Kolumne Euroschau Wo die EZB nichts zu suchen hat
Mit dem Kauf von Staatsanleihen will die EZB den Euro stabilisieren. Doch damit nicht genug: Die Zentralbanker kaufen auch Firmenpapiere und führen damit das System ad absurdum. Das hat Folgen.
Von Klaus-Rainer Jackisch, HR
Bruno Ewald Steinhoff wusste schon immer, was er will. Der Möbelhändler aus dem westfälischen Herzebrock erkannte nach dem Mauerfall die Chancen der deutschen Wiedervereinigung. Er investierte massiv in die ostdeutsche Möbelindustrie und legte damit den Grundstein für sein jetziges Imperium. Heute ist die Steinhoff-Gruppe weltweit der größte Möbelproduzent und -händler nach IKEA, hierzulande vor allem durch die Billigkette Poco bekannt.
Doch schon beim Börsengang in Frankfurt vor zwei Jahren gab es Gerüchte über Bilanz-Manipulationen. Seitdem ermittelt die zuständige Staatsanwaltschaft Oldenburg. Jetzt haben sich die Spekulationen verdichtet und die Aktie des einstigen DAX-Aspiranten stürzte in den Keller. Nicht nur sie. Auch die Anleihen der Steinhoff-Gruppe werden immer weniger wert. Die Anleger bekommen kalte Füße.
EZB hält Steinhoff-Anleihen
Zu dumm nur, dass auch die Europäische Zentralbank Steinhoff-Anleihen im Depot hat. Wie viele es sind, wird nicht verraten. Doch der Bestand dürfte beträchtlich sein, schließlich ist Steinhoff einer der großen Emittenten. Die gekaufte Anleihe befindet sich derzeit auf Platz 644 der von der EZB veröffentlichten Liste aller erworbenen Unternehmensanleihen - insgesamt sind es weit über 1000 Titel.
Seit den Währungshütern im Zuge ihres umstrittenen Anleihe-Kaufprogramms schwante, dass die zum Verkauf stehenden Staatsanleihen ausgehen würden, setzten sie den Kauf auch anderer Anleihe-Arten durch. Von Anfang an umstritten war dabei der Erwerb von Unternehmensanleihen.
Zum einen, weil der Kauf von Anleihen gut gehender Unternehmen das eigentliche Ziel des Kaufprogramms ad absurdum führt. Denn die EZB will mit dem Programm ja die Wirtschaft ankurbeln, indem neue und nicht etablierte Unternehmen in den Markt eintreten, um so neue Arbeitsplätze zu schaffen. Zum anderen bestand von Anfang an die Gefahr, dass die Anleihen auch ihren Wert verlieren könnten und die EZB - genauer gesagt der Steuerzahler - dann auf der Zeche sitzen bleibt.
Fragwürdige Politik
Genau das könnte nun bei den Steinhoff-Anleihen eintreten. Das investierte Geld ist möglicherweise zum größten Teil futsch. Unter dem Strich wäre das nicht so schlimm. Denn die überwiegende Zahl der Titel auf der EZB-Kaufliste ist grundsolide und erwirtschaftet deutliche Gewinne. Verluste im Gesamt-Depot sind am Ende eher wenig wahrscheinlich.
Dennoch zeigt der Steinhoff-Fall einmal mehr, wie fragwürdig die Politik der Anleihe-Käufe generell und im Fall der Unternehmensanleihen im Besonderen ist. Es ist ein Geschäft, in dem die EZB nichts zu suchen hat. Zumal sie durch ihr Eingreifen den Anleihemarkt verzerrt, so dass er in vielen Bereichen nicht mehr richtig funktioniert.
Die Turbulenzen um Steinhoff sind somit auch Wasser auf die Mühlen derjenigen, die von der EZB endlich einen konkreten Ausstiegsplan aus ihrer Anleihenkauf-Politik fordern. Auch im EZB-Rat werden die Stimmen immer lauter. Neben dem ewigen Mahner, Bundesbank-Chef Jens Weidmann, treten mittlerweile auch die Notenbankchefs Estlands und der Niederlande sowie die Direktoriumsmitglieder Yves Mersch, Benoît Cœuré und Sabine Lautenschläger offen für diesen Schritt ein.
EZB will langsam aussteigen
Bislang ist nur klar: die EZB wird ihre Käufe im kommenden Jahr langsam herunterfahren. Ein Ende des Programms ist bislang nicht eindeutig terminiert, der EZB-Rat hat sich alle Türen offen gelassen. Auch eine Verlängerung ist unter bestimmten Umständen möglich. Solange der Kauf von Anleihen nicht eingestellt wird, wird aber auch nicht an der Zinsschraube gedreht. Diese Marschroute hat EZB-Präsident Mario Draghi eindeutig vorgegeben.
Seine Argumentation wird aber immer schwieriger - formal ohnehin. Denn das zentrale Argument, die EZB müsse eine Inflationsrate von zwei Prozent erreichen, wird immer schwächer. Zum einen, weil die Inflation im Euroraum wegen der brummenden Konjunktur weiter anzieht und jetzt bei 1,5 Prozent liegt.
Zum anderen, weil selbst in der EZB Fragen lauter werden, ob das Zwei-Prozent-Ziel überhaupt noch zeitgemäß ist. In Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung mit immer mehr Transparenz und scharfen Wettbewerb, sind Inflationsraten von zwei Prozent immer schwieriger zu erreichen. Eigentlich müsste das Ziel den neuen Gegebenheiten angepasst, also reduziert werden.
EZB im Winterschlaf
Hinzu kommt Donald Trump. Der Unberechenbare aus dem Weißen Haus treibt mit seinen Versprechungen zur Steuerreform den Wert des US-Dollar immer stärker an. Dadurch dürften die Zinsen in den USA schneller steigen als erwartet. Die Zinsschere zwischen den USA und dem Euroraum wird also immer größter. Auch aus diesem Grund sind die europäischen Währungshüter verdammt, bald zu handeln.
Diese Woche wird sich die EZB aber eher in den Winterschlaf begeben. Überraschendes oder gar große Pläne sind von der Ratssitzung nicht zu erwarten. Der EZB-Präsident dürfte seinen Kurs noch einmal beharrlich verteidigen und das weitere Vorgehen von neuen Daten im kommenden Jahr abhängig machen.
Insofern haben der eigensinnige Westfale Steinhoff und der eigensinnige Römer Draghi etwas gemein: sie halten auch im neuen Jahr an ihrem Kurs fest. Der eine will sein Unternehmen retten, der andere den Euro. Ob Steinhoff dann noch billige Möbel verkauft, wird sich zeigen. Dass Draghi seine lockere Geldpolitik vorerst fortsetzt, steht außer Frage.