Entscheidung in Athen Nur 60 Euro pro Tag
Die Banken in Griechenland bleiben geschlossen - die ganze Woche lang. Zudem gibt es Kapitalverkehrskontrollen, um den weiteren Abfluss von Geld zu stoppen; an den Geldautomaten dürfen Griechen nur noch 60 Euro pro Tag abheben. Der Grund: Die Banken sitzen auf dem Trockenen, die EZB hatte Griechenland unter Zugzwang gesetzt.
Griechenland zieht erste Konsequenzen aus dem Scheitern der Verhandlungen mit den Geldgebern. Die Banken bleiben vorerst geschlossen, gab Regierungschef Alexis Tsipras bekannt. Kapitalverkehrskontrollen würden verhängt, um den weiteren Abfluss von Geld zu stoppen. Damit solle ein finanzieller Kollaps nach dem Einfrieren der Notkredite für griechische Banken durch die Europäische Zentralbank (EZB) vermieden werden. Gleichzeitig beteuerte Tsipras, die Ersparnisse, Löhne und Renten der Bürger seien "garantiert". Die Bankeinlagen seien sicher. In den kommenden Tagen seien Geduld und Gelassenheit nötig. Die kritische Situation könne überwunden werden.
Wie geht es nun weiter?
Nach Angaben eines Regierungsvertreters sollen die Geldinstitute von heute an bis zum 6. Juli und damit bis nach der geplanten Volksabstimmung geschlossen bleiben. Bankgeschäfte per Online-Banking sollen weiterhin möglich sein, allerdings darf kein Geld ins Ausland überwiesen werden.
An den Geldautomaten sollen maximal 60 Euro pro Tag abgehoben werden können. Ausgenommen seien Inhaber ausländischer Bankkarten. Bei ihnen solle das Limit des kartenausgebenden Instituts gelten. Das Auswärtige Amt in Berlin warnte Reisende vor erheblichen Wartezeiten bei der Versorgung mit Bargeld und riet, sich frühzeitig ausreichend einzudecken.
Auch die Börse in Athen bleibt heute geschlossen. Der größte griechische Ölkonzern Hellenic Petroleum beeilte sich mitzuteilen, dass die Versorgung gesichert sei. Alle legalen Zahlungsmittel würden akzeptiert. Das Land verfüge für etliche weitere Monate über volle Reserven, teilte das Unternehmen mit. Auch die Versorgung der Raffinerien mit Rohöl sei gesichert. In ganz Griechenland hatten sich am Wochenende angesichts der Eskalation im Schuldendrama Schlangen vor Tankstellen gebildet.
EZB weitet Kreditrahmen nicht aus
Die EZB hatte die Situation der griechischen Banken gestern noch einmal erheblich verschärft. Mit ihrer Entscheidung, die Nothilfen für griechische Banken nicht auszuweiten, hatte sie die Regierung in Athen unter Zugzwang gesetzt. Denn damit sitzen die Banken quasi auf dem Trockenen. Die bislang gewährten 90 Milliarden Euro sind offenbar fast ausgeschöpft. Zuletzt hatten immer mehr Bürger Bargeld von den Banken abgehoben.
Mit den Notfallkrediten, dem sogenannten ELA-Programm, hatte die EZB seit geraumer Zeit dafür gesorgt, dass die griechischen Banken noch zahlungsfähig bleiben. In den vergangenen Wochen erhöhte die EZB immer wieder die Nothilfe für die griechischen Banken, um einen Engpass zu vermeiden. Doch nach dem Scheitern der Gespräche zwischen Geldgebern und Griechenland ist damit Schluss.
Dienstag ist Zahltag
Griechenland steht nun bedrohlich nah an der Staatspleite. Morgen muss das Land unter anderem 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen - Geld, das es nicht hat, das aber aus dem Rettungsprogramm von EU, EZB und IWF hätte kommen können. Die Verhandlungen darüber waren am Samstag allerdings gescheitert. Auslöser war die völlig überraschende Ankündigung der griechischen Regierung, das Volk am 5. Juli über die Vorschläge der Geldgeber abstimmen zu lassen. Die Euro-Gruppe sah daraufhin die Verhandlungen mit Griechenland als gescheitert an und verweigerte eine Verlängerung des Hilfsprogramms für Athen.
An welchem Punkt genau die Gespräche scheiterten, geht aus einem am späten Sonntag veröffentlichten Dokument hervor. In einem ungewöhnlichen Schritt machte die EU-Kommission das letzte Angebot der Gläubiger an Griechenland öffentlich - nach eigenen Angaben, um Transparenz herzustellen. Dies diene auch den Interessen der griechischen Bevölkerung.
In der Nacht auf Sonntag stimmte dann das Parlament in Athen für die Abhaltung der Volksbefragung. Worüber genau die Bürger am kommenden Sonntag abstimmen sollen, ist allerdings unklar. Im Beschluss der griechischen Regierung heißt es dazu: "Das griechische Volk wird aufgerufen, mit seiner Stimme darüber zu entscheiden, ob der Entwurf für ein Abkommen akzeptiert werden soll, den die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds auf dem Treffen der Eurogruppe am 25.6.2015 vorgelegt haben..." Eben dieses Abkommen ist aber ja nun gescheitert.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker will sich am Mittag auf einer Pressekonferenz über die Krise äußern. Ein Sprecher betonte aber am Morgen, Juncker werde keine neuen Vorschläge unterbreiten. Er trat damit EU-Währungskommissar Pierre Moscovici entgegen, der die Erwartung geäußert hatte, Juncker werde ein Weg aufzeigen, wie noch ein Kompromiss mit Griechenland gefunden werden könne.
Mehrheit der Griechen für Verbleib in der Eurozone
Bundeskanzlerin Angela Merkel informiert am Mittag die Spitzen der Bundestagsfraktionen über die Entwicklung der vergangenen Tage, auch die Bundestagsfraktion der Union kommt zu einer Sondersitzung zusammen. In der Union und der SPD war das Entsetzen über den Kurs der griechischen Regierung am Wochenende einhellig, quer durch die Koalition löste die Entscheidung für ein Referendum Fassungslosigkeit aus.
Für die SPD kritiserte Fraktionsvize Carsten Schneider das geplante Referendum im ARD-Morgenmagazin als nicht akzeptabel. Er räumte aber auch ein, dass es ein Fehler gewesen sei, dass griechische Bevölkerung in den vergangenen Jahren nicht zu den Sparmaßnahmen befragt worden sei.
Die Partei Die Linke verteidigte dagegen das Vorgehen der Regierung Tsipras. "So geht Demokratie", sagte Parteichefin Katja Kipping im ARD-Morgenmagazin. "Ausbaden muss das die Bevölkerung und deswegen soll sie darüber entscheiden."