Regierungserklärung vor dem EU-Gipfel Einmal nicht über Griechenland reden?
Studiert man die Einladung zum EU-Gipfel, der am Abend in Brüssel stattfindet, überrascht eines: Über die Griechenland-Krise findet sich dort kein Wort. Und doch dürfte sich das Thema kaum vermeiden lassen. Zuvor gibt Kanzlerin Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung ab.
Von Kerstin Lohse, RBB, ARD-Hauptstadtstudio
Man kann es kaum glauben: Ganz Europa diskutiert über Griechenland, nur auf dem EU-Gipfel in Brüssel soll das Thema offiziell keine Rolle spielen. Im Einladungsschreiben des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy jedenfalls ist von Griechenland keine Rede. Und so dürfte das EU-Land auch in der Regierungserklärung von Angela Merkel nur am Rande Erwähnung finden.
Der belgische Ratspräsident will mit den 27 EU-Regierungschefs über die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Europäischen Union und die künftige europäische Wirtschaftsstrategie diskutieren. Auch die Kanzlerin, die in den vergangenen Wochen für ihre Haltung zu Griechenland viel Kritik einstecken musste, sieht im Zentrum der Brüsseler Debatten die Frage, "wie wir eine Wirtschaftsstrategie bezogen auf die Stärken unseres Wirtschaftens in Europa bis zum Jahre 2020 entwickeln. 'EU 2020' heißt die Aufgabe", so Merkel.
Dann doch Griechenland
Es geht um die hohen Leistungsbilanzdefizite und die enormen Einbußen in der Wettbewerbsfähigkeit. Spätestens dann dürfte auch Griechenland eine Rolle spielen. "Griechenland hat ein sehr hohes Defizit von knapp 13 Prozent in diesem Jahr. Daran sieht man, dass auch Staaten in die Gefahr geraten können, Pleite zu gehen. Und deshalb ist es wichtig und richtig gewesen, dass Griechenland ein Programm aufgelegt hat - und bei dieser politischen Umsetzung unterstützen wir Griechenland", sagt Merkel.
Direkte Finanzhilfen für Griechenland aber könnten nur die Ultima Ratio sein, daran hält Merkel fest und knüpft jegliche Unterstützung an Bedingungen: So bekäme Griechenland nur dann Hilfen, wenn es keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten mehr hätte. IWF-Kredite sollten die EU-Länder gegebenenfalls um bilaterale Kredite ergänzen.
"Plumpe Pirouetten"
Merkel war es, die mit ihrem klaren Nein zu Finanzhilfen in der EU auf viel Ablehnung gestoßen war und sich insbesondere in der griechischen Presse manch bösen Kommentar einhandelte. Von plumpen politischen Pirouetten und mangelnder Solidarität war da die Rede.
In den letzten Tagen allerdings wendete sich das Blatt: Zahlreiche Regierungen signalisieren plötzlich ihre Unterstützung, und auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy steht inzwischen hinter Merkel. Gemeinsam mit ihr will er dem Gipfel vorschlagen, im Notfall auf IWF-Hilfen zurückzugreifen.
Zustimmung von der Opposition
Und auch von der Opposition muss Merkel zumindest in diesem Punkt nicht mit Kritik rechnen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann stimmte ihr bereits zu. "Wir sind der Meinung, dass der IWF jetzt eingreifen kann, wenn es notwendig ist. Europäische Hilfe für Griechenland könnte wie süßes Gift wirken, das den Willen der Griechen zum Sparen betäubt", so Oppermann.
Medienberichten zufolge erwägt Van Rompuy, die 16 Staats- und Regierungschefs der Eurozone vor Beginn des eigentlichen Gipfels zu einem gesonderten Treffen einzuladen. Der Kanzlerin liegt dazu jedoch bisher keine Einladung vor.