Konzerne in der EU Don Quijote gegen die Steuerflucht
Kaum ein Großkonzern zahlt in der EU den vorgesehenen Steuersatz. Die EU-Behörden bemühen sich, gegen Tricksereien vorzugehen. Dass sie dabei kaum vorankommen, liegt auch an der Bundesregierung.
Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, der bislang nur recht bescheidene Ergebnisse gezeitigt hat. Wobei die Rolle des Don Quijote in diesem Fall der EU-Kommission zufällt.
Seit Herbst 2014, seit Bekanntwerden des sogenannten LuxLeaks-Skandals, versucht die Brüsseler Behörde, den trickreichen Strategien beizukommen, mit denen viele Konzerne ihre Steuerlast auf Kosten der Konkurrenz erfolgreich minimieren.
Auf rund 70 Milliarden Euro pro Jahr schätzen Experten die Summe, die allein der EU so verloren geht. Auch dadurch, dass - wie die Studie der Grünen zeigt - große Unternehmen selten den regulären Steuersatz zahlen.
Steuerrecht ist Sache der Mitgliedsstaaten
Doch Steuerrecht ist immer noch Domäne der Mitgliedsstaaten. Und selbst die resolute Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager tut sich mit dem Phänomen der "Tax Rulings" schwer, jenen vertraulichen Absprachen in Europas Steueroasen, die vielen Normalbürgern anrüchig erscheinen, aber eben nicht immer illegal sind.
Im Herbst 2015 verkündete die Dänin, dass entsprechende Sonderkonditionen, etwa für den Autobauer Fiat in Luxemburg oder für die Kaffeehauskette Starbucks in den Niederlanden, als verbotene Staatsbeihilfen zu bewerten sind. Den Apple-Konzern in Irland verdonnerte Vestager sogar zu einer Nachzahlung von 13 Milliarden Euro.
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, forderte schon damals mehr Fairness und Transparenz in Steuerfragen. Die nun vorgelegten Zahlen sollen die Dringlichkeit unterstreichen: "Es ist nicht hinnehmbar, dass die größten Unternehmen am meisten vom europäischen Steuerdumping profitieren", sagt er. "Unsere Studie zeigt klar, wie groß der Abstand zwischen den nominalen Steuersätzen und den tatsächlich gezahlten Steuern ist."
Konzerne sollen Gewinn und Steuern offenlegen
Auch Giegold räumt ein, dass die Kontrolleure in Brüssel nicht untätig waren. Neben den erwähnten Wettbewerbsverfahren gab die Kommission schon 2016 detaillierte Empfehlungen, wie sich bestehende Schlupflöcher schließen und die unterschiedlichen Praktiken in den 28 Mitgliedsländern harmonisieren ließen.
Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici brachte relativ zügig zwei neue EU-Richtlinien auf den Weg, von denen eine zu Jahresbeginn in Kraft getreten ist. Sie soll es Unternehmen künftig erschweren, Gewinne oder Zinslasten zwischen Tochterfirmen in unterschiedlich besteuerten Ländern hin und her zu schieben.
"Die europäische Kommission hat auf unseren Druck hin einen Vorschlag vorgelegt, dass alle Großunternehmen in Europa offenlegen müssen, in welchem Land sie wie viel Gewinne erwirtschaften und wie viel Steuern sie zahlen", sagt Giegold.
Andere Vorschläge liegen zum Bedauern des Parlaments und der Grünen auf Eis.
Bundesregierung fürchtet um Datenschutz
Die sogenannten "Country-by-Country-Reporte" könnten nach Ansicht von Fachleuten tatsächlich für mehr Durchblick in Europas Steuerdschungel sorgen. Doch unter anderem die Bundesregierung hegt Bedenken, weshalb das Vorhaben im Ministerrat nicht vorankommt. Eine öffentliche Berichtspflicht, so das Argument, könnte gegen Datenschutzregeln verstoßen, auch weil unter Umständen Geschäftsgeheimnisse berührt würden.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz sähe es wie schon sein Vorgänger Wolfgang Schäuble lieber, wenn man das Problem gleich auf globaler, sprich: OECD-Ebene regeln könnte, damit die EU nicht gegenüber Konkurrenten in Übersee ins Hintertreffen gerät.
In den Augen des Grünen Giegold sind das Ausflüchte. Er fordert: "Diese Blockade muss beendet werden."
Vorankommen vor Europawahl unwahrscheinlich
Dass dies tatsächlich bis zu den Europawahlen im Mai geschieht, glauben nur wenige. Schließlich kommen auch andere sinnvolle Projekte wie eine einheitliche Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne oder eine spezielle Steuer für Digitalkonzerne nur schleppend voran.
Abhilfe brächte die Einführung von Mehrheitsbeschlüssen in der EU-Steuerpolitik. Doch diesem Vorschlag der Kommission räumt man in Brüssel noch geringere Chancen ein.