Reaktionen auf Berlusconis Rückkehr-Plan "Jetzt reicht es. Seine Zeit ist zu Ende."
Diesmal scheinen sich die Italiener einig zu sein. Über Berlusconis Plan, auf die politische Bühne zurückkehren zu wollen, zeigen sich die meisten entsetzt. Zusätzlich sorgte der angekündigte Rückzug von Premier Monti für heftige Reaktionen, vor allem auf den Finanzmärkten.
Von Stefan Troendle, ARD-Hörfunkstudio Rom
Die Antwort auf die Regierungskrise in Italien kam wie erwartet: Die Mailänder Börse eröffnete mit starken Verlusten und lag gegen Mittag bei etwa minus drei Prozent. Verantwortlich dafür waren vor allem italienische Bank-Titel, die bis zu sechs Prozent verloren. Der sogenannte Spread - der Zinsabstand zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen, welche als Referenzwert gelten - legte dafür stark zu.
Die Finanzmärkte reagierten also eindeutig auf den angekündigten Rücktritt von Ministerpräsident Mario Monti - vor allem aber auf die erneute Kandidatur des ehemaligen Skandal-Premiers Silvio Berlusconi.
Ebenso eindeutig und geschockt reagieren die Italiener: "Es ist ein Desaster, eine Katastrophe für alle. Der Cavaliere tut schlecht daran, noch einmal zu kandidieren. Er hat nur Probleme hinterlassen, jetzt reicht es. Seine Zeit ist zu Ende", sagte eine Frau. Ein Mann meinte: "Er hat uns schon einmal geschadet, wer weiß, ob er uns noch ein zweites Mal Schlechtes tun sollte." Und ein weiterer Passant gibt zu bedenken: "Hoffentlich schafft er es nicht. Na ja, im Grunde sind ja alle gleich. Wir sind es doch, die draufzahlen, wir Bürger. Dieses Mal müssten aber wirklich alle verstanden haben, was da passiert ist in der Regierung Berlusconi. Hoffen wir also, dass die Regierung diesmal einer vernünftigen Person übertragen wird."
So die Aussagen bei einer Straßenumfrage in Rom. Auffällig jedoch: Unter den insgesamt zehn zufällig Befragten war nicht einer, der sich für Berlusconi ausgesprochen oder seine erneute Kandidatur begrüßt hätte. Das Stimmungsbild bestätigt eine Umfrage der Zeitung "La Nazione", der zufolge 81 Prozent der Italiener eine erneute Berlusconi-Kandidatur ablehnen.
Kritik von früheren Verbündeten
Auch in Berlusconis eigener Partei gibt es Widerstand: Ex-Jugendministerin Giorgia Meloni zum Beispiel hat Berlusconis Entscheidung offen kritisiert. Die PdL dümpelt derzeit als drittstärkste Kraft bei etwa 14 Prozent herum - hinter der Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo und dem bei etwa 34 Prozent liegenden Mitte-Links-Bündnis. Das dürfte - nach aktuellem Stand - wohl die Wahlen gewinnen.
Berlusconis Populismus-Maschine auf vollen Touren
Nicht zu unterschätzen ist allerdings Berlusconis Medienmacht. Nur etwa zehn bis 20 Prozent der Italiener lesen eine Tageszeitung. Der große Rest informiert sich übers meist Berlusconi-nahe oder eigene Fernsehen. Und Berlusconis Populismus-Maschine läuft bereits wieder auf vollen Touren.
Sein Intim-Feind, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, hatte italienischen Zeitungen zufolge gesagt, Berlusconis angekündigte Rückkehr sei eine Bedrohung für Italien und Europa.
Die Antwort kam postwendend per Interview, natürlich in einem von Berlusconis eigenen Fernsehkanälen: "Es ist absurd und inakzeptabel, dass der Präsident des Europaparlaments Meinungen über die italienische Politik zum Ausdruck bringen darf. Außerdem ist Herr Schulz schlecht informiert, weil es in Italien niemanden gibt, der ein größerer Europäer als Herr Berlusconi ist. Und wenn doch, dann sollen sie ihn bitte suchen und mir zeigen."
Die Frage ist nur, inwieweit die Italiener derartige Aussagen ernst nehmen, wenn sie auf Dauer damit bombardiert werden. Trotzdem: Dass Berlusconi erneut an die Macht kommt, erscheint derzeit als eher unwahrscheinlich. Dass er es schafft, durch Versprechungen wie Steuersenkungen Stimmen zu sammeln, um anschließend Blockadepolitik zu betreiben, ist aber schon eher möglich.
Heißt Berlusconis Ziel Immunität?
Ilda Boccassini, Staatsanwältin im Ruby-Bunga-Bunga-Sex-Prozess um Amtsmissbrauch und die Förderung der Prostitution Minderjähriger, sagte, Berlusconi betreibe die Strategie, den Prozess bis zur Wahl hinauszuzögern. Denn auch dort droht ihm eine Verurteilung; in einem anderen Verfahren ist er bereits in erster Instanz verurteilt worden.
Und um Berlusconis Prozesse geht es letztendlich, davon ist zumindest dieser römische Taxifahrer überzeugt: "Er hat das gemacht, weil Gesetze verabschiedet werden sollten, die ihm weh getan hätten. Zum Beispiel dass keiner kandidieren darf, der verurteilt worden ist, das Wahlgesetz, dass er nicht ändern wollte. Berlusconi hat - wie gewöhnlich - nur in seinem Interesse gehandelt. Wenn die Italiener Berlusconi jetzt nochmal wählen, dann dürfen sie sich nicht mehr beklagen, weil jedes Volk die Regierung verdient, die es sich wählt. Und ich sage dazu, dass ich ihn 2008 gewählt habe. Das muss man sich mal vorstellen, ich habe den gewählt."