Verhandlungen nach Brexit EU "enttäuscht" von Großbritannien
Auch die jüngste Verhandlungsrunde über Großbritanniens künftige Beziehung zur EU ist ergebnislos verlaufen. EU-Verhandlungsführer Barnier wirft den Briten "mangelnden Ehrgeiz" vor, diese beklagen Brüssels "ideologischen Ansatz".
Michel Barnier, Verhandlungsführer für die Europäische Union in den Gesprächen mit Großbritannien nach dem Brexit, sieht nach der jüngsten Verhandlungsrunde nur "bescheidene Erfolge". Er zeigte sich "enttäuscht über den mangelnden Ehrgeiz der britischen Seite auch in anderen Bereichen, die nicht im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen, die aber wichtig und symbolisch sind". Die nächste Verhandlungsrunde müsse mehr Dynamik bringen, um ein Patt zu vermeiden.
Großbritannien war am 31. Januar aus der EU ausgetreten - die Verhandlungen über die künftigen wechselseitigen Beziehungen hatten schon Jahre zuvor begonnen, bislang haben sie aber keine Ergebnisse gebracht. Am Montag hatten Vertreter beider Seiten die dritte Verhandlungsrunde nach dem Austritt aufgenommen. Die Zeit drängt: Wenn bis zum Jahresende kein Abkommen zustande kommt, droht ein "No-Deal-Brexit", bei dem die gemeinsamen wirtschaftlichen, gesetzlichen und sozialen Regeln nicht geklärt sind. Eine Verlängerung der Verhandlungsfrist müsste bis Ende Juni vereinbart werden - Großbritannien lehnt diese bislang ab.
EU will Vorbereitungen auf "No Deal" beschleunigen
Er sei "nicht optimistisch", dass ein Abkommen noch gelingt, sagte Barnier nach den heutigen Gesprächen. Die EU sei bereit für den Fall des "No Deal" und werde ihre Vorbereitungen beschleunigen - sie werde ihre Werte nicht zum Vorteil der britischen Wirtschaft drangeben.
Auch der britische Chefunterhändler David Frost beklagte fehlende Bewegung in den Verhandlungen. Es habe nur "sehr kleine Fortschritte" hinsichtlich einer Einigung "auf die wichtigsten offenen Fragen zwischen uns" gegeben. Dies gelte vor allem für den Punkt der gleichen und fairen Wettbewerbsbedingungen.
Briten wollen ungehinderten Marktzugang
Großbritannien will nach dem Ausscheiden aus der EU einen möglichst ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt der Staatengemeinschaft erreichen. Die EU will diesen aber nur gewähren, wenn sich das Vereinigte Königreich Normen und Regeln des Binnenmarktes unterwirft, um ungleiche Wettbewerbsbedingungen zu vermeiden. Dazu gehören etwa die Einhaltung gleicher Sozial- und Umweltstandards.
Frost warf der EU einen "ideologischen Ansatz" in diesem Punkt vor. Ein Abkommen bis zum Jahresende halte er aber immer noch für "möglich": Etwa bei der Strafverfolgung sei eine Einigung innerhalb des Zeitplans ohne größere Probleme denkbar.
Für die Woche nach dem 1. Juni ist eine weitere Verhandlungsrunde vorgesehen - dann ist die Möglichkeit zur Verlängerung verstrichen. Viele Experten halten den Zeitplan für kaum realisierbar, weil ein derart umfassendes Abkommen schon in guten Zeiten kaum so schnell auszuhandeln sei. Die Coronavirus-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen erschweren die Bedingungen zusätzlich.