Stresstest ernüchternd Europas Banken vernachlässigen Klimarisiken
Die größten Geldhäuser der Eurozone haben die Risiken, die vom Klimawandel ausgehen, noch nicht voll im Griff. Das zeigt der erste Klimastresstest der zuständigen Bankenaufsicht.
Die Geldhäuser der Eurozone tappen noch weitgehend im Dunkeln, welche Risiken der Klimawandel für sie mit sich bringt. Das kritisiert Frank Elderson, Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB). Er vergleicht das Ganze mit einer Autofahrt: "Man kann nicht im Dunkeln ohne Licht fahren", sagt der Vizechef der EZB-Bankenaufsicht. "Die Banken brauchen bessere Daten zu Klimarisiken."
Genau daran aber mangelt es. Das zeigt der erste Klimastresstest, an dem 104 Finanzinstitute aus dem Währungsraum teilgenommen haben, darunter die Deutsche Bank und die Commerzbank. Die Mehrheit der Banken ist laut EZB nicht in der Lage, Klimarisiken adäquat zu berechnen. Bisher verlassen sie sich weitgehend auf Schätzungen, meint EZB-Direktor Elderson: "Dagegen sollten sie mehr Informationen von ihren Kunden einholen, um ihre Risikopositionen richtig zu messen."
Milliardenrisiken durch den Klimawandel?
Der EZB-Aufseher fordert, die Banken müssten Klimarisiken eine höhere Priorität einräumen. Im Alltagsgeschäft berücksichtigen sie sie Elderson zufolge kaum, etwa, wenn sie Kredite vergeben. Und so zählen zu ihren Kunden weiter oft Unternehmen, die besonders viel klimaschädliches Gas wie Kohlendioxid ausstoßen. Das an sich sei noch kein Problem, heißt es bei der EZB. Solange die Unternehmen den Geldhäusern Pläne vorlegen, wie sie in Zukunft nachhaltiger wirtschaften wollen.
Ansonsten besteht nach Angaben der Zentralbank die Gefahr, dass die Banken von politischen Entscheidungen hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft überrascht werden. Dann drohen ihnen Einbußen, wie auch in Folge von Naturkatastrophen wie Dürren oder Überschwemmungen. Allein die 41 größten Geldhäuser der Eurozone könnten insgesamt schlimmstenfalls 70 Milliarden Euro oder gar mehr verlieren. Um welche Institute es sich handelt, bleibt offen.
Deutsche Bankenvertreter und Aufseher entspannt
Alles in allem hält die deutsche Kreditwirtschaft, in der alle Sparkassen- und Bankenverbände zusammengeschlossen sind, die Auswirkungen des Klimawandels für die hiesige Bankenlandschaft für finanziell verkraftbar. "Die veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die beteiligten Geldhäuser insgesamt nicht mit wesentlichen Verlusten rechnen müssen", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Sowieso sei das Ganze erst einmal nur eine Lernübung, ohne konkrete Auswirkungen.
Zufrieden zeigt sich auch Deutschlands oberster Bankenaufseher Joachim Wuermeling, Mitglied im Vorstand der Bundesbank. Die hiesigen 21 Institute hätten bei dem Klimastresstest gut abgeschnitten, meint er: "Sie haben ein Bewusstsein dafür ausgebildet, dass neue Risiken auf ihrer Risikolandkarte auftreten und das ist gut." Dabei seien sie von diesen Klimarisiken nicht stärker betroffen als andere europäische Banken. Trotzdem sieht Wuermeling an der ein oder anderen Stelle Verbesserungsbedarf und erwartet, dass die Geldhäuser Datenlücken schließen und Klimarisiken beim Risikomanagement stärker berücksichtigen.
Nicht alle Klimarisiken können erfasst werden
Alles können die Banken sowieso nicht vorhersehen, warnt Karolin Kirschenmann, Bankenexpertin beim Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. "Mal angenommen, der C02-Preis steigt rasant, weil eine Regierung denkt, anders ist das 1,5-Grad-Klimaziel nicht zu erreichen, dann kann das zu einer Rezession führen und alle Banken treffen", so die Ökonomin. Solche Risiken zu erfassen, sei schwierig. Deswegen hält die Kirschenmann die Aussagekraft des Klimastresstests für begrenzt.
Auch mit Blick auf die gesellschaftliche Debatte rund um den Klimawandel mahnt sie, die Rolle der Geldhäuser sollte dabei nicht überschätzt werden. Natürlich müssten sie sich im Zusammenhang mit dem Stresstest stärker mit dem Klimawandel und seinen finanziellen Folgen auseinandersetzen. Und indem die Finanzinstitute Geldflüsse gezielt lenkten, könnten sie sie den Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit begleiten. "Aber das muss Hand in Hand gehen mit einer ambitionierten Klima- und Wirtschaftspolitik", so die Bankenexpertin.