EZB senkt Leitzins auf null Prozent "Money for nothing"
Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins überraschend auf null Prozent gesenkt. Zugleich verschärfte sie den Strafzins, den Banken zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Beides soll die Wirtschaft ankurbeln. Viele Experten sehen das kritisch.
Die EZB hat ihre Geldpolitik erneut gelockert. Wie die Europäische Zentralbank (EZB) mitteilte, wird der Schlüsselzins für die Versorgung der Geschäftsbanken mit Notenbankgeld erstmals auf null Prozent gesetzt. Bislang lag er bei 0,05 Prozent.
Zugleich wurde der Strafzins für Geschäftsbanken nochmals verschärft. Der sogenannte Einlagensatz werde auf minus 0,4 Prozent von bislang minus 0,3 Prozent herabgesetzt. Damit wird es für die Institute noch teurer, wenn sie überschüssige Gelder über Nacht bei der Notenbank parken. Außerdem werden die umstrittenen Anleihenkäufe auf monatlich 80 (bisher 60) Milliarden Euro aufgestockt.
Zwei der drei Schritte kamen nicht überraschend
Mit dem Programm wollen die Währungshüter die Wirtschaft ankurbeln und für mehr Inflation sorgen. Denn im Februar waren die Preise in der Euro-Zone um 0,2 Prozent gesunken. Die EZB peilt aber mittelfristig eine Teuerung von knapp zwei Prozent als Idealwert für die Wirtschaft an.
ARD-Börsenexperte Klaus-Rainer Jackisch bewertet den Schritt kritisch: Die Ausweitung der Anleihenkäufe und die Erhöhung des Strafzinses seien erwartet worden. Mit dem "massiven Schritt" der weiteren Leitzinssenkung habe aber niemand gerechnet. "Das ist wohl eine Verzweiflungstat", sagte Jackisch in der tagesschau. Zudem verwies er auf die "Risiken und Nebenwirkungen" der EZB-Politik, die vor allem die Bevölkerung zu tragen habe - unter anderem in Form von Mini-Zinsen auf Spareinlagen und Risiken für die Altersvorsorge.
"Vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus"
Auch Ökonomen, Finanzexperten und Politiker aus Deutschland äußerten sich in ersten Reaktionen eher kritisch: "'Money for nothing' lautet das neue Motto der EZB", sagte Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. Er warnte ebenfalls vor den Risiken: Bankenverbände äußerten mittlerweile öffentlich ihren Unmut und viele Bürger seien verunsichert. "Vertrauensbildende Maßnahmen sehen jedenfalls anders aus", so Gitzel.
"Die Politik des billigen Geldes zerstört Vertrauen", sagte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates. Die Gefahr einer Deflation bestehe nicht. "Es gibt keine Abwärtsspirale fallender Preise, Löhne und Gehälter. Bei einer falschen Medizin hilft es nicht, die Dosis weiter zu erhöhen. Die gefährlichen Nebenwirkungen lassen sich längst nicht mehr schönreden."
Gut für Börsianer, schlecht für die Bevölkerung
Anton Börner, Präsident des Exportverbandes BGA, wertete den Nullzins als "gute Nachricht für die Börsianer und für die Schuldenländer im Süden". Für die deutsche Bevölkerung sei er hingegen katastrophal. Die Sparer würden "enteignet", so Börner.
Selbst die Exportwirtschaft wertet den Schritt kritisch. Sie werde keinen Erfolg haben, so BGA-Präsident Börner.
Dass die Maßnahme in den wirtschaftlich schwachen Ländern Erfolg habe werde, glaubt er nicht. "Man lullt die Schuldenstaaten ein. Sie machen keine Reformen, die Produktivität steigt nicht. Nord und Süd driften so noch weiter auseinander. Die deutschen Exporteure können vielleicht kurzfristig ein bisschen profitieren, weil der Euro weiter geschwächt wird. Auf der anderen Seite ist es aber schlecht für die Importeure."
Auch Michael Kramer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BDB, warnte davor, dass der Nullzins dafür sorgen werde, dass Wirtschaftsreformen sowie die Sanierung von Bankbilanzen werden verschleppt würden.
Risiko einer Immobilienblase in Deutschland
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, warnte vor den Nebenwirkzungen der EZB-Entscheidung: "Das Produktivitätswachstum lässt nach, weil auch unrentable Investitionen wegen der niedrigen Zinsen attraktiv erscheinen. Es steigt das Risiko, dass es in Deutschland am Immobilienmarkt zu Überhitzungen kommt. Außerdem wird der Anreiz für Euro-Länder gesenkt, notwendige Reformen durchzusetzen."
Den Dax ließ die neue Welle des billigen EZB-Geldes sofort deutlich ansteigen. Der deutsche Leitindex stieg um 2,5 Prozent auf 9968 Punkte. Das ist der höchste Stand seit knapp zwei Monaten. Im Gegenzug verbilligt sich der Euro auf 1,0866 Dollar von zuvor 1,0972 Dollar.