Nach Sieg von Linksbündnis Noch mehr französische Schulden?
Nach der Frankreich-Wahl rätseln Investoren, ob das Linksbündnis teure Ausgabenprogramme umsetzen wird. Das könnte den Risikoaufschlag für Staatsanleihen des Landes wieder steigen lassen.
Frankreich hat gewählt. Der befürchtete Rechtsruck ist ausgeblieben, aber das war es dann auch schon mit den Klarheiten. Der Deutsche Leitindex DAX ist dementsprechend verhalten in diese neue Handelswoche gestartet. Und die Anlegerinnen und Anleger warteten erstmal ab. Im weiteren Tagesverlauf konnte der DAX dann nach anfänglichen Verlusten ins Plus drehen.
Unklar ist, welche Ausgabenpolitik die neue, noch zu bildende Regierung verfolgen wird, ob die Staatsverschuldung weiter steigt und ob die Europäische Zentralbank intervenieren muss, um eventuelle Spekulationen gegen den französischen Markt zu verhindern. Viele Fragen sind ungeklärt, während Präsident Emmanuel Macron vorerst an seinem bisherigen Premierminister festhält.
Erstmal sind die Risiken ein bisschen geringer geworden, weil Macron die Pest vermeiden wollte. Man könnte sagen, er hat ein bisschen Cholera bekommen mit Mélenchon auf der linken Seite.
Jean-Luc Mélenchon, Vorsitzender der linkspopulistischen Partei "Unbeugsames Frankreich", polarisiert mit seinen Steuer- und Ausgabenvorschläge, fordert unter anderem eine Reichensteuer. Experte Saurenz sieht aber erstmal leichte Entspannung an den Märkten, die kommenden Wochen und Monaten müsse man abwarten. Je nachdem, wie sich die Lage entwickle, blieben die Aufschläge für französische Staatsanleihen gegenüber den Deutschen bestehen.
Leichter Anstieg bei den Anleiherenditen
Der große Anstieg der Anleiherenditen in Frankreich hatte stattgefunden, als der französische Präsident überraschend Neuwahlen angekündigt hatte. Da zogen die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen deutlich an. Danach ging es leicht zurück, und am Morgen nach der zweiten Wahlrunde waren die Anleiherenditen dann wieder etwas höher. Der Risikoaufschlag zu deutschen Bundesanleihen ging hingegen etwas zurück.
Erstmal nichts Dramatisches, sagt Daniel Saurenz. "Das heißt für die Franzosen: Die Verschuldung wird ein bisschen teurer. Frankreich hat ein Defizitverfahren der EU-Kommission am Hals, was erstmal nur eine Gelbe Karte ist." Problematisch könnte es aus Sicht des Finanzexperten werden, wenn die neue Tendenz dahingeht, weitaus mehr Schulden zu machen. "Da kommt das extrem linke Lager wieder ins Spiel, die genau das wollen, die auch sehr EU-feindlich sind", so Saurenz.
Keine Auswirkungen auf Inflation und Konjunktur
Die Frage der französischen Staatsanleihen lenkt den Blick aber auch auf die Europäische Zentralbank - und deren Reaktion auf die Folgen der Frankreich-Wahl. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sieht erstmal keine direkte Auswirkung auf die Notenbankpolitik. An der Inflation im Euro-Raum, an der Konjunktur ändere das Wahlergebnis erstmal nichts.
Es hängt davon ab, wie es weitergeht in der französischen Innenpolitik.
Wenn das Wahlbündnis Neue Volksfront einen starken Einfluss bekäme auf die Wirtschaftspolitik und wenn es dann sehr weitreichende Ausgabenprogramme tatsächlich umsetzen würde, dann könne es zu Schwierigkeiten kommen bei den französischen Staatsanleihen, so Krämer. Dieses Szenario hält der Volkswirt allerdings für nicht wahrscheinlich.
Die EZB könnte im Notfall schnell eingreifen
Notfalls könnte die Europäische Zentralbank aber eingreifen in den Markt. Mit einem speziellen Werkzeug, dem sogenannten Transmission Protection Instrument (TPI) - das Turbulenzen um französische Anleihen beruhigen könnte, indem die EZB unbegrenzt Anleihen eines jeden Euro-Landes kaufen kann - bevor der Staatsanleihen-Stress zur Gefahr für den Euro-Raum wird.
"Und in diesem eher unwahrscheinlichen Falle, könnte die Europäische Zentralbank dann im Rahmen dieses Transmission Protection Instruments, Staatsanleihen in großem Stil kaufen. Aber da muss schon einiges passieren, bevor die EZB zu diesem sehr außergewöhnlichen Kriseninstrument greift", sagt Jörg Krämer.
Le Maire warnt vor "wirtschaftlichem Niedergang"
Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hat angesichts dieses unerwarteten Wahlergebnisses vor einer drohenden Finanzkrise und einem "wirtschaftlichen Niedergang" in Frankreich gewarnt. Eine französische Schuldenkrise könnte eine Euro-Krise auslösen - darüber wird seit längerer Zeit debattiert. Das sieht Finanzexperte Daniel Saurenz allerdings weit entfernt am Horizont, wie er sagt. "Wir haben jetzt leichte Aufschläge gesehen. Aber das ist noch längst nicht vergleichbar mit dem, was bei Griechenland zu spüren war und damals in der Euro-Krise."
Die Stichwahl in Frankreich hat zwar einen Rechtsruck verhindert. An den Aktienmärkten aber fürchtet man sich vor Unsicherheiten und hofft stets auf Klarheit. Und die hat diese Wahl erstmal zumindest nicht gebracht.