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EU-Handelsabkommen mit Kanada Darum geht es bei CETA

Stand: 01.12.2022 14:19 Uhr

Schon lange wird über das europäisch-kanadische Handelsabkommen CETA gestritten - jetzt hat der Bundestag es ratifiziert. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Antonia Mannweiler, tagesschau.de

Was ist CETA?

Das "Comprehensive Economic and Trade Agreement" - kurz CETA - ist das Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU. Das Abkommen soll den Handel zwischen der Europäischen Union und Kanada erleichtern und regelt unter anderem den Wegfall fast aller Zölle. Auch regulatorische Hemmnisse sollen mit CETA abgebaut werden.

Wann tritt das Abkommen in Kraft?

Im Februar 2017 hat das Europäische Parlament dem Abkommen zugestimmt, im Mai darauf der kanadische Senat. Zwar sind seit September 2017 weite Teile des Abkommens in Kraft getreten, aber nicht alle. Das Freihandelsabkommen tritt erst dann vollständig in Kraft, wenn alle Mitgliedstaaten das Abkommen ratifiziert haben.

Bisher haben jedoch erst 16 Mitgliedsstaaten das "Comprehensive Economic and Trade Agreement" unterzeichnet. Frankreich, Ungarn, Italien oder Polen fehlen etwa noch. Solange nicht alle Mitgliedsstaaten den Vertrag unterzeichnet haben, gilt der Handelspakt nur für die Bereiche, die unbestritten im Zuständigkeitsbereich der EU liegen und nicht in dem der einzelnen Mitgliedsstaaten. Daher liegen Regelungen wie zum Thema Investitionsschutz zunächst auf Eis.

Welche Vorteile soll das Abkommen bringen?

Kanada rangierte 2021 auf der Liste der EU-Handelspartner auf Platz 14 hinter Taiwan und Mexiko. Umgekehrt ist die Europäische Union Kanadas zweitwichtigster Handelspartner hinter den USA. Das vorrangige Ziel des Abkommens war es, den Marktzugang für Industriegüter, Agrarprodukte und Dienstleistungen und auch im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu erleichtern. Mit CETA werden knapp 98 Prozent aller Zölle zwischen den beiden Ländern abgebaut, vor dem Abkommen war zum Beispiel nur rund ein Viertel der EU-Zolllinien für kanadische Waren zollfrei. Nach Angaben der EU-Kommission könnten europäische Unternehmen durch das Freihandelsabkommen jährlich rund 590 Millionen Euro im Jahr einsparen.

Hinzu kommt, dass europäische Unternehmen durch das Handelsabkommen Zugang zu öffentlichen Aufträgen in Kanada erhalten - sowohl auf Bundes- wie auch auf Provinz- und Kommunalebene. Die Europäische Kommission verspricht sich von CETA eine Steigerung des jährlichen EU-BIP um zwölf Milliarden Euro, das bilaterale Handelsvolumen soll um 23 Prozent wachsen. Im Jahr 2020 lag der Warenhandel trotz Pandemie kanadischen Schätzungen zufolge 12,5 Prozent über dem CETA-Niveau von 2016. Von der Öffnung neuer Märkte in der EU versprechen sich kanadische Exporteure einen Wettbewerbsvorteil, von dem letztlich alle Kanadier profitieren.

Welche Kritik an dem Abkommen gibt es?

Schon zu Beginn der Verhandlungen hagelte es an Kritik am Freihandelsabkommen. Die mangelnde Integration von Klima- und Umweltfragen im Handelspakt wurde dabei ebenso angeprangert wie die Transparenz im Prozess. Im August hieß es etwa von der Gewerkschaft ver.di, dass CETA noch immer den internationalen Handel über die Interessen der Menschen, den Umweltschutz und den demokratischen Interessen stelle.

