Wachsende Risiken Droht der Winter-Blackout?
Züge bleiben stehen, Aufzüge stecken fest, Lichter gehen überall aus. Was im Thriller "Blackout" passiert, könnte Realität werden, warnen einige Experten: ein massiver Ausfall der Stromversorgung.
Plötzlich war alles dunkel: Mitte September fiel in 300.000 Haushalten in Dresden zeitweise der Strom aus. In der Chipfabrik von Infineon musste die Produktion gestoppt werden. Die Schäden lagen im Millionenbereich. Schuld am Stromausfall war ein Folienballon, der einen Kurzschluss in einem Umspannwerk auslöste.
Kurze Zeit später gingen auch in Teilen von Wiesbaden die Lichter aus. 20.000 Einwohner waren Mitte September zeitweise ohne Strom - wegen eines Kabelfehlers.
Ob Dresden oder Wiesbaden: Es hat den Anschein, dass sich kleine Blackouts in deutschen Städten häufen. Noch sind die Stromausfälle regional begrenzt. Doch Experten warnen, dass es bald einmal zu einem massiven Stromausfall in ganz Deutschland kommen könnte. Die Frage sei nicht, ob, sondern wann ein großer Blackout wie einst in New York 2003 komme, sagt Buchautor und Medienwissenschaftler Denis Newiak von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, der in Kürze ein Buch zum "Blackout" veröffentlichen wird.
Am 14. August 2003 kam es in New York zu einem massiven Stromausfall.
Goldman Sachs prophezeit Blackouts in Europa
Die niedrigen Erdgasreserven, die Abschaltung von immer mehr Atomkraft- und Kohlekraftwerken sowie der schwankende Wind haben das Risiko eines größeren Stromausfalls verstärkt. Wenn dann auch noch der kommende Winter richtig kalt werden würde, drohen Millionen Bürgern in Europa Blackouts, prophezeiten jüngst die Analysten der Investmentbank Goldman Sachs in einer Studie.
In Großbritannien ist die Gefahr besonders groß. Wegen der Gaskrise brachen in den letzten Wochen mehrere Versorger zusammen. Die Insel ist stark auf Gas angewiesen und muss wohl noch mehr importieren, nachdem wegen eines Kabelbrands in einer Netzanlage ein Verbindungskabel abgeschaltet werden musste, über das französischer Atomstrom auf die Insel kam.
Feste Ladezeiten für E-Autos in Großbritannien?
Um Blackouts zu vermeiden, hat die britische Regierung mögliche Beschränkungen der Stromzufuhr für E-Autos angekündigt. Nach den Plänen von Verkehrsminister Grant Shapps sollen private Haushalte ab Ende Mai 2022 nur noch "intelligente" Ladestationen installieren dürfen. Diese Anlagen könnten dann zwischen 8 und 11 Uhr sowie zwischen 16 und 20 Uhr die Ladefunktion einschränken - um eine Überlastung der Stromnetze zu verhindern.
In Deutschland werden zwar mehr E-Autos als in Großbritannien verkauft, aber der Boom der Stromer hat bisher noch nicht das Stromnetz belastet. Allerdings warnt die Bundesnetzagentur vor Überlastungen des lokalen Verteilernetzes, wenn viele Fahrzeuge insbesondere in den Abendstunden gleichzeitig geladen werden.
Als Schreckensszenario gilt hierzulande eher die "Dunkel-Flaute". Längere Zeiträume, in denen kein Wind weht und auch keine Sonne scheint, könnten zu einem Ungleichgewicht im Stromnetz und somit zu Ausfällen führen. Denn wird nicht genau so viel elektrische Energie in ein Stromnetzwerk eingespeist wie verbraucht wird, können Probleme entstehen.
Warnung vor Panikmache
Wie schnell es zu einem Blackout kommen kann, zeigt der Thriller "Blackout", einer Verfilmung des gleichnamigen Romans, die seit Mitte Oktober auf dem Steamingdienst Joyn läuft. Darin attackieren Terroristen das Stromnetz und bringen es zum Zusammenbruch. Die Verbindung zwischen mehreren Faktoren wie die massive Umstellung auf erneuerbare Energien, die Corona-Pandemie und mögliche Hacker-Angriffe könnten durchaus auch in der Realität zu einem Blackout führen, warnt Buchautor Newiak.
Einige Experten halten die "Blackout"-Warnungen für Panikmache. Umweltökonom Andreas Löschel sieht in naher Zukunft keine Gefahr. In den nächsten fünf Jahren seien großflächige Stromausfälle eher unwahrscheinlich, meint er. Niedrige Gasspeicher in Kombination mit niedrigen Gaslieferungen seien zwar durchaus ein Risiko, räumt Löschel gegenüber tagesschau.de ein. Bei einem strengen Winter könnte es beispielsweise im Bereich des Lastmanagements zu Maßnahmen kommen. "Blackouts erwarte ich trotzdem nicht", sagt er.
Stromnetz stabiler
Tatsächlich ist das Stromnetz stabiler als gedacht. In den vergangenen Jahren gab es sogar weniger Stromausfälle. Die durchschnittliche Unterbrechungsdauer sank von 15,14 Minuten 2017 auf 10,73 Minuten im vergangenen Jahr, heißt es in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Langfristig befürchten manche Experten aber durchaus einen größeren Stromausfall, wenn die Energiewende kommt. "Mit dem heutigen Übertragungsnetz steigt das Risiko für einen Blackout beträchtlich", sagt Dirk Witthaut vom Institut für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich. "Insbesondere rund um die Nordsee wird es eng, wenn Onshore- und Offshore-Windkraft deutlich ausgebaut werden." Schon jetzt käme es an einigen Stellen im Übertragungsnetz zu Engpässen - wegen der wachsenden Distanz zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Eine gewaltige Menge Windstrom werde in und um die Nordsee erzeugt und müsse in den deutschen Westen und Süden übertragen werden. Als wichtigste Maßnahme zur Vermeidung eines Blackouts empfiehlt er den raschen Netzausbau.