BGH-Entscheidung Alexander Falk kommt wieder in Haft
Der Fall Alexander Falk enthält alle Zutaten eines Hollywood-Thrillers: Eitelkeit, Gier, Erpressung, Rache, Aufstieg und tiefer Fall. Nun hat der Bundesgerichtshof die Haftstrafe für Falk bestätigt.
8. Februar 2010 im beschaulichen Frankfurter Stadtteil Harheim: Der Frankfurter Anwalt Wolfgang J. verlässt sein Haus. Ein Unbekannter nähert sich, zieht eine Waffe und schießt ihm aus fünf Meter Entfernung ins Bein. Bis heute ist unklar, wer der Täter ist. Wolfgang J. ging seit 2003 gegen den einstigen Star der "New Economy", Alexander Falk, rechtlich vor - er treibt Arrestpfändung und -vollstreckung in Millionenhöhe voran.
Zehn Jahre später, am 9. Juli 2020, verurteilt das Frankfurter Landgericht Alexander Falk wegen der Anstiftung zu dieser gefährlichen Körperverletzung zu viereinhalb Jahren Haft. Seine Verteidigung legt Revision ein. Doch heute hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden: Das Urteil aus der vorherigen Instanz ist rechtskräftig.
Bis zum Urteil des Landgerichts hatte Falk bereits 22 Monate in Untersuchungshaft gesessen. Diese Zeit wird auf die verhängte Haftstrafe angerechnet. Eine Aussetzung der restlichen Haft zur Bewährung ist normalerweise erst möglich, wenn zwei Drittel der Strafe abgesessen sind. Falk muss nun wahrscheinlich in vier bis acht Wochen die restliche Haftstrafe antreten.
Einstiges Wunderkind der "New Economy"
Die Entscheidung des BGH ist ein weiteres Kapitel im komplizierten Fall Alexander Falk. Dabei fing alles vielversprechend an: Zu Beginn seiner Karriere galt Falk als "New-Economy"-Wunderkind. Der 26-jährige Erbe der Falk-Faltpläne erkennt, dass Stadtpläne auf Papier keine Zukunft mehr haben, und er setzt Ende der 1990er-Jahre früh - vielleicht zu früh - auf das Internet. Er beschließt gemeinsam mit seiner Schwester im Jahr 1996, die geerbten Anteile an den Falk-Plänen für 50 Millionen DM an die Bertelsmann AG zu verkaufen.
Seinen Anteil investiert er in neue Internetunternehmen - und hat Erfolg. Mit Anfang 30 hat Falk sein geerbtes Vermögen vervielfacht. Im Jahr 2000 verkauft er seinen Mehrheitsanteil an seiner Ision Internet AG für knapp 800 Millionen Euro an das britische Telekommunikationsunternehmen Energis. Damals gehört er zu den 100 reichsten Deutschen.
Falk und die Bilanzfälschung
Als die Börsen nach dem Platzen der Dotcom-Blase abstürzen, schlittern auch Ision und Energis in die Pleite - der hohe Kaufpreis wird den Briten zum Verhängnis. Schnell kommt der Verdacht auf, dass Falk mit Scheingeschäften den Umsatz der Ision aufgepumpt haben könnte, um einen überhöhten Preis fordern zu können. Er wird wegen Bilanzfälschung angezeigt.
Im Juni 2003 stellt die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl wegen Verdachts der Kursmanipulation und des Betrugs gegen Falk aus, er bleibt bis April 2005 in U-Haft und kommt erst dann gegen Zahlung einer Kaution von 1,5 Millionen Euro vorläufig auf freien Fuß. Nach dreieinhalb Jahren verurteilt ihn das Gericht im Mai 2008 unter anderem wegen versuchten Betrugs und Beihilfe zur Bilanzfälschung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftstrafe wird Falk im August 2011 aus der Justizvollzugsanstalt Glasmoor entlassen.
Nach 32 Monaten Haft ist er nun zwar zunächst wieder ein freier Mann, aber bereits im September 2012 wird Falk in erster Instanz eines Zivilprozesses zur Zahlung von über 200 Millionen Euro Schadensersatz an die Insolvenzverwaltung von Energis verurteilt. Man einigt sich in einem Vergleich auf eine niedrigere Summe. Involviert in diesen Zivilprozess und die Schadensersatzforderungen ist zumindest am Anfang Wolfgang J. - jener Anwalt, dem später ins Bein geschossen werden wird.
Bekanntschaft mit der Unterwelt
Hier könnte die Geschichte enden, aber der nächste Akt des Dramas um den Stadtplanerben hat zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen. Denn Falk macht beim Kampfsporttraining im Gefängnis Bekanntschaft mit der Unterwelt. Er trifft auf B., der gemeinsam mit seinem Bruder Verbindungen ins Rotlicht- und Boxermilieu hat. Mit den Brüdern B. geht Falk einen Deal ein: Getrieben davon zu beweisen, dass er unschuldig verurteilt wurde, sollen die beiden Brüder Beweise besorgen, die Falks Unschuld belegen; im Gegenzug hilft Falk ihnen bei einer geplanten Unternehmensgründung. Die Brüder werden sich später als Putzhilfen getarnt Zutritt zum Büro des gegen Falk ermittelnden Rechtsanwaltes Wolfgang J. verschaffen. Entlastende Beweise finden die Brüder dort allerdings nicht.
