Nach jahrelangen Verhandlungen Verkauf von Tennet-Stromnetz an Bund gescheitert
Tennet ist Mitbetreiber der wichtigen Nord-Süd-Stromtrasse. Über die KfW stand der Bund lange in Verhandlungen über den Kauf des deutschen Teils des Stromnetzes. Jetzt ist der Verkauf wegen der Haushaltsprobleme gescheitert.
Der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet hat die jahrelangen Verhandlungen über den Verkauf seines Deutschland-Geschäfts beendet. Die Gespräche mit der staatlichen Förderbank KfW seien eingestellt worden, nachdem die Bundesregierung dem niederländischen Staat mitgeteilt habe, "dass sie die geplante Transaktion aufgrund von Haushaltsproblemen nicht durchführen kann", teilte Tennet heute mit. Vom Bundeswirtschaftsministerium war dazu zunächst keine Stellungnahme erhältlich.
Die Verhandlungen mit der niederländischen Regierung über den Staatskonzern hatten sich seit Jahren hingezogen. Insider hatten im vergangenen Jahr den Wert des Deutschland-Geschäfts von Tennet auf 20 bis 25 Milliarden Euro taxiert.
Bedeutung für die Energiewende
Im März schien eine Einigung in greifbarer Nähe. Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr damals von einer mit der Angelegenheit vertrauten Person, dass die KfW voraussichtlich den Milliarden-Deal abwickeln werde. Die Idee war damals, in einem zweiten Schritt Anteile an private Investoren zu verkaufen, während der Bund langfristig eine Sperrminorität behält.
Deutschland und besonders das Wirtschaftsministerium hatten großes Interesse an einem Erwerb, da Tennet die wichtigen Nord-Süd-Stromautobahnen für die Energiewende baut und betreibt.
Von der Nordsee bis zur österreichischen Grenze
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich zuletzt erneut für die Übernahme des Tennet-Stromnetzes starkgemacht und betont: "Ich halte es nach wie vor für sinnvoll, dass der Staat bei einer so wichtigen Infrastruktur sicherstellt, dass sie in guten Händen bleibt."
Innerhalb der Bundesregierung laufen derzeit aber angesichts von Milliardenlöchern schwierige Verhandlungen über einen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 sowie die mittelfristige Finanzplanung. Mehrere Ressorts wollen Sparvorgaben des Finanzministeriums nicht einhalten.
Tennet ist einer von vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern und betreibt das Netz in der flächenmäßig größten von vier Zonen. Das Gebiet reicht von der Nordsee bis zur österreichischen Grenze. Im Zuge der Energiewende müssen Tausende Kilometer neue Stromleitungen gebaut werden, damit der vor allem im Norden produzierte Windstrom in große Verbrauchszentren im Süden gelangen kann. Das kostet viele Milliarden. Tennet hatte den deutschen Teil seines Netzes 2010 von Eon übernommen.
Enorme Investitionen nötig
Eigentümer der Tennet-Muttergesellschaft ist der niederländische Staat, der den deutschen Tennet-Teil eigentlich verkaufen wollte. Das Unternehmen scheut die nötigen Milliarden-Investitionen, von denen der größte Teil auf Deutschland entfallen würde.
In den Planungen für die nächsten zehn Jahre rechnet Tennet mit Investitionen von bis zu 160 Milliarden Euro, die meisten davon in Deutschland. Das Unternehmen hatte daher im Februar 2023 seinen Wunsch nach einer Übernahme seines deutschen Übertragungsnetzes durch den Bund publik gemacht.
Der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse sagte: "Der Wunsch der Niederländer, sich aus dem deutschen Stromnetz zurückzuziehen, ist ein deutliches Alarmsignal. Wenn nicht mal mehr demokratische Staaten bereit sind, unter den aktuellen Rahmenbedingungen in das Netz in Deutschland zu investieren, dann sagt das viel aus über das aktuelle Investitionsklima in Deutschland und warum es dringend eine Wirtschaftswende braucht."
Niederlande "enttäuscht" über Scheitern der Verhandlungen
Der niederländische Finanzminister Steven van Weyenburg äußerte sich "enttäuscht" über das Scheitern der Verhandlungen. Es würden nun verschiedene Alternativen durchgespielt. "Tennet bereitet konkrete Optionen für einen privaten Verkauf, einen Teilverkauf oder einen Börsengang von Tennet Deutschland vor", schrieb van Weyenburg in einem Brief an das Parlament. Er fügte hinzu, dass die deutsche Regierung ihm mitgeteilt habe, dass sie solche Szenarien unterstützen werde.
Tennet betonte indes, an seinen Investitionsplänen in beiden Ländern festzuhalten. Dabei werde das Unternehmen vom niederländischen Staat unterstützt, der Tennet kürzlich ein Darlehen von 25 Milliarden Euro für die Jahre 2024 und 2025 gewährt hat. Das Unternehmen werde zudem weiter versuchen, öffentliche oder private Kapitalmärkte zu nutzen, um die Finanzierung der deutschen Aktivitäten zu stemmen.