EU-Sondergipfel zur Finanzkrise Eigenes Süppchen oder gemeinsames Rezept?
An Appellen mangelte es im Vorfeld nicht: Auf dem EU-Sondergipfel sollen die Weichen gestellt werden für neue Regeln auf dem Finanzmarkt. "Wir brauchen eine globale Finanzarchitektur, die durchschaubar ist", sagte Kanzlerin Merkel und rief zu Geschlossenheit auf. Doch gerade daran könnte es heute in Brüssel mangeln.
Von Sylvie Ahrens, RBB-Hörfunkstudio Brüssel
Es ist keine leichte Kost, die sich die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten zu ihrem dreistündigen Arbeitsessen in Brüssel verordnet haben: Es geht um Haushaltsdisziplin, Finanzaufsicht, Milliardenbeihilfen und die Autoindustrie. Und es wird offenbar immer schwieriger, ein Rezept zu finden, das den Geschmack aller trifft.
Die Folge: Immer mehr Staaten kochen neuerdings ihr eigenes Süppchen. Der tschechische Regierungschef und amtierende EU-Ratsvorsitzende Mirek Topolanek rief deshalb im Vorfeld der Sondergipfels zu Geschlossenheit auf: "Diese Krise hat uns ohne Ausnahme alle getroffen. Und nur mit einem koordinierten und gemeinsamen Vorgehen werden wir sie überwinden. Daher müssen alle nationalen Hilfsmaßnahmen das Gemeinschaftsrecht respektieren und eng aufeinander abgestimmt werden."
Angst, untergebuttert zu werden
Die jüngsten Pläne einiger Mitgliedsstaaten liegen schwer im Magen: So wollen Frankreich, Spanien und Italien ihre heimische Autoindustrie mit milliardenschweren Beihilfen subventionieren. Schon droht eine Spaltung der EU in arm und reich, klein und groß, alt und neu. Weil gerade die östlichen Mitgliedsstaaten Angst haben, untergebuttert zu werden, treffen sie sich noch vor dem Arbeitsessen zu einem Mini-Gipfel.
Viele von ihnen, wie Ungarn und Lettland, hat die Finanzkrise besonders hart getroffen. Der ungarische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány fordert seit Wochen mehr Solidarität mit Mittel- und Osteuropa: "Es ist in dieser schweren Krise doch ganz offensichtlich geworden, dass man nicht nur einzelne Teile der Europäischen Union schützen kann. Alle interagieren heute miteinander. Um Stabilität zu erreichen, müssen wir Maßnahmen ergreifen, die alle Bereiche abdecken – unabhängig davon, ob sie nun der Eurozone angehören oder nicht."
Konkrete Vorschläge von Experten
Angesichts immer neuer Forderungen warnt die tschechische EU-Ratspräsidentschaft davor, ein wesentliches Ziel aus den Augen zu verlieren: eine bessere Kontrolle der Finanzmärkte. Unterstützung bekommt sie von der EU-Kommission. Präsident José Manuel Barroso erinnerte noch Mitte der Woche daran, dass das unverantwortliche Handeln einzelner Branchen die Krise überhaupt erst ausgelöst habe: "Arbeiter und Familien in Europa und der ganzen Welt leiden unter der Anmaßung der Finanzmärkte. Die Bürger erwarten, dass wir die Spielregeln ändern. Wir dürfen sie jetzt nicht hängen lassen."
Eine Expertengruppe hat bereits konkrete Vorschläge vorgelegt. Darin bleibt kein Finanzinstitut, keine Versicherung unberücksichtigt. Die 27 Mitgliedsstaaten täten gut daran, sich bis zum regulären März-Gipfel auf konkrete Maßnahmen für Europa zu einigen. Nur dann kann die EU beim G20-Treffen Anfang April in London auf eine globale Lösung drängen.