EU-Gipfel zur Schuldenkrise Gezerre um schnelle Krisenhilfen
Der EU-Gipfel steht im Zeichen harter Auseinandersetzungen, Spanien und Italien fordern mehr Unterstützung im Kampf gegen die Schuldenkrise. Rettungsschirm und Europäische Zentralbank sollen beim Kauf von Staatsanleihen eingreifen, damit die Zinsen nicht weiter steigen. Kanzlerin Merkel lehnt neue Maßnahmen ab.
Mit Debatten über neue und bestehende Hilfsmaßnahmen in der Schuldenkrise hat der zweitägige EU-Gipfel in Brüssel begonnen. Für Streit sorgt die Forderung Italiens und Spaniens nach mehr Unterstützung bei der Aufnahme neuer Kredite. Beide Staaten kämpfen mit dem Problem, dass die Käufer ihrer Staatsanleihen hohe Zinsen verlangen. Damit wird es für beide Länder sehr teuer, sich frisches Geld zu leihen. Nach Angabe von Diplomaten pocht Italiens Ministerpräsident Mario Monti darauf, dass die Europäische Zentralbank Staatsanleihen von Euro-Ländern kauft, wenn eine gewisse Zinsschwelle erreicht ist. Die Rettungsschirme EFSF und ESM sollten diese Käufe garantieren. Auf diese Weise könnten die Zinsen der Staatsanleihen sinken.
Deutschland dringt weiter darauf, dass die bestehenden Instrumente genutzt werden sollen. Die Gipfelteilnehmer beraten offenbar über die Möglichkeit, den Weg für den Kauf neu ausgegebener Staatsanleihen durch den EFSF freizumachen. Das ist unter den bisherigen Vorgaben bereits möglich - der Streit kreist aber um die Frage, ob Regierungen den Einsatz des EFSF beantragen müssen und im Gegenzug Auflagen erfüllen müssen.
Italien hofft auf Hilfe ohne Auflagen
Italien hofft, sich mit schnellen Maßnahmen Luft verschaffen zu können, ohne wie Griechenland, Irland oder Portugal ein klassisches Hilfsprogramm aus den Rettungsfonds beantragen zu müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist aber strikt gegen solche Schritte, gegen neue Instrumente und gegen eine Vergemeinschaftung der Schulden in Form der ebenfalls diskutierten Eurobonds.
Für diese Linie erhielt Merkel Rückendeckung aus den Niederlanden. "Der einzige Weg für Italien und Spanien ist es, die Zähne gegen den Schmerz zusammenzubeißen und die Reformen endlich durchzuziehen", sagte Ministerpräsident Mark Rutte. Er sehe "überhaupt keinen Grund, um über neue Instrumente nachzudenken". Wer es aus eigener Kraft nicht schaffe, für den stehe schließlich der Rettungsschirm mit seinen Werkzeugen bereit.
Doch auch Monti und Rajoy erhielten viel Unterstützung: Neben einer mittelfristigen Vision und Wachstumsimpulsen solle sich der Gipfel auf "Sofortmaßnahmen für die Länder, die sich angestrengt haben und trotzdem zu hohe Zinsen zahlen" verständigen, sagte Frankreichs Staatschef François Hollande. Der Rat müsse präzisieren, wie der ESM "effizient und schnell" eingesetzt werden könne. Noch weiter ging Österreichs Kanzler Werner Faymann. Er forderte die Schaffung eines europäischen Schuldentilgungsfonds und eine Bankenlizenz für den ESM. Es müssten ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, "um die Bevölkerung davor zu schützen, dass die Eurozone auseinanderbricht".
Merkel setzt auf Wachstumspakt
Merkel rückte beim Eintreffen in Brüssel ein anderes Element in den Vordergrund: den geplanten Wachstumspakt im Umfang von 120 bis 130 Milliarden Euro. Dieser soll den Fiskalpakt ergänzen, der mit Schuldenbremsen für eine Begrenzung der Defizite sorgen soll und morgen im Bundestag zu Abstimmung steht. "Es ist klar, dass wir auf der einen Seite solide Haushalte brauchen, als zweite Seite der Medaille aber auch mehr Arbeitsplätze schaffen wollen", sagte die Kanzlerin. "Ich hoffe, wir können den Pakt noch heute verabschieden."
Unterdessen verdichten sich die Hinweise darauf, dass der Luxemburger Ministerpräsident Jean-Claude Juncker entgegen seinen ursprünglichen Ankündigungen Chef der Eurogruppe bleibt. Mehrere Diplomaten berichteten, dass sich die Staats- und Regierungschefs auf diese Personalie verständigt hätten. Der bisherige Chef des EFSF, der Deutsche Klaus Regling, soll diesen Angaben zufolge auch den dauerhaften Rettungsmechanismus ESM leiten.