Jerome Powell

Entscheidung der US-Notenbank Fed Warum eine Zinspause ein Krisensignal wäre

Stand: 22.03.2023 06:01 Uhr

Nach den jüngsten Bankenturbulenzen steht die US-Notenbank vor einer schwierigen Entscheidung: Erhöht sie die Zinsen weiter oder nicht? Eine Zinspause könnte allerdings schwerwiegende Folgen haben.

Von Angela Göpfert, tagesschau.de

Kleiner Zinsschritt oder Zinspause? Das ist die Frage, die die Fed und die Märkte zur Wochenmitte umtreibt. Die Notenbanker um Fed-Chef Jerome Powell stehen heute Abend vor einer schwierigen Entscheidung. Schließlich haben die Märkte in den vergangenen Tagen schmerzhaft zu spüren bekommen, was passiert, wenn die US-Notenbank das tut, was eben nötig ist, um die Inflation in den Griff zu bekommen.

Kleiner Zinsschritt als Kompromiss

Dem Fed Watch Tool der CME Group zufolge rechnen 85 Prozent der Marktteilnehmer mit einem Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten. Der Leitzins würde entsprechend auf 5,0 Prozent ansteigen. "Die 25 Basispunkte scheinen ein guter Kompromiss für die Märkte zu sein", erklärt Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest im Gespräch mit tagesschau.de. "Ich rechne mit einem kleinen Zinsschritt plus klaren Hinweisen darauf, dass die Fed bereitsteht, im Falle einer Vertiefung der Bankenkrise die adäquaten Mittel zu ergreifen."

Auch Franck Dixmier, Anleihenchef Allianz Global Investors, sieht die US-Währungshüter in der Pflicht: "Die Fed muss ihre Zinsen anheben." Mit einer Kerninflationsrate von zuletzt 5,5 Prozent könne sich die US-Notenbank nicht zufrieden geben.

Fed zwischen Bankenkrise und Inflationsbekämpfung

Von einer Zinspause ginge Experten zufolge zudem ein fatales Signal aus, hätte eine solche Pause doch das Potenzial dazu, die Märkte erst recht in Turbulenzen zu stürzen: Denn unter den Investoren würden dadurch Befürchtungen geschürt, dass die Lage bei den US-Banken noch viel schlimmer ist als bislang erwartet.

"Bei einer Zinspause würden die Märkte annehmen, dass sich die Fed zu sehr auf die Bankenkrise konzentriert und die Inflationsbekämpfung vernachlässigt", betont Wellenreiter-Experte Rethfeld. Das würde die Glaubwürdigkeit der US-Notenbank beschädigen. "Zugleich würde die Fed damit ein Krisensignal aussenden, was sie natürlich tunlichst vermeiden will."

Anleger könnten eine Zinspause oder gar eine Zinssenkung als Zeichen dafür werten, dass die Notenbanken von größeren Verwerfungen im Finanzsystem ausgehen, warnt auch DWS-Ökonom Christian Scherrmann.

Märkte preisen Rezession ein

Mit dem Aufflammen der Bankenkrise in den USA sind die geldpolitischen Perspektiven für den weiteren Jahresverlauf unsicherer denn je. Vor ziemlich genau einem Jahr startete die Fed ihren aktuellen Zinserhöhungszyklus, schraubte den Leitzins von nahe null auf zuletzt 4,75 Prozent in die Höhe. Eine solch starke Zinserhöhung binnen so kurzer Zeit hatte es zuvor noch nie gegeben.

Doch schon heute könnte der Zinserhöhungszyklus seinen Abschluss finden. "Die Märkte preisen das Zinshoch jetzt bei 5,0 Prozent ein und einen Rückgang der Zinsen auf 3,75 Prozent bis Mitte 2024", unterstreicht Rethfeld. "Die Erwartung einer solch scharfen Zinsreduktion annonciert eine Rezession."

Alarmglocken schrillen am Anleihenmarkt

Auch ein Blick auf den Anleihenmarkt verheißt weiterhin nichts Gutes: "Die Zinsstrukturkurve ist aktuell so invers wie seit den 1970er Jahren nicht mehr", so Rethfeld. Marktkenner sprechen von einer inversen Zinsstrukturkurve, wenn die Rendite der zweijährigen US-Staatsanleihen über der Rendite der zehnjährigen US-Bonds notiert.

Eine inverse Zinskurve gilt als valide Vorbotin einer Rezession. Laut einer Studie der Federal Reserve Bank von San Francisco ging jedem wirtschaftlichen Abschwung in den USA seit 1955 bis auf eine Ausnahme eine inverse Renditekurve voraus.

Steigende Rezessionsgefahr wegen Regionalbanken

Zu allem Überfluss haben die Probleme bei den US-Regionalbanken das Zeug dazu, die Rezessionsgefahren weiter anzufachen, wie Rethfeld im Gespräch mit tagesschau.de erklärt: "Das Geschäft der Regionalbanken besteht in erster Linie darin, Kredite zu vergeben. Werden wegen der finanziellen Probleme bei den regionalen Instituten nun weniger Kredite vergeben, dann fällt die wirtschaftliche Aktivität."

Fahren die Banken ihre Risiken zurück, so sei das gleichbedeutend mit einer deutlichen Anhebung der Zinssätze, kommentiert Ben Laidler, Marktstratege beim Online-Broker eToro. "So wird die Arbeit der Fed mit anderen Mitteln erledigt."

Doch der Grat zwischen gewünschter Inflations- und Konjunkturdämpfung auf der einen und den negativen Folgen einer unkontrollierten Bankenkrise ist schmal. Die Regionalbanken müssten nun gestärkt werden - sei es durch Einlagen der Großbanken oder durch eine Ausweitung der Einlagensicherung, betont daher Wellenreiter-Experte Rethfeld und warnt: "Ansonsten droht angesichts der mangelnden Liquidität im Kreditsektor die Gefahr einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale."