Emirat in der Krise Wohin steuert Dubai?
Das Wahrzeichen von Dubai waren Baukräne, doch die Zeiten des Baubooms und Aufschwungs sind seit der Wirtschaftskrise vorbei. Damit bröckelt die Autonomie des kleinen Emirates am persischen Golf. Die Lösung der Schuldenproblemen ist nicht nur eine Geldfrage.
Von Carsten Kühntopp, ARD-Hörfunkstudio Amman, z.Zt. Abu Dhabi
Achmed al-Attar wirkt älter als 23. Er klingt ernsthaft und überlegt. Auf der Terrasse eines Luxushotels in Abu Dhabi sitzend, sinniert Attar über die Krise, in der Dubai steckt. Auf seinem Blog nennt er sich den "Scheich der Kontroverse", doch das, was er über Dubai sagt, denken wohl die meisten Menschen in Abu Dhabi: "Ich glaube, da ist Enttäuschung, weil zugelassen wurde, dass die Sache so schlimm wurde." Aber es gebe auch das Bewusstsein, dass die Vereinigten Arabischen Emirate ein Land seien und dass man nicht zulassen werden, dass Dubai pleite gehe. Und, "dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um zu verhindern, dass der gute Ruf von Dubai leidet. Wir werden unser Schwesteremirat ermuntern, die Krise als eine Chance zu begreifen, sich zu bessern und nicht noch einmal in solche Schwierigkeiten zu geraten."
Dubai ist vor allem für spektakuläre Bauprojekte bekannt.
Bau- und Immobiliensektor eingebrochen
Attars Offenheit ist ungewöhnlich in einer Kultur, die es vorzieht, Probleme außer Sichtweite der Öffentlichkeit zu lösen. Seit das staatliche Firmenkonglomerat "Dubai World" vor drei Wochen mitteilte, einen Teil seiner Schulden umstrukturieren zu wollen, hängt ein großes Fragezeichen über dem "Modell Dubai".
Seit Beginn der Finanzkrise fallen die Immobilienpreise in Dubai drastisch.
Fast die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes von Dubai wurde im Bau- und Immobiliensektor erwirtschaftet. Mit der weltweiten Finanzkrise vor rund einem Jahr brach dieser Sektor ein. Die Preise gaben so sehr nach, dass nun einige der Tochterunternehmen von "Dubai World" ihre Schulden nicht mehr tilgen können.
Achmed al-Attar sorgt sich jetzt um die Vorbildfunktion, die Dubai so lange für den Nahen Osten hatte: "Lassen wir die Schadenfreude, mit der Dubai jetzt fertig werden muss, beiseite", sagt er. In Wirklichkeit habe Dubai gegen den Terrorismus gekämpft, ganz einfach, weil es den Menschen einen Weg aufgezeigt habe. "Und der besagte: 'Wenn du hart arbeitest, großartige Ideen hast und zu uns kommst, um etwas zu erschaffen, dann kannst du Geld verdienen, in Sicherheit leben und ein gutes Leben haben'". Und dann gebe es keinen Grund, den Weg des Schlechten zu gehen, so Attar.
VAE 1971 gegründet
Dubai ist eines der sieben Emirate, die den Staat Vereinigte Arabische Emirate (VAE) bilden. 1971 wurde er gegründet. Ein anderes der sieben, und zwar das größte und mit Abstand ölreichste Emirat, ist Abu Dhabi. In Dubai sind die Al-Maktoums an der Macht, in Abu Dhabi die Al-Nahyans. Beide Familien dominieren die VAE.
Das arabische Emirat Abu Dhabi will Vorreiter auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien werden.
Die Historikerin Frauke Heard-Bey lebt seit mehr als 40 Jahren im Land und kennt es hervorragend: Als 1971 die Föderation stand, sei die Hoffnung und Erwartung von vielen Leuten in der Föderation gewesen, dass es zentral regiert würde, sagt sie. Abu Dhabi mit seinem Geld als Zentrum habe ja auch die ersten Jahre die Föderation bezahlt. Die Tatsache, dass sich Dubai immer wieder ausgeklinkt, oder sich nie eingeklinkt habe, sei nicht so gut angekommen.
Eine gewaltige Baustelle
Aus der Not, über nicht genug Öl und Gas zu verfügen, machte Dubai schnell eine Tugend. Man schob gewaltige Infrastrukturprojekte an, ausländische Investoren folgten, schließlich glich die Stadt einer gewaltigen Baustelle.
Nicht nur den eher bedächtigen Geistern in Abu Dhabi ging das zu schnell, auch so manch einem Bürger von Dubai, wie der Politologin Ebtisam al-Kitbi. Sie nennt die aktuelle Schuldenkrise eine Erleichterung, auch wenn sie sich gewiss nicht freue: "Sie haben hunderte Projekte gleichzeitig gestartet und zwar alles basierend auf Immobilien. Es funktionierte, zumindest sah es so aus. Aber ich war nie davon überzeugt." Es widerspriche dem, so al-Kitbi, was sie mal über Ökonomie gelernt habe: Zu hohe Schulden und eine Wirtschaft, die nicht produktiv sei, das könne nicht funktionieren.
80 Prozent Ausländer
Kein Emirati möchte wieder so armselig leben, wie in der Zeit vor dem Öl. Doch viele glauben, dass ihr Land einen zu hohen Preis für Fortschritt und Luxus gezahlt hat. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung sind nun Ausländer. Politologin al-Kitbi ist der Meinung, dass Menschen, die lange bleiben und um die Staatsbürgerschaft bitten, sie auch bekommen müssten. Man könne sie nicht undemokratisch regieren, sie werden mitreden wollen: "Du kannst nichts mehr ohne sie entscheiden."
Zuwanderung klären
Die Angst, im eigenen Land die Kontrolle zu verlieren, sitzt tief. Professorin al-Kitbi hofft, dass das konservative Abu Dhabi jetzt gegenüber Dubai vernünftige, einheitliche Regeln für die Zuwanderung durchsetzt, als einen der Preise für jedwede Unterstützung. Pikant sind die Verhandlungen, die nun hinter verschlossenen Türen zwischen beiden Emiraten laufen dürften, auch weil jeder weiß: Diejenigen, die heute Dubai regieren, hatten sich einst von Abu Dhabi abgespalten, im Jahr 1830, und waren nach Norden gezogen.
Wird Abu Dhabi nun vielleicht sogar einen neuen Herrscher in Dubai durchsetzen und auf diese Weise die Abtrünnigen wieder unter seine Fittiche holen? Der Blogger Achmed al-Attar schüttelt energisch den Kopf: "Abu Dhabi wird es nicht riskieren, das Land, die Region zu destabilisieren, um kurzfristige Ziele durchzusetzen, die eigentlich den langfristigen Zielen schaden würden. Es wird sich nicht in eine Konfrontation mit Dubai ziehen lassen. Es wird sehr gut koordiniert agieren, mit einer gewissen Distanz, aber unterstützend. Es ist wie der ältere Bruder."
Dubai muss damit rechnen, zurechtgestutzt zu werden. Der eigene Bewegungsspielraum wird schrumpfen, zugunsten von Abu Dhabi und zugunsten des ganzen Landes. Kein Emirati wünscht Dubai Böses, aber die meisten dürften dies für ein gutes Ergebnis der Krise halten.