'Königsrechts des Parlaments' durch die Schuldenbremse muss zurückgenommen werden."

Der Bayerische Jugendring (BJR) dagegen ist mit Blick auf mögliche Rekordschulden zurückhaltender. Er antwortet auf Anfrage: "Investitionen und Neuverschuldung müssen der jungen Generation zugute kommen - nicht auf ihre Kosten gehen. Wenn Investitionen und Neuverschuldung nicht zu Lasten, sondern zu Gunsten der jungen Generation geschehen, begrüßen wir das ausdrücklich."

Die Jugendverbände der Parteien könnten in der Frage von neuen Schulden nicht gegensätzlicher sein. Während die Grüne Jugend und die Jusos eine Lockerung der Schuldenbremse fordern, sprechen sich Junge Union und die Jungen Liberalen dezidiert dagegen aus.   

Forscher: Schulden schränken ein, Jugend profitiert aber auch

Von Investitionen in die Infrastruktur profitiere auch die junge Generation, sagen Experten. Der Leiter des Zentrums für öffentliche Finanzen vom Münchner Ifo-Institut, Niklas Potrafke, weist aber auch darauf hin, dass in Zukunft mehr Zinsen für Schulden gezahlt werden müssten. Bereits jetzt zahle der Bund 40 Milliarden Euro pro Jahr an Zinsen. Geld, das an anderer Stelle fehle.

"Es ist klar, dass der Handlungsspielraum für die Gesellschaft und den Staat durch diese Schulden eingeschränkt wird", sagt Potrafke. "Insgesamt sollte sich der Staat mit Schulden eher zurückhalten und nur Schulden aufnehmen, wenn es dringend notwendig ist." Der Finanzexperte sieht diese Notwendigkeit beim Sondervermögen für die Bundeswehr durchaus gegeben und auch bei Teilen der Infrastruktur gebe es Investitionsbedarf.

Für die junge Generation gebe es in seinen Augen eine ganz andere, noch größere Baustelle: Das Rentensystem müsste reformiert werden. "Es gibt immer mehr Alte, die von immer weniger Jungen versorgt werden müssen", sagt der Experte des Ifo-Instituts. Er fordert zwei Reformen: "Zum einen eine Erhöhung des Renten- und Pensionseintrittsalters. Außerdem, vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, müsste der Anstieg der Rentenzahlungen, die gegenwärtig an die Lohnentwicklung gekoppelt sind, gebremst werden."  

Ökonomin: Stopfen von Investitionslücken problematisch

Philippa Sigl-Glöckner, die als Gründerin und Direktorin der Organisation Dezernat Zukunft zu geldpolitischen Fragen forscht und SPD-Mitglied ist, sieht in den neuen Schuldenpaketen für Militär und Infrastruktur kein Vergehen an der jungen Generation: "Schulden für nachvollziehbare Dinge aufzunehmen, kommt auf lange Sicht auch jungen Leuten zugute", so Sigl-Glöckner.

Als Beispiel nennt sie die Sanierung von Bahngleisen: Diese führten kurzfristig zu Streckensperrungen und gefielen dem Wähler nicht unbedingt, sie würden sich langfristig jedoch positiv auswirken.

Das Problem: Ihren Berechnungen zufolge dienten die verkündeten Schuldenpläne von Union und SPD hauptsächlich dem Stopfen von aktuellen Haushaltslöchern: "Da ist jetzt noch nicht wahnsinnig viel Geld da für das Schließen von Investitionslücken, die wir in Deutschland haben", sagt die Ökonomin. Das Paket höre sich nach mehr Geld an, als es in Wahrheit sei.

Mit Blick auf andere Länder gibt es laut Sigl-Glöckner ein warnendes Beispiel, wie sich zu hohe Schulden auswirken können: Italien. Der dortige Staatshaushalt sei geprägt von einem großen Teil, der für Zinszahlungen verwendet wird, "für Schulden, die das Land in den 80er-Jahren aufgenommen hat", so Sigl-Glöckner. Damals blieben Strukturreformen zur Steigerung der Produktivität aus und damit habe nun die heutige Generation zu kämpfen. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 12. März 2025 um 06:00 Uhr.