Kritisiert wird auch der Investitionsschutz. Damit könnten Investoren Staaten vor einem internationalen Schiedsgericht verklagen. Der Investitionsschutz tritt jedoch erst in Kraft, wenn alle Mitgliedsstaaten das Abkommen unterzeichnet haben. Der Verein Umweltinstitut München schrieb im vergangenen Monat etwa, dass zivilgesellschaftliche Organisationen vor allem den Investitionsschutz kritisierten, weil er einseitige Klagemöglichkeiten ausländischer Investoren und globaler Konzerne gegen staatliche Regulierungen vorsehe.

Im März wurde eine Verfassungsbeschwerde gegen CETA abgewiesen. Dennoch machten die Richter klar, dass sie einige Teile des Handelsabkommens als kritisch ansehen, unter anderem die sogenannten Schiedsgerichte. Für ein solches Gerichtssystem müsste Deutschland aber Hoheitsrechte an die EU übertragen. Das Bundesverfassungsgericht bezweifelt, ob dies mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Der Bund hat nach der Entscheidung im März angekündigt, beim CETA-Investitionsschutzstandards nachzubessern.

Bei einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses im Oktober kritisierte Franz Mayer, Professor für Europarecht an der Universität Bielefeld, dass in keinem anderen Staat das Abkommen so kleinteilig diskutiert worden sei. "Wenn wir so ein Abkommen noch nicht mal mit Kanada hinbekommen, mit welchem Staat denn dann?"

Wie reagiert die Wirtschaft auf die Ratifizierung?

In der Chemiebranche wird die CETA-Ratifizierung begrüßt. "In Zeiten astronomischer Energiepreise, stockender Lieferketten und hoher Inflation ist dies ein wichtiges Signal. Damit liegt rechtzeitig vor Nikolaus zumindest eine kleine Gabe im Stiefel der europäischen Industrie", so der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup.

Industriepräsident Siegfried Russwurm hat die erwartete Ratifizierung des EU-Freihandelsabkommens mit Kanada durch den Bundestag als überfällig bezeichnet. Dies müsse der EU nun neuen Schwung in der Handelspolitik verleihen, erklärte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. "Deutschland und die EU brauchen offene Märkte, gerade in Zeiten des zunehmenden Protektionismus."

Moderne Handelsabkommen wie CETA "helfen insbesondere mittelständischen Betrieben, Märkte zu erschließen und die notwendige Diversifizierung unserer Lieferketten sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen voranzubringen", hieß es vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Nun müssten weitere wichtige EU-Handelsabkommen, wie mit Mercosur, Indien oder auch Indonesien vorangebracht werden.

Welche anderen Handelsabkommen gibt es?

Die Europäische Union hat Handelsabkommen mit mehr als 70 Ländern geschlossen. Der Großteil davon ist schon in Kraft getreten oder vorläufig anwendbar. Andere Handelspakte werden dagegen noch verhandelt, oder müssen noch ratifiziert werden. Zu den Freihandelsabkommen, die in der jüngeren Vergangenheit in Kraft getreten sind, zählen etwa Vietnam und Singapur. Sie sehen einen nahezu kompletten Wegfall der Zölle vor. Auch seit dem Inkrafttreten des Abkommens zwischen der EU und Japan 2019 werden bei 90 Prozent aller EU-Ausfuhren keine Zölle mehr erhoben.

Mit Australien und Neuseeland befindet sich die EU derzeit in Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Auch mit Indonesien, den Philippinen und auch China werden Gespräche über Abkommen geführt. Die Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit Deutschlands zweitwichtigstem Handelspartner, den USA, liegen dagegen seit 2017 auf Eis. Die umstrittene transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft - als TTIP abgekürzt - sollte Handelshemmnisse und Zölle abbauen. In Deutschland stieß das Vorhaben auf heftigen Widerstand: Dabei wurde unter anderem das Absinken von Verbraucherstandards befürchtet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 01. Dezember 2022 um 14:40 Uhr in der Wirtschaft.