Kritik an Steuerermäßigung Rechnungshof fordert Mehrwertsteuer-Reform
Die Liste der Waren und Leistungen, für die der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt, ist lang. Doch die Abgrenzung ist laut Bundesrechnungshof teils willkürlich und sachlich nicht mehr gerechtfertigt. Er fordert daher, den Katalog mit Begünstigungen grundlegend zu überarbeiten.
Der Bundesrechnungshof hat eine grundlegende Reform des deutschen Mehrwertsteuersystems gefordert. In einem Sonderbericht empfahl er der Bundesregierung und dem Bundestag, vor allem den Katalog mit Waren und Leistungen zu überprüfen, auf die nur der ermäßigte Satz von sieben Prozent erhoben wird. "Alle Erleichterungen sollten darauf untersucht werden, ob sie den gesetzlichen Kriterien nach wie vor Stand halten", sagte der Präsident des Bundesrechnungshofs, Dieter Engels.
Durch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes entgehen dem Staat jedes Jahr Einnahmen in Milliardenhöhe. Allein für 2008 gab der Bundesrechnungshof die Höhe der steuerlichen Begünstigung für die Nutznießer des niedrigeren Satzes mit 24,2 Milliarden Euro an.
"Abgrenzung teilweise willkürlich"
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Umsatzsteuerermäßigung in vielen Fällen sachlich nicht mehr begründet ist und zum Teil im Widerspruch zum EU-Gemeinschaftsrecht steht. "Teilweise mutet die Abgrenzung willkürlich an", schrieb der Bundesrechnungshof, Weil sich häufig nicht ohne Weiteres entscheiden lasse, ob für ein Produkt der reguläre oder der ermäßigte Steuersatz gelte, müsse bei den Kontrollen und in der Finanzverwaltung viel Personal eingesetzt werden.
Der Bericht führt eine Reihe von Beispielen auf, um die Probleme des aktuellen Systems zu veranschaulichen. Demnach gilt etwa für Feinschmeckerprodukte wie Froschschenkel, Wachteleier und Riesengarnelen der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent. Dagegen ist für Minieralwasser der volle Steuersatz von 19 Prozent zu bezahlen. Bei frischen Früchten und Marmeladen sowie Gemüse wird der ermäßigte Steuersatz fällig, bei Fruchtsäften jedoch der volle. Auf Kaffeepulver wird der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent aufgeschlagen, auf Kaffeegetränke aus dem Automaten aber 19 Prozent.
Die Regelungen zum ermäßigten Steuersatz führten zu Mitnahmeeffekten und zum Missbrauch. Zudem wies der Bundesrechnungshof darauf hin, dass die Steuerermäßigungen oft zu juristischen Auseinandersetzungen führen. Allein in den Jahren 2000 bis 2009 sei es zu mehr als 300 Gerichtsentscheidungen über die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes gekommen. Um diese Probleme künftig zu vermeiden, hält der Bundesrechnungshof laut dem Bericht "eine einheitliche Besteuerung im Einzelfall für zweckmäßig".
System wird immer unübersichtlicher
Dem Bericht zufolge wurde die Systematik der begünstigten Waren und Leistungen seit Einführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes 1968 immer unübersichtlicher und widersprüchlicher. Das ursprüngliche Ziel, bestimmte Güter des lebensnotwendigen Bedarfs aus sozialpolitischen Gründen zu verbilligen, treffe heute in vielen Fällen nicht mehr zu, erklärte der Bundesrechnungshof.