US-Index Nasdaq 100 neu gewichtet Weniger Kursturbulenzen durch die Tech-Giganten?
Ab heute bekommen die sieben größten Technologie-Aktien im Tech-Index Nasdaq 100 weniger Gewicht. Damit soll sichergestellt werden, dass ihre Kursbewegungen den Gesamt-Index nicht verzerren.
Der Börsenbetreiber Nasdaq führt eine Neugewichtung durch. Hintergrund ist, dass nur sieben der 100 in der Technologiebörse Nasdaq 100 gelisteten Unternehmen mehr als 50 Prozent des gesamten Index-Gewichts stellen: Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Tesla und Meta kommen zusammen auf eine Marktkapitalisierung von rund 11,5 Billionen US-Dollar.
Ausgerechnet diese sieben Aktien haben im Nasdaq 100 in den vergangenen Monaten im Zuge der KI-Rally am stärksten zugelegt und damit den Index insgesamt nach oben gezogen. Der Nasdaq 100 gewann im ersten Halbjahr 39 Prozent an Wert - so viel wie noch nie in einem Halbjahr in seiner Geschichte. Die sieben Top-Aktien trugen nach Angaben der Vermögensverwaltung DWS allein über 30 Prozentpunkte dazu bei.
Das ist deshalb der Fall, weil der Index nach Marktkapitalisierung berechnet wird. Das heißt, dass die Entwicklung der Aktienkurse das Gewicht der Unternehmen in dem Kursbarometer bestimmt: Je stärker eine Aktie also gestiegen ist, umso bedeutsamer, weil gewichtiger, ist sie im Index. Das führt dazu, dass nur wenige Aktien eine unverhältnismäßig hohe Bedeutung erhalten und deren Kursentwicklung die Gesamtentwicklung im Index wesentlich bestimmen.
Index-Bedingungen erfordern Gewichtsreduktion
Deshalb kappt der Börsenbetreiber Nasdaq jetzt die Gewichtung dieser sieben Aktien, die am stärksten gestiegen sind und hebt das Gewicht der anderen Titel im Index an. Denn in den Regeln über die Zusammensetzung der Indizes heißt es, dass Aktien, die mehr als 4,5 Prozent Gewicht zum Index beitragen, zusammen nicht mehr als auf 48 Prozent Gesamtgewicht kommen dürfen.
Die Top Sieben hatten allerdings ein Gewicht von zeitweise 56 Prozent im Nasdaq 100. Es wird nun auf 44 Prozent gesenkt. Das nennt man "Special Rebalance" und wird jetzt außerplanmäßig durchgeführt. Die Nasdaq prüft aber jedes Quartal, welche Titel mit welcher Stärke in den Indizes vertreten sind.
Gilead oder Mondelez profitieren
Beim aktuellen Rebalancing wird Nvidia am stärksten begrenzt, nämlich um 2,99 Prozent, berichtet das Analysehaus Morningstar. Auch nach der Neugewichtung bleiben Apple und Microsoft die Schwergewichte im Index.
Nutznießer sind Titel, deren Gewicht zulegt. Darunter sind nach Angaben der US-Bank Wells Fargo das Biotech-Unternehmen Gilead Sciences, die Kaffeehaus-Kette Starbucks und der Süßwaren-Hersteller Mondelez. Auch Unternehmen wie Analog Devices oder Intuitive Surgical könnten zu den Profiteuren gehören, die stärker im Nasdaq 100 gewichtet sein werden.
"Untragbare Machtkonzentration"
Die Reaktion des Börsenbetreibers Nasdaq findet Zustimmung bei Expertinnen und Experten: "Was man Anlegern rät, sollte ein Index von Weltrang nicht tun: ein Klumpenrisiko schaffen", erklärt Jochen Stanzl, Chefmarktanalyst bei CMC Markets. Mit der Neugewichtung werde der Index breiter und besser verteilt. "Anleger können den Nasdaq 100 dann endlich wieder als gute Benchmark für die Entwicklung im Technologiesektor ansehen." Bis jetzt müsse man hier etwas Vorsicht walten lassen, bemerkt Jochen Stanzl.