Dann wird es einige Jahre still um Alexander Falk. 2017 meldet sich dann der Kronzeuge E. und bringt die Arbeit der Polizei wieder ins Laufen. E. sagt aus, Falk habe im September 2009 in einem Hamburger Steakhaus einen Mordauftrag gegen Wolfgang J. erteilt und 200.000 Euro dafür versprochen.
Dubioses Steakhaus-Treffen
Bei dem Treffen in Hamburg soll sich Falk mit einem der Brüder B. über den Frankfurter Anwalt Wolfgang J. echauffiert haben - die "Anwaltsbazille" solle zum Schweigen gebracht werden. Zudem soll Falk eine halsabschneidende Geste gemacht und einen Umschlag mit 50.000 Euro als Vorauszahlung über den Tisch geschoben haben. Kronzeuge E. behauptet, er sei dabei gewesen.
Später wird sich herausstellen, dass der Zeuge dadurch an eine Belohnung von 100.000 Euro, die die Gegenseite ausgelobt hatte, gelangt ist. Ein weiterer Zeuge, der die Aussagen des Kronzeugen bestätigt, wird seine Aussage später wieder zurückziehen - er sei unter Druck gesetzt worden.
"Herrn Falk geschieht Unrecht“
Für Falks Hauptverteidiger Gercke steht fest, dass Kriminelle im Gefängnis den Unternehmer Falk als "goldene Kuh gesehen haben, die man melken kann". Er ist sich sicher, dass die manipulierten Beweise nur dem Zweck der Erpressung dienen sollten. Dass Falk an entlastende Daten kommen wollte, daran bestehe kein Zweifel. Dass man Falk gesagt habe, dass diese Daten auf legalem Weg nicht zu bekommen seien, ebenfalls.
Im Raum steht, dass Falk bis zu fünf Millionen Euro für entlastende Daten geboten haben soll - sein Anwalt Gercke streitet das nicht ab. Gercke sprach in seinem Plädoyer In Frankfurt von einer noch nie dagewesenen "geldgetriebenen Falschaussage". Falk hat stets seine Unschuld beteuert.
Zerbissener USB-Stick und verdächtige "Oma-SMS"
Deshalb kämpfte Falk auch offensiv gegen die Widrigkeiten der Justiz, die sich aus seiner Sicht darstellen. Ein Zeuge, der bei einer Verhandlung einen USB-Stick mit Beweisen für Falks Unschuld präsentieren will und dafür fürstlich entlohnt werden wollte, zerbeißt den Stick, als die Polizei das Beweismittel sichern will. Die Präsentation von Entlastungsmaterial scheitert, weil in den Räumen des Frankfurter Gerichts kein Beamer zur Verfügung steht. Mehrere Befangenheitsanträge der Verteidigung gegen den Vorsitzenden Richter bleiben erfolglos. Auch ein Tonband, auf dem zu hören sein soll, wie sich Alexander Falk über die Nachricht vom Attentat freut, verliert an Aussagekraft, nachdem ein Gutachten des Fraunhofer-Instituts zu dem Schluss kommt, dass der Mitschnitt bis zu 55 Mal bearbeitet wurde.
Und dann ist da noch die SMS über Oma: "Alles in Ordnung, wenn was nötig ist, besorge ich. Wir fahren morgen nach Hamburg, haben die nötigen Papiere, um ihrer Oma ihren Kuraufenthalt zu ermöglichen. Sonntag sind wir wieder hier und bleiben so lange, bis es geklärt ist. Mach dir keine Gedanken. Sie wird ihren verdienten Kuraufenthalt bekommen" - diese SMS, fünf Tage vor der Tat in Frankfurt Harheim verschickt, erreicht Falk beim Paddeln mit seiner Frau in Südafrika. Falk jedoch hat keine Oma, ebensowenig die beiden Brüder aus der Gefängnis-Verbindung.
Für die Anklage war klar, dass es sich hierbei um verschlüsselte Informationen zum bevorstehenden Anschlag auf den Anwalt handelt. Gercke sagt dazu: Ein kluger Mann wie Falk "hätte doch sofort das Handy im Ozean versenkt". Geantwortet hat Falk auf diese SMS nie. Allerdings stellt sich später heraus, dass die Nummer zu Falks Gefängnis-Verbindungen passt.
Der Fall sei in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich und "von einer hohen Emotionalität geprägt" gewesen, sagt Falks Anwalt Björn Gercke. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Revision durchgeht, hatte er vor dem BGH-Urteil "bei unter fünf Prozent" gesehen. Nun ist klar: Einer der spektakulärsten Wirtschaftskriminalfälle der Nachkriegszeit endet mit einer fortgesetzten Haftstrafe für Alexander Falk.