Kolumne Euroschau Ist die EZB-Politik gescheitert?
Drei Ziele verfolgt die EZB mit ihrer lockeren Geldpolitik: den Euro schwächen, die Inflationsrate erhöhen und der Politik Zeit für Reformen schenken. Doch bislang lässt der Erfolg auf sich warten. Ist die EZB-Politik damit gescheitert?
Violett schimmernde Berge soweit das Auge reicht. Grün leuchtende Wiesen, auf denen Büffel-Herden weiden. Rot gefärbte Wälder, die sich am Oberlauf des Snake-Rivers schlängeln. Hin und wieder ein großer Braunbär, der den Weg kreuzt - das ist Jackson Hole am Fuße der Rocky Mountains in den USA.
In dieser idyllischen Landschaft, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, treffen sich seit gut 30 Jahren die Notenbanker der Welt. Auf Einladung der Federal Reserve kommen sie informell zusammen. Es geht um aktuelle Fragen der Geldpolitik. So auch vor wenigen Tagen.
Ratlos in Jackson Hole ...
Eigentlich gibt es auf dieser Veranstaltung immer ein paar Signale, wie es weiter geht mit der weltweiten Zentralbank-Politik. Doch dieses Mal war alles anders. Denn die Notenbanker sind ratlos und raufen sich die Haare.
Ja, die Wirtschaft in den USA zieht wieder an. Aber ist sie wirklich robust? Reicht die Erholung, um die Zinsen wieder anzuheben? Was macht die Konjunktur in China, Russland und Brasilien? Schulter-Zucken wohin man schaut. Während die einen eine Verschiebung der erwarteten Zinswende in den USA für sinnvoll halten, wollen andere die Tür noch nicht zuschlagen. Verunsicherung und Kursturbulenzen sind die Folge.
... und in Frankfurt
Da passt es gut ins Bild, dass es den Kollegen im Frankfurter Euro-Tower auch nicht besser geht. Ratlosigkeit und Haare-Raufen auch hier. Denn die aktuelle Geldpolitik der EZB verfehlt ihre Wirkung.
Seit gut einem halben Jahr pumpt die Europäische Zentralbank nun jeden Monat rund 60 Milliarden frisch gedruckte Euro in die Finanzmärkte. Sie kauft Anleihen, darunter auch Staatsanleihen, und bunkert sie in ihrem Tresor. Drei Ziele will man damit erreichen: den Euro schwächen, die Inflationsrate erhöhen, der Politik Zeit für Reformen schenken.
Das erste Ziel darf EZB-Chef Mario Draghi gar nicht in den Mund nehmen. Denn offiziell betreibt die Notenbank keine Währungspolitik. Auch steht es einer Zentralbank nicht gut an, die eigene Währung zu verramschen. Doch genau das erreicht die EZB mit ihrer Geldschwemme und Billig-Geld-Politik. Das Ziel: Der schwache Eurokurs soll Waren europäischer Unternehmen auf den Weltmärkten günstiger machen, somit die europäische Wirtschaft ankurbeln.
Krisenländer profitieren nicht
Bislang ist daraus nicht viel geworden. Zwar profitieren Länder wie Deutschland, denen es ohnehin schon gut ging. Doch in den kriselnden Euro-Staaten lässt der Wirtschaftsaufschwung auf sich warten. Nicht niedrige Zinsen für günstige Kredite und ein schwacher Euro-Kurs sind hier gefragt, sondern Reformen in Verwaltung und auf dem Arbeitsmarkt, außerdem braucht es Zukunftsperspektiven und Vertrauen.
Einzige Ausnahme ist Spanien. Hier zieht die Wirtschaft wieder an. Das liegt zum großen Teil aber am Tourismus. Denn die Krisen in Nordafrika führen zu einem Run der Sonnenhungrigen auf Mallorca und Co. Ein Erfolg der EZB-Geldpolitik ist das wahrlich nicht.
Inflation bleibt zu niedrig
Ähnlich sieht auch die bisherige Bilanz in Sachen Inflation aus. Eine Preissteigerung von knapp zwei Prozent wird angestrebt. Dieser Wert gilt als wirtschaftlich sinnvoll. Doch davon ist weit und breit nichts zu sehen. In den vergangenen Monaten hatte die Inflationsrate nicht weit über der Nulllinie gelegen.
Ursache dafür ist ein Faktor, auf den die EZB mit ihrer Geldpolitik gar keinen Einfluss hat: der Ölpreis. Seit Monaten befindet er sich auf Talfahrt, zeitweise im freien Fall. Auslöser sind der erwartete Nachfrage-Rückgang aus China und die Einigung mit dem Iran im Atom-Streit. Dadurch dürfte sich das Angebot an Öl weiter erhöhen. Auch hier ist keine Wirkung der EZB erkennbar.
Insgesamt hat die Geldpolitik bislang ihr Ziel verfehlt, die Eurozone wieder wirtschaftlich robust zu machen und die Inflationsrate zu steigern. Mangelnde Wirkung ficht die EZB nicht an: Chefökonom Peter Praet deutete deshalb jetzt an, die EZB könne ja noch länger als geplant und noch mehr Anleihen kaufen. Doch auf den Finanzmärkten erntete dies nur ein müdes Lächeln.
Auch drittes Ziel verfehlt
Auch das dritte Ziel der EZB ist in weiter Ferne. Während Europa in der Flüchtlingsdebatte Boden verliert und von einer Gemeinschaft schon lange keine Rede mehr sein kann, ist das Thema Euro-Rettung endgültig in der Versenkung verschwunden. Zwar gibt es immer wieder schöne Sonntagsreden von französischen Politikern oder europäischen Gremien über die Vertiefung der EU. Doch faktisch passiert überhaupt nichts. Der Reform-Eifer in reformbedürftigen Staaten ist erlahmt.
So wurschtelt die EZB also weiter vor sich hin. Das wäre alles nicht so schlimm, wenn es keine Folgen hätte. Aber die Notenbank verursacht mit ihrer Politik Blasen auf den Immobilienmärkten, enteignet schleichend Sparer und führt Versicherungen und Pensionsfonds an den Rande des Ruins.
Und so schließt sich der Kreis zu den Kollegen in den anderen Ländern, wo man auch nicht schlauer ist. Es zieht die Zeit ins Land, ohne dass etwas besser wird. Unterdessen sind die Büffel in Jackson Hole wieder unter sich, die Braunbären bereiten sich auf den Winter vor und Fuchs und Hase sagen sich noch mal Gute Nacht.