Sorge um US-Konjunktur und Euro-Rettungsschirm "Es liegt nicht mehr an der Wirtschaft"
Die Nervosität ist schon seit einiger Zeit da, Italien und Spanien stehen unter Druck - und dann warnt die EZB vor der unsicheren Konjunktur und der EU-Kommissionspräsident stellt die Wirksamkeit des Euro-Rettungsschirms infrage. Die Märkte rutschen weiter ab - und die Politik versucht sich in telefonischer Krisendiplomatie. China verkündete, weiter zum Euro zu stehen.
Der Dow Jones schließt mit einem Minus von 500 Punkten, der DAX sieht seit Tagen rot und bewegte sich am Donnerstag und zur Börseneröffnung hart an der Grenze zum Crash - und das alles, ohne dass es fundamental neue Daten gibt. Die Gründe sind vor allem Ängste - vor einer schwachen US-Konjunktur, vor einer Rezession und vor einer Ausweitung der Euro-Schuldenkrise. Und ausgerechnet in dieser Situation schreibt EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso einen Brandbrief an die EU-Staats- und Regierungschefs, in dem er die Wirksamkeit der gerade erst beim Gipfeltreffen beschlossenen Maßnahmen gegen die Euro-Krise anzweifelt und auch eine Aufstockung des 440-Milliarden-Fonds EFSF ins Gespräch bringt.
Folker Hellmeyer, der Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, fasst die Lage so zusammen: "Was passieren wird, liegt jetzt an Brüssel, an Berlin, Rom, Athen. Es hängt nichts mehr an der Wirtschaft. Was wir hier sehen, ist ausgelöst durch einen Angriff der Finanzmärkte auf Italien und Spanien über die Kreditausfallversicherungen. Das ist losgelöst von jeder sachlich fundamentalen Analyse. Aber wenn sich die Politik das gefallen lässt... Die Lage ist sehr ernst."
Telefonate zwischen Frankreich, Deutschland und Spanien
Angesichts der Börsentalfahrt haben sich Frankreich und Deutschland abgestimmt. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hätten miteinander telefoniert, sagte ein Regierungssprecher. Auch mit anderen europäischen Staatschefs habe Merkel gesprochen. Einzelheiten zu den Gesprächen wurden nicht bekannt.
Rehn schließt Aufstockung des Krisenfonds nicht aus
EU-Währungskommissar Olli Rehn schloss eine Aufstockung des EFSF nicht aus. Es sei Position der Kommission, die tatsächliche Kreditfähigkeit des EFSF zu verstärken und den Umfang seiner Aktivitäten auszuweiten, sagte Rehn. Der milliardenschwere Krisenfonds müsse vor allem "von den Märkten respektiert und als glaubwürdig eingestuft werden". Er bekannte, die Finanzmärkte hätten nicht wie erhofft auf die Entscheidungen des EU-Sondergipfels vom 21. Juli über die Aufstockung der Finanzhilfen für Griechenland und über die Ausweitung der EFSF-Aufgaben reagiert. Außerdem verteidigte Rehn den Brief von Barroso. Auf die Frage, ob der Brief die Schuldenkrise verschärft habe, sagte Rehn am Morgen der BBC: "Ich denke nicht."
Trichet sieht "hohe Unsicherheit" für die Konjunktur
Zusätzlicher Auslöser für die Verkaufswelle waren auch Aussagen von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Er hatte die Unsicherheit für die Konjunktur als "ungewöhnlich hoch" bezeichnet und zugleich weitere Leitzinserhöhungen angedeutet. Zudem verstärkte die Europäische Zentralbank erneut den Kampf gegen die Schuldenkrise. Erstmals seit vier Monaten kaufte sie wieder Staatsanleihen auf und kündigte an, weiter frisches Geld in die Märkte zu pumpen. Der EZB-Rat habe sich "mit überwältigender Mehrheit" für diese Maßnahme ausgesprochen, sagte Trichet auf einer Pressekonferenz.
Die EZB hatte sich im Frühjahr 2010 nach langem Zögern zum Kauf von Staatsanleihen bereit erklärt, um die griechische Schuldenkrise einzudämmen. In den vergangenen Monaten hatte sie aber keine öffentlichen Schuldtitel mehr gekauft.
Mehrere Analysten und die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hatten die Europäische Zentralbank zum Handeln aufgefordert. "Wir brauchen jemanden, der interveniert", sagte der Chefökonom für Europa, Jean-Michel Six, dem französischen Radiosender Inter radio. "Der einzige Feuerwehrmann, der uns schnell aus dem brennenden Haus tragen kann, ist die EZB, die seit Beginn der Krise bei der Beruhigung der Märkte eine bewundernswerte Rolle gespielt hat." Seit Mai 2010 kaufte die EZB für gut 74 Milliarden Euro Staatsanleihen von Schuldenländern. Das entsprechende Programm ruhte aber seit Februar.
China sagt EU Unterstützung zu
China, das unter anderem in Staatsanleihen von klammen Euro-Staaten investiert hat, kündigte an, die EU und den Euro weiter zu unterstützen. In der Mitteilung von Außenminister Yang Jiechi wurden Details allerdings nicht genannt.
Yang rief angesichts der Schuldenprobleme in Euro und den USA alle Länder auf, ihre Zusammenarbeit zu verstärken, um die steigenden Risiken im Zaum zu halten. Von den USA, die sich unlängst nach zähem politischen Ringen auf eine Erhöhung der Schuldenobergrenze geeinigt hatten, forderte er eine "verantwortungsvolle" Geldpolitik. Die Volksrepublik, der größte Gläubiger der USA, verlangte von der Regierung in Washington, die Dollar-Investitionen anderer Länder zu schützen.