Frühjahrsgutachten der EU-Kommission EU sieht Licht am Ende des Tunnels
Ein BIP-Minus von vier Prozent, achteinhalb Millionen Arbeitslose mehr und zahlreiche Staaten, die zum Teil massiv gegen Maastricht-Kriterien verstoßen: Das EU-Frühjahrsgutachten sieht für Europas Wirtschaft schwarz - aber auch erste Anzeichen einer Erholung.
Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Positive Signale, die Talsohle immer näher in Sicht, schrittweise Erholung der Wirtschaft – am Horizont sieht EU-Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia ein Ende der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg aufziehen. Einen Optimisten will er sich von den Journalisten aber deswegen noch lange nicht nennen lassen. Schließlich habe er für dieses Jahr gerade ein minus von vier Prozent vorausgesagt, doppelt so hoch wie noch im Januar. Er sei "überrascht", angesichts seiner Prognose als "optimistisch" bezeichnet zu werden, sagte der Kommissar.
Der Eindruck des Optimismus entsteht beim Blick in die Zukunft: Gegen Ende des Jahres könne der Abschwung gestoppt sein, ab 2010 geht es laut EU-Prognose wieder langsam bergauf mit der europäischen Wirtschaft. Auch wenn in der Vorausschau unter dem Strich noch ein leichtes Minus in Höhe von 0,1 Prozent steht.
Deutschland wieder Defizitsünder
Deutschland wird 2010 demnach schon wieder ein leichtes Plus beim Wirtschaftswachstum verzeichnen – nach einem Einbruch von fünfeinhalb Prozent in diesem Jahr. Um vier Prozent schrumpft die Wirtschaft in der gesamten EU. Fast alle Mitgliedsstaaten sind vom wirtschaftlichen Abschwung erfasst worden. Nur Zypern wird in diesem Jahr laut Prognose ein leichtes Wachstum erzielen. Und die Aussichten hätten noch trüber sein können: "Ohne die Konjunkturprogramme wäre der Abschwung noch deutlicher ausgefallen – mindestens um einen Prozentpunkt", erklärte Almunia.
Doch durch Programme und Bankenrettungsfonds steigt auch die Verschuldung der Mitgliedsstaaten – auf knapp fünfeinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr. Die Tendenz für 2010 zeigt ebenfalls nach oben. Auch Deutschland wird die kritische Drei-Prozent-Marke beim Haushaltsdefizit reißen - mit knapp vier Prozent im Jahr 2009 und gar sechs Prozent im Jahr 2010, prognostiziert die EU.
EU rechnet mit Millionen weniger Jobs
Andere Länder liegen noch deutlich darüber. Mit einer Neuverschuldung von zwölf Prozent in diesem Jahr führt Irland die Liste der Schuldenmacher an. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher gibt es wenigstens eine gute Nachricht: Die Preise steigen kaum noch. Die Inflation im zweiten und dritten Quartal werde in Folge der schlechten wirtschaftlichen Aussichten und der sinkenden Rohstoffpreise "deutlich zurückgehen".
Doch durch die Krise werden in den kommenden Monaten immer mehr Menschen in Europa ihren Job verlieren. Mit achteinhalb Millionen weniger Arbeitsplätzen rechnet die EU-Kommission in diesem und nächsten Jahr. Zum Vergleich: 2007 und 2008 waren in der Europäischen Union unter dem Strich neuneinhalb Millionen neue Jobs entstanden. Auch für Deutschland rechnet die Behörde mit einer zunehmenden Arbeitslosenquote: achteinhalb Prozent 2009 – und zehneinhalb Prozent 2010.
Auch wenn er die Bezeichnung "Optimist" nicht stehen lassen wollte: Hoffen kann Wirtschaftskommissar Almunia schon noch - dass er "die Prognose heute zum letzten Mal nach unten korrigiert" habe. Oder umgekehrt: Bei seinem nächsten Auftritt wolle er bessere Zahlen bekannt geben als jetzt befürchtet.