Eilantrag vor Gericht Bahn will 50-Stunden-Streik juristisch stoppen
Sonntagabend soll es losgehen: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft hat zum Warnstreik aufgerufen. Die Bahn hat nun einen Eilantrag gestellt, um den Ausstand noch zu verhindern. Darüber verhandelt jetzt das Arbeitsgericht in Frankfurt.
Die Deutsche Bahn hat beim Arbeitsgericht Frankfurt einen Eilantrag eingereicht, um den Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) doch noch zu stoppen. Dieser Schritt sei im Interesse der Kundinnen und Kunden jetzt geboten, teilte der Staatskonzern mit.
Der Eilantrag sei eingegangen, bestätigte das Gericht. Die Verhandlung beginne um zwölf Uhr.
Bahn hält Warnstreik für unverhältnismäßig
Nach Ansicht der Bahn hat sie mit ihrem Angebot einer Lohnerhöhung von zehn Prozent die zentrale Vorbedingung der EVG erfüllt und sich auf die Gewerkschaft zubewegt. Trotzdem wolle die EVG ab Sonntagabend 50 Stunden lang streiken. "Das ist unverhältnismäßig und schädigt Kunden sowie unbeteiligte Dritte", so der Konzern.
Die Gewerkschaft hat einen bundesweiten Streik bei der Deutschen Bahn und fast allen Konkurrenzbahnen angekündigt. Er soll ab Sonntag 22:00 Uhr bis Dienstagnacht 24:00 Uhr praktisch den gesamten Verkehr bundesweit lahmlegen. Ein Ultimatum der EVG ließ das Unternehmen ohne ein weiteres Angebot am Freitagmittag verstreichen.
Ausfälle bereits Sonntagnachmittag
Vorboten des Streiks werden schon früher zu spüren sein: Die Bahn hat bereits einige Verbindungen am Sonntagnachmittag gestrichen.
Der Konzern kündigte an, Züge im Fern- und Regionalverkehr aus dem Fahrplan zu nehmen, die erst nach 22:00 Uhr an ihrem Ziel ankommen würden. Wegen des Streikbeginns am späten Abend könnte es ansonsten passieren, dass diese ungeplant stehen bleiben müssten.
Bahn will mehr als doppelt so lange Laufzeit
Das Angebot des Staatskonzerns umfasst insgesamt rund zehn Prozent mehr Lohn für untere und mittlere Einkommen, acht Prozent mehr Geld für höhere Einkommen sowie zusätzlich 2850 Euro Inflationsausgleichsprämie für alle. Bei der Laufzeit hat der Konzern völlig andere Vorstellungen als die EVG: Die Deutsche Bahn peilt eine mehr als doppelt so lange Laufzeit von 27 Monaten an.
Erst im März 2024 soll demnach die erste Stufe der Lohnerhöhungen in den Tabellen greifen. Bis dahin soll über mehrere Monate der angebotene Inflationsausgleich ausgezahlt werden. Zuletzt kam die Bahn der EVG zwar bei der Verankerung des Mindestlohns in den Tariftabellen entgegen, das reicht der Gewerkschaft aber nicht.
Streikforscher: Ausstand ist verhältnismäßig
Nach Einschätzung des Streikforschers Alexander Gallas wäre der geplante 50-stündige Ausstand der Eisenbahn-Gewerkschaft EVG der längste Warnstreik bei der Bahn seit ihrer Reform 1994. In anderen Branchen seien Warnstreiks von ein bis zwei Tagen aber durchaus üblich, sagt Gallas, Wissenschaftler an der Universität Kassel. "50 Stunden sind ein kurzer und klar umrissener Zeitraum. Aber die Auswirkungen sind für die Bevölkerung sehr spürbar. Darum wirkt das lang."
Den angekündigten Warnstreik der EVG hält Gallas im Vergleich mit anderen Branchen für verhältnismäßig. Er vermutet jedoch mehr Hintergründe als zum Beispiel den Wunsch nach einem Inflationsausgleich und Anerkennung für die Arbeit. Die Konkurrenz zur Lokführergewerkschaft GDL spiele auch eine Rolle, erläutert der Streikforscher.
Rivalität zwischen EVG und GDL
Denn die EVG, die 2010 aus dem Zusammenschluss der Bahn-Gewerkschaften GDBA und Transnet entstand, sei lange für eine enge Zusammenarbeit mit dem Bahn-Management bekannt gewesen. Das wiederum habe den Aufstieg der GDL befördert, die das Streikmittel erfolgreich für sich entdeckte, sagt Gallas. Dass es überhaupt zum Tragen kommen könne, hat für ihn vor allem mit den Umstrukturierungen seit der Bahnreform im Jahr 1994 zu tun.
Der Anteil der Beamten im Unternehmen sei schrittweise in großem Stil abgebaut worden - von rund 116.800 Stellen im Jahr 1994 auf rund 14.700 im Jahr 2021. Beamte dürfen nicht streiken - Angestellte schon. "Das selbstbewusste Auftreten der GDL hat die EVG unter Zugzwang gesetzt", sagt Gallas.