Kommissarin Reding droht Unternehmen EU will Frauenquote in Chefetagen erzwingen
Nur jedes zehnte Vorstandsmitglied in den größten europäischen Konzernen ist weiblich - das will EU-Justizkommissarin Reding ändern. Falls die Unternehmen nicht freiwillig mitmachten, drohte sie mit gesetzgeberischen Maßnahmen. Redings Vorstoß stieß in Deutschland auf sehr unterschiedliche Reaktionen.
Die EU-Kommission will mehr Frauen in Chefetagen befördern und droht der Wirtschaft mit gesetzlichen Frauenquoten. Konzerne sollen noch bis 2011 eine Schonfrist bekommen: Entweder erhöhten die europäischen börsennotierten Unternehmen den Frauenanteil in Aufsichtsräten dann freiwillig - oder die Kommission werde 2012 einen Vorschlag für gesetzgeberische Maßnahmen vorlegen, sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding.
Als Zielgröße nannte Reding einen Frauenanteil von 30 Prozent in Aufsichtsräten, der bis 2015 erreicht sein sollte. Fünf Jahre später sollten es bereits 40 Prozent sein. Die bisherige Bilanz sei ernüchternd: "Am Thema Frauenquote kommen wir deshalb nicht vorbei", sagte Reding, die auch Vizepräsidentin der EU-Kommission ist. In Deutschland seien nur 13 Prozent der Aufsichtsräte großer Dax-Unternehmen Frauen.
Als Vorbild nannte Reding das Nicht-EU-Land Norwegen. Dort sei der Anteil der Frauen in Spitzenpositionen durch die Quote binnen fünf Jahren von 25 auf 45 Prozent gestiegen. Die Kommissarin will sich im Frühjahr 2011 mit Vertretern großer europäischer Unternehmen treffen, um Gleichstellungsfragen zu beraten.
Lob von der Politik, Kritik aus der Wirtschaft
Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, wertete es als ein Armutszeugnis für die Bundesregierung, dass diese eine Frauenquote nicht selbst vorantreibe, sondern die EU. SPD-Frauenexpertin Caren Marks wertete den Vorstoß Redings als "erfreulich". Die Vorsitzende der CDU-Frauenunion, Maria Böhmer, bezeichnete die EU-Drohung als "das richtige Signal".
Der Arbeitgeberverband BDA erklärte hingegen, gesetzliche Quoten seien der falsche Weg, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Frauen bräuchten vielmehr "bessere Chancen zur Verwirklichung ihrer Berufskarriere". Hierzu müssten Hürden beseitigt werden: Die Kinderbetreuung müsse ausgebaut werden und ein gesellschaftliches Umdenken bei der traditionellen Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen stattfinden. Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftman, erklärte, eine Frauenquote berücksichtige nicht die "sehr unterschiedlichen Ursachen" für den niedrigen Frauenanteil in Führungspositionen.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte jüngst belegt, dass die Top-Jobs in der deutschen Wirtschaft für viele Frauen außer Reichweite bleiben. Danach stagnierte der Frauenanteil unter den Führungskräften von 2006 bis 2008 bei 27 Prozent, obwohl die Hälfte der Angestellten weiblich ist. Als Grund nannte das Institut, dass die Familiengründung bei Frauen nach wie vor häufiger zum Karriereknick führt als bei Männern. 2001 hatte der Anteil bei 22 Prozent gelegen.