Preisentwicklung Wann wird das Inflationsziel der EZB erreicht?
Mit zuletzt sieben Prozent Inflation scheint das Stabilitätsziel der EZB von zwei Prozent noch in weiter Ferne zu liegen. Wann können Verbraucherinnen und Verbraucher damit rechnen?
"Ich werde erst dann zufrieden sein, wenn wir unser Ziel erreichen, also mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent haben", sagte EZB-Chefin Christine Lagarde jüngst im Gespräch mit tagesschau.de. "Wir sind noch nicht da. Aber wir werden es schaffen."
Die Kernaufgabe der Europäischen Zentralbank, die Preisstabilität in der Eurozone zu gewährleisten, scheint damit recht klar umrissen. Wobei - wie lange ist eigentlich "mittelfristig"? Eine Definition dieses auch in der ökonomischen Theorie recht dehnbaren Begriffs sucht man bei der EZB vergeblich.
"Das hat sie ganz bewusst nicht gemacht", erläutert Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei der Deutschen Bank. Dagegen habe sie zwei Leitplanken genannt, um den Begriff einzugrenzen: Zum einen müsse das Ziel "überprüfbar" sein, also in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Zum anderen aber müsse die Zentralbank eine faire Chance haben, das Ziel mit ihrem Instrumentarium zu erreichen. Denn gegen externe Schocks wie eine Energiepreisexplosion im Zuge des Ukraine-Kriegs könne sie direkt nichts ausrichten. Die mittlere Frist werde daher allgemein bei etwa eineinhalb bis zwei Jahren angesetzt, so der Deutsche-Bank-Ökonom.
Preisstabilität Ende 2025?
Wann könnte also das Zwei-Prozent-Ziel erreicht sein? Legt man den Juli 2022 zugrunde, als die Währungshüter - aus Sicht vieler Kritiker zu spät - ihren steilen Zinserhöhungskurs einschlugen, ergäbe sich etwa der Sommer 2024. Doch die EZB selbst, die für ihre eher optimistischen Inflationsprognosen bekannt ist, ging zuletzt davon aus, dass die Preisstabilität erst "in der zweiten Jahreshälfte 2025" realisiert wird. Für dieses Jahr geht die Zentralbank von einer Teuerung in der Eurozone von 5,3 Prozent aus, für das Gesamtjahr 2025 von 2,1 Prozent.
Die gerade vom Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW befragten Finanzmarktexpertinnen und -experten erwarten zwar auch einen deutlichen Rückgang der Inflation. Das Stabilitätsziel der EZB werde aber "voraussichtlich erst nach 2025" erreicht werden. Die befragten 181 Finanzexperten erwarten insbesondere, dass steigende Löhne zu weiterem inflationären Druck führen. Auch die grüne Transformation der Wirtschaft wird allgemein als Inflationstreiber betrachtet.
Starke disinflationäre Effekte
Dabei sind sich alle Experten einig, dass den Währungshütern starke disinflationäre Effekte entgegenkommen. Nach dem Preisschock an den Energiemärkten gehen die Preise dort seit Monaten zurück, was mit gewisser Verzögerung auch bei den Verbraucherpreisen ankommt. Auch die Lieferketten funktionieren wieder besser, so dass Unternehmen die Nachfrage wieder zu stabilen Preisen befriedigen können.
Neben diesen angebotsinduzierten Faktoren, auf die die EZB selbst keinen Einfluss hatte, beginnen auch die bislang sieben Zinserhöhungen der Währungshüter zu wirken. Die verschlechterten Finanzierungsbedingungen haben sich bereits dämpfend auf die Kreditnachfrage und das Geldmengenwachstum ausgewirkt.
Insbesondere die Energiepreisentwicklung stimmt Deutsche-Bank-Ökonom Schneider deutlich zuversichtlicher. Das Inflationsziel der EZB könne schon im Sommer nächsten Jahres erreichbar sein, auch wenn die Kerninflation ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise weiter deutlich darüber liegen werde. Der Volkswirt verweist aber auch auf erhebliche Prognoseunsicherheiten wie mögliche weitere Schocks, demographische und fiskalpolitische Einflüsse sowie die Wirksamkeit der Zinserhöhungen.
Wann genau die hartnäckige Inflation wieder eingefangen sein wird, bleibt also offen. Die Botschaft der Experten ist aber, dass das Ziel der Preisstabilität durchaus in einem überschaubaren Zeitrahmen erreicht werden kann.