Absatzrückgang wegen Pandemie Viele Brauereien vor dem Aus
Heute ist der Tag des Bieres. Doch Grund zum Feiern haben die rund 1.500 deutschen Brauereien nicht. Wegen abgesagter Feste und geschlossener Kneipen bricht der Bierabsatz dramatisch ein. Jetzt droht eine Pleitewelle.
Die Wernecker Brauerei in Unterfranken zählt zu den ältesten deutschen Bierbrauern. Seit über 400 Jahre existiert das Familienunternehmen. Es hat zwei Weltkriege, Revolutionen und viele Krisen überlebt. Nun aber zwingt das kleine Coronavirus die Brauerei in die Knie. Ende September schließt die Wernecker Brauerei. "Wir haben keine Kraft mehr", gesteht die Junior-Chefin Christine Lang.
Branchenexperten sind sich sicher: Die Wernecker Brauerei wird nicht der einzige Betrieb sein, der im Zuge der Corona-Pandemie vom Markt verschwinden wird. "Wir befürchten, dass in den kommenden Wochen eine Vielzahl von Gaststätten und Brauereien aufgeben muss", sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. "Ohne staatliche Hilfen werden viele diese Krise nicht überstehen."
Geschlossene Kneipen und abgesagte Feste
Die deutsche Braubranche hat ein doppeltes Absatzproblem: Zum einen sind die Exportmärkte wegen Corona weggebrochen. 20 Prozent der Produktion ging bisher ins Ausland. Ausgerechnet das besonders vom Coronavirus heimgesuchte Italien ist mit fast 3,4 Millionen Hektolitern der wichtigste Auslandsmarkt, gefolgt von China. Zum anderen ist das Gastronomie-Geschäft in Deutschland weggefallen. Wegen der zu großen Ansteckungsgefahr sind Restaurants, Gaststätten, Kneipen, Discos und Biergärten geschlossen. Konzerte, Festivals und Volksfeste wie das Münchner Oktoberfest wurden abgesagt. Nicht einmal eine neue Bierkönigin wird es in diesem Jahr in Bayern geben. Der Bayerische Brauerbund hat die Wahl wegen der Pandemie gestrichen.
Auch die Party zum "Tag des Deutschen Bieres" mit hunderten Besuchern findet nicht statt. Der Ausschank von Freibier am Bierbrunnen in München, mit dem bayerische Brauer alljährlich den Erlass des Reinheitsgebotes durch die Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. am 23. April 1516 feiern, fällt aus - wegen Corona.
Nicht einmal der Ball rollt
Besonders hart für die Bierbranche ist die Zwangspause im deutschen Fußball. Im Umfeld von Bundesliga-Spielen und auch in unteren Ligen wird regelmäßig viel Bier getrunken. Hinzu kommt die um ein Jahr verschobene Fußball-Europameisterschaft. In der Vergangenheit brachte ein Turnier, bei der die deutsche Nationalmannschaft gut abschnitt, bis zu ein Prozent Plus für den deutschen Jahres-Bierabsatz.
Zudem befürchten Betriebe Ernteeinbußen beim Hopfen, einem wichtigen Bestandteil des Biers. Denn zahlreiche Saisonarbeiter aus dem Ausland dürfen nicht nach Deutschland einreisen.
Schon jetzt dramatische Absatzeinbußen
"Dramatisch" sei die Lage, klagt Hans-Peter Drexler, Braumeister und Technik-Geschäftsführer bei Schneider Weisse in Kelheim. Der Absatz sei um etwa 40 Prozent eingebrochen. "Was uns momentan massiv trifft, ist, dass die Gastronomie zu ist - und es keinerlei Perspektive gibt, wie lange das noch geht." Das gesamte Fassbiergeschäft sei weggebrochen. "Es ist gleich null", stöhnt Drexler.
Auch die Kölsch-Brauer haben nach dem hervorragenden Karnevalsgeschäft ihre typisch rheinische gute Laune verloren. Der Geschäftsführer des Kölner Brauerei-Verbands, Christian Kerner, spricht von 25 bis 30 Prozent Absatzrückgang pro Monat durch fehlende Gastronomie und Events. "Vor allem für Brauereien, die stark vom Fassbier-Absatz leben, kann es eng werden", befürchtet Kerner.
Nur in den Supermärkten läuft noch das Geschäft
Einzig der Bierabsatz im Einzelhandel floriert noch - wenn auch nicht ganz so stark wie andere Alkoholika. Von Ende Februar bis Ostern wurde laut dem Nürnberger Marktforschungsinstitut GfK 11,5 Prozent mehr Bier in Supermärkten verkauft. Gefragter waren hochprozentigere Getränke. Der Absatz von Wein stieg um 34 Prozent, Spirituosen wie Gin oder Korn verzeichneten einen Zuwachs von 31 Prozent.
Sollten nicht bald wieder Restaurants und Kneipen öffnen, droht ein großes Brauereisterben, prophezeien Experten. Schon jetzt rechnen knapp 90 Prozent der Brauereien mit Kurzarbeit, ein Fünftel der Betriebe erwägt Entlassungen.
Viele kleine Brauereien in Deutschland
Das Problem: Von den 1.548 registrierten Brauereien in Deutschland sind die meisten kleine oder mittelgroße Betriebe. Über 70 Prozent von ihnen produzieren weniger als 5.000 Hektoliter pro Jahr. Zwar entlasten Bund und Länder die Bier-Produzenten vorübergehend mit 650 Millionen Euro - dank der Stundung der Biersteuer. Aber auf Dauer wird dies die Brauereien auch nicht vor dem Aus retten.
Größere Unternehmen wie Krombacher, Veltins, Bitburger und Warsteiner oder multinationale Konzerne könnten die kleinen Regionalbrauer schlucken. Die deutsche Biervielfalt könnte dabei verloren gehen. Wer im Ausland oft unterwegs ist und nach guten Bieren sucht, weiß: In anderen Ländern beherrschen oft nur eine Hand voll Hersteller den Markt.
Durst auf Bier sinkt schon seit Jahren
Die Konsolidierung auf dem deutschen Biermarkt hat längst schon begonnen. Vor ein paar Jahren schluckte der weltgrößte Bierbrauer Anheuser-Busch die Bremer Traditionsmarke Beck's, die niederrheinische Alt-Marke Diebels, die Hasseröder Brauerei aus Wernigerode und die Spaten-Löwenbräu-Gruppe. Die Nummer zwei der Branche, Heineken, hält 30 Prozent Anteile an der Paulaner-Gruppe. Und der weltweit viertgrößte Bier-Riese, der dänische Carlsberg-Konzern besitzt die deutschen Marken Holsten, Astra und Hannen Alt.
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Dass das Bier hierzulande knapp wird wegen Kohlensäuremangel wie in den USA, ist nicht zu befürchten. Denn auch die Corona-Krise kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Deutschen immer weniger Durst auf ihr Nationalgetränk haben. Seit Jahren schrumpft der Bierabsatz hierzulande. 2019 trank jeder Bundesbürger erstmals seit langem weniger als 100 Liter Bier. Vor 25 Jahren waren es noch 136 Liter pro Kopf gewesen. Hauptgrund ist das veränderte Konsumverhalten. Immer mehr Menschen achten beim Trinken auf die Gesundheit. An diesem Trend können auch alkoholfreie Biere oder niedrigprozentige Biermischgetränke nicht viel ändern. Prost Gesundheit!