Die DWS erkennt eine "untragbare Machtkonzentration". Die Schlussfolgerung der Fachleute: "Das ist nicht nur schlecht für Anleger, sondern auch für den freien Markt." Der Vermögensverwalter sieht grundsätzlich aber eher die Kartellbehörden als den Börsenbetreiber in der Verantwortung: "Was wir bezweifeln, ist die Frage, ob es ein gutes Zeichen ist, wenn Börsenbetreiber das Übergewicht einer Handvoll von Unternehmen korrigieren und nicht die Kartellbehörden."
Nicht nur die Nasdaq gewichtet nach Börsenwert
Allerdings steht die Nasdaq nicht allein mit ihrem Ansatz, Indizes nach Marktkapitalisierung zu gewichten. Die meisten großen Börsenbetreiber gewichten ihre Indizes nach Marktkapitalisierung, die errechnet wird durch Multiplikation des Aktienkurs mit dem gesamten Aktienbestand. Die größte Börse in Sachen Gewichtung nach Börsenwert ist die New York Stock Exchange (NYSE) an der Wall Street in New York, gefolgt von der Nasdaq und der Shanghai Stock Exchange. Die Top 5 werden von der Euronext und der Börse in Tokyo vervollständigt. Die Deutsche Börse rangiert auf Platz 12 (Stand Dezember 2022).
Indexanpassungen in der DAX-Familie
Im DAX ist das Gewicht einer einzelnen Aktie im Index auf zehn Prozent begrenzt. Welche Aktien in den DAX, den MDAX und den SDAX kommen, hängt seit der Reform der Indexanpassung im Herbst 2021 von der Marktkapitalisierung der Aktien im Streubesitz ab. Unter Streubesitz versteht man alle frei handelbaren Aktien, die von jedem erworben werden können und nicht in der Hand von großen Investoren sind. Bis zur jüngsten Reform spielte auch der Orderbuchumsatz bei der Indexanpassung eine Rolle.
DAX, MDAX und TecDAX werden zweimal im Jahr, jeweils im März und im September, überprüft und gegebenenfalls angepasst. Der SDAX wird viermal im Jahr, also vierteljährlich, geprüft. Darüber hinaus sind außerordentliche Anpassungen möglich, etwa, wenn ein Unternehmen übernommen wird oder insolvent wird oder sich sein Anteil im Streubesitz sehr stark verringert.
Für DAX-Unternehmen ist es außerdem Pflicht, dass sie zwei Jahre in Folge ein positives EBITDA erwirtschaften und ihre Berichtspflichten zu jedem Quartal pünktlich und nach den regulatorischen Vorgaben erfüllen.
Kaum Folgen für Fonds oder ETFs erwartet
Oft gehen Kursbewegungen anstehenden Index-Anpassungen voraus. Anlegerinnen und Anleger spekulieren dann auf Auf- oder Abstieg einzelner Titel. Große Kursbewegungen bei den sieben neu gewichteten Tech-Titeln im Nasdaq 100 dürfte es nach Meinung der Morningstar-Experten aber am ersten Handelstag nicht geben.
Zwar müssten Fonds, die den Nasdaq 100 abbilden, entsprechend umschichten. In diesem Fall ändert sich aber nur die Gewichtung, die Aktien blieben dieselben. "Die Anleger von Fonds, die den Nasdaq-100-Index abbilden, werden am 24. Juli mit einem anderen Portfolio aufwachen", erklärt das Analyse-Unternehmen Morningstar. Die Unterschiede würden nicht groß sein, aber der Fonds würde anders aussehen. Milliarden an Dollar würden umgeschichtet.
Wenig Kursbewegung, aber Handelskosten
Durch die Neugewichtung entstünden laut Morningstar Handelskosten, die die Wertentwicklung geringfügig beeinträchtigen könnten, und der Verkauf von Aktien mit hoher Wertentwicklung könne für die Fonds steuerliche Folgen haben. Fonds hätten sich bereits auf die Neugewichtung eingestellt. Die Nasdaq hatte die Neugewichtung bereits am 7. Juli angekündigt.
Jochen Stanzl erwartet, dass Anlegerinnen und Anleger eventuelle Rücksetzer zum Kauf nutzen würden. Auf längere Sicht könnten die sieben Titel das Risiko der Anpassung abschütteln und ihren Aufwärtstrend fortsetzen. "Die Index-Anpassung könnte sich damit unter dem Strich eher positiv für Apple & Co. herausstellen."