Steigender Energiebedarf Wie sicher ist die Stromversorgung?
Gibt es mittelfristig genug Strom, um den wachsenden Bedarf zu decken? Netzagentur und Regierung zeigen sich zuversichtlich. Doch damit es nicht zu Engpässen kommt, ist viel Tempo nötig.
Dass der Strombedarf steigt - das gilt als ausgemacht. Mehr und mehr E-Autos sollen Benziner und Diesel auf den Straßen ablösen, Wärmepumpen sollen Heizungen mit Gas oder Öl ersetzen. Und schließlich erfordert auch die Herstellung von Wasserstoff für die Industrie viel Energie.
Bundesnetzagentur und Bundesregierung zeigen sich optimistisch. Die Stromversorgung sei mittelfristig - betrachtet wird der Zeitraum zwischen 2025 und 2031 - gesichert. So geht es aus einem Bericht der Netzagentur hervor, der bei der Kabinettssitzung gebilligt worden ist.
Massive Investitionen nötig
"Das gilt auch unter der Voraussetzung, dass der Kohleausstieg, der ja 2038 für die ostdeutschen Reviere vereinbart ist, vorgezogen werden sollte", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. "Ich formuliere bewusst im Konjunktiv, weil es dazu ja noch keine Einigung gibt."
Ohne Kernkraft und ohne Kohle - das funktioniert aber nur, wenn in den verbliebenen 2020er-Jahren massiv investiert wird: in Erneuerbare Energien, Ersatzkraftwerke und den Ausbau der Stromnetze. "Sie wissen, dass wir in den letzten Jahren geschlurt haben, nicht schnell genug sind und dass wir an allen Stellen dran sind, das zu beschleunigen, schneller, effizienter und stärker zu werden in dem Bereich", sagte Habeck.
Dreifaches Ausbautempo als Voraussetzung
Eine der Voraussetzungen für die gesicherte Stromversorgung ist, so schreibt die Bundesnetzagentur in ihrem Bericht, dass das Ausbautempo der Erneuerbaren Energien verdreifacht wird. Das sieht CDU-Vize Andreas Jung skeptisch. Die Bundesregierung agiere zu viel nach dem Prinzip Hoffnung, zeige selbst aber zu wenig Verlässlichkeit. So würden durch das Abschöpfen von Einnahmen am Strommarkt Investitionen in Wind- und Sonnenenergie gebremst.
"Wir müssen das Vertrauen in energiepolitische Entscheidungen stärken. Genau da ist doch viel Porzellan zerschlagen worden in der Branche der Erneuerbaren, viel Verunsicherung", kritisiert Jung. "Das, was wir brauchen, nämlich Rückenwind für die Erneuerbaren, das konterkariert die Bundesregierung selbst."
Alternativen für Zeiten der Flaute
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, ebenfalls von der CDU, warnt davor, jetzt unter Berufung auf den Bericht der Bundesnetzagentur den Kohlekompromiss aufzumachen. "Bei der Braunkohleverstromung gibt es überhaupt keine Notwendigkeit, etwas zu tun", so Kretschmer. "Wenn tatsächlich der Zubau Erneuerbarer Energien erfolgreicher ist und die Netzstabilität gewährleistet ist, dann werden diese Kraftwerke aus dem Netz gehen. Es ist also so, dass man diesen gesellschaftlichen Frieden jetzt halten sollte und sich darum kümmern sollte, dass die anderen Aufgaben tatsächlich funktionieren."
Klar ist: Je früher aus der Kohle ausgestiegen wird, desto früher braucht es Alternativen für die Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht ausreichend weht. "Je früher man aus der Kohle aussteigt, umso mehr verflüssigtes Erdgas wird man verstromen müssen, auch das müssen wir letztlich importieren - und schaffen uns dadurch neue Abhängigkeiten", sagt Detlef Fischer vom Verband der Bayerischen Energiewirtschaft.
In der Tat dürfte der Anteil von Gas bei der Verstromung erst einmal steigen. Wirtschaftsminister Habeck will den Bau neuer grundlastfähiger Kraftwerke fördern. Diese Kraftwerke sollen in einer Übergangsphase mit Gas laufen, aber zugleich die technischen Voraussetzungen haben, um später mit Wasserstoff betrieben zu werden.