Peinliche Versehen Wenn ein Tippfehler Millionen kostet
Versehentliche Überweisungen und millionenschwere Fehltransaktionen: die Geschichte der Börsen- und Bankenwelt ist voll mit spektakulären "Fat Finger"-Fehlern. Ganz vorne mit dabei: deutsche Banken.
"Menschliches Versagen". So begründete die Citigroup die versehentliche Überweisung von 900 Millionen Dollar an Gläubiger des Kosmetikherstellers Revlon. 500 Millionen Dollar aus dieser Transaktion sieht die Citigroup wohl nicht mehr wieder - ein US-Richter gab nun den zehn Investmentfonds Recht, die eine Rückzahlung verweigerten.
Der Fall Citigroup ist jedoch beileibe kein Einzelfall. Und fehlerhafte Ordereingaben und versehentliche Überweisungen sind auch keine Spezialität von US-Banken. Das zeigt ein Blick in die Geschichte der "Fat Finger"-Fehler. So werden im Finanzjargon Tippfehler genannt, durch die viel höhere Beträge umgesetzt werden als eigentlich beabsichtigt. Häufig beruhen sie auf Zahlendrehern oder der Verwechslung von Milliarden und Millionen. Manchmal aber resultieren sie auch aus der völligen Ignoranz aktueller Großereignisse.
Ein Beispiel für "stupid German money"
Es ist Montag, der 15. September 2008: Die bundeseigene Förderbank KfW überweist an Lehman Brothers knapp 320 Millionen Euro - obwohl die US-Investmentbank in der Nacht Konkurs angemeldet hat. Bereits an den Tagen zuvor war an den Finanzmärkten über eine mögliche Lehman-Pleite spekuliert worden.
Die KfW spricht von einer technischen Panne. Das politische Berlin reagiert wie die Bevölkerung mit Spott und Fassungslosigkeit. Die "Bild"-Zeitung titelt: "Deutschlands dümmste Banker". Zwei Vorstände werden schließlich für verantwortlich erklärt und entlassen.
Lehman Brothers: eine Pleite mit peinlichen Folgen für die KfW
Aus Versehen 28 Milliarden Euro überwiesen
Auch Deutschlands größtes Geldhaus hat sich mit fehlerhaften Überweisungen in Finanzkreisen einen gewissen Namen gemacht: Im März 2018 überwies ein Mitarbeiter der Deutschen Bank aus Versehen 28 Milliarden Euro auf ein hauseigenes Konto bei der Deutsche-Börse-Tochter Eurex. Die Summe ist größer als der damalige Börsenwert der Deutschen Bank (24 Milliarden Euro).
Ein Schaden entstand angeblich nicht, da die Buchung binnen weniger Minuten rückgängig gemacht wurde. Die Panne warf dennoch neue Fragen nach den Kontrollmechanismen der Bank auf.
Deutsche Bank ein "Wiederholungstäter"?
Schließlich war es nicht die erste Panne dieser Art. Der Deutschen Bank sind bereits viele ähnlich gelagerte, ähnlich peinliche Fehler unterlaufen. So hatte das Institut im Sommer 2015 - versehentlich - sechs Milliarden Dollar an einen amerikanischen Hedgefonds überwiesen.
Hat Erfahrung mit Fehltransaktionen: die Deutsche Bank.
Ein noch neuer Mitarbeiter im Devisenhandel soll fälschlicherweise zu häufig die "0" gedrückt haben. Sein Chef war im Urlaub. Am Folgetag wurde das Geld zurücküberwiesen. Der Spott der Finanzgemeinde währte noch ein wenig länger.
Fünf Jahre zuvor war es eine Tochter der Deutschen Bank, die im Juni 2010 in Japan für Aufruhr sorgte. Die Deutsche Bank Securities hatte direkt nach Handelsauftakt einen Verkaufsauftrag für sechs Millionen Derivate auf den Leitindex Nikkei im Wert von 150 Milliarden Euro erteilt. Der Auftrag mit dem zehnfachen Volumen eines normalen Börsentags bescherte dem Nikkei ein Minus von 1,1 Prozent.
Zahlendreher ganz "big in Japan"?
Überhaupt scheint es in Japan des Öfteren fehlerhafte Transaktionen durch "dicke Finger" zu geben. 2001 hatte die Schweizer UBS versehentlich 610.000 Aktien von Japans größter Werbeagentur Dentsu für 16 Yen das Stück verkauft - geplant war eigentlich die Veräußerung von 16 Aktien für 610.000 Yen pro Stück. Der Fehler der Schweizer Banker ruinierte das Börsendebüt von Dentsu.
2005 kam der japanischen Finanzgruppe Mizuho ein ähnlicher Zahlendreher teuer zu stehen: Einer ihrer Broker wollte eigentlich eine Aktie des Zeitarbeitsunternehmens J-Com zu 610.000 Yen verkaufen; stattdessen bot er 610.000 Anteilsscheine zu je einem Yen an.
Gefährlicher Football
Nicht immer sind derweil "fette Finger" die Ursache von Fehlüberweisungen. Manchmal sind es auch "fette Bälle".
Warum hat eigentlich ein Football im Handelssaal nichts zu suchen? Diese Frage kann sich der einstige Trainee der Bank of America, der 2006 für seine Nachlässigkeit im Handelssaal einen Verweis erhielt, nun selbst beantworten.
Er weiß mit einem Football umzugehen: Kein Händler, sondern Quarterback-Legende Tom Brady
Ein anderer Händler wartete dort nur noch auf die Anweisung seines Vorgesetzten, um ein Geschäft in Höhe von 50 Millionen Dollar abzuschließen. Er hätte nur noch die Enter-Taste drücken müssen. Dort landete jedoch - ohne vorherige Chef-Freigabe - der Football des Trainees.
Risikofaktor Homeoffice
Übrigens: Die Gefahr für "Fat Finger Trades" ist in der Coronakrise nach Meinung von Experten weiter gestiegen. Denn auch viele Banker sind im Homeoffice. Die britische Aufsichtsbehörde warnte daher bereits im Sommer 2020 - also noch vor der Citigroup-Fehlüberweisung - vor versehentlich falsch gebuchten Wertpapierorders am heimischen Küchentisch.
Britische Aufsichtsbehörden sehen Banker im Homeoffice kritisch
Ob sie damit auf die im Homeoffice womöglich mangelnde Aufmerksamkeit der Banker oder auf schlecht geworfene Pässe der Banker-Kinder anspielte, ließ sie jedoch offen.