Energiekonzerne wollen Verfassungsbeschwerde einlegen Schadensersatz für Atomausstieg?
Große deutsche Energieversorger wollen beim Bund eine zweistellige Milliardensumme als Entschädigung für den Atomausstieg einklagen. Allein E.ON beziffert seinen Schaden durch die Energiewende auf mindestens acht Milliarden Euro und will Verfassungsbeschwerde einlegen. Andere Konzerne wollen sich anschließen.
Große deutsche Energiekonzerne wollen beim Bund eine zweistellige Milliardensumme als Schadensersatz für den Atomausstieg einklagen. Allein E.ON beziffert den Schaden durch die Energiewende auf mindestens acht Milliarden Euro. Aus Konzernkreisen von RWE verlautete, der Versorger sehe einen Schaden in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro. "Wir gehen davon aus, dass unsere Verfassungsbeschwerde Erfolg haben wird", sagte ein E.ON-Sprecher und bestätigte mit der Summe einen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Demnach belaufen sich die Forderungen der Stromerzeuger auf insgesamt 15 Milliarden Euro. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wolle noch in dieser Woche die Beschwerde von E.ON an die Bundesregierung, den Bundestag sowie an 63 weitere Institutionen zur Stellungnahme verschicken - vom Bundesverband der Deutschen Industrie bis hin zur Umweltschutzorganisation Greenpeace.
Andere Konzerne schließen sich offenbar an
Nach Ansicht von Beobachtern zeige die hohe Zahl der Adressaten, wie ernst das Gericht die Verfassungsbeschwerden nehme, heißt es in dem Bericht. Bevor die Zivilgerichte den Betreibern Schadensersatz zusprechen, müssten die Karlsruher Richter zunächst einen Verstoß gegen das Grundgesetz feststellen. Auch die Verfassungsbeschwerde des Energieversorgers RWE solle noch im Juni demselben großen Kreis von Betroffenen zugestellt werden. Das Unternehmen EnBW prüft nach Aussage eines Sprechers eine Schadensersatzforderung - zur Höhe wollte er sich nicht äußern.
Der Stromkonzern Vattenfall will sich laut "FAZ" dem Vorgehen von E.ON und RWE anschließen. Es ist aber unklar, wie hoch Vattenfall seinen Schaden durch die Abschaltung der Meiler Krümmel und Brunsbüttel beziffert. Bislang war nur bekannt, dass das schwedische Staatsunternehmen die Bundesrepublik vor dem Schiedsgericht der Weltbank verklagen will, weil es Regeln zum Schutz von Investitionen verletzt sieht.
Die Bundesregierung sieht einer möglichen Klageerhebung nach Aussage eines Sprechers gelassen entgegen. Die Regierung habe keinerlei Zweifel, dass das Atomgesetz verfassungsgemäß sei. Atomkraftgegner kritisierten die Ankündigung der Schadensersatzklagen - sie seien "an Dreistigkeit nicht zu überbieten", sagte ein Sprecher der Organisation "Ausgestrahlt". Schädlich sei nicht die Stillegung von Reaktoren, sondern der Betrieb von Atomkraftwerken.
Über konkrete Schäden müsste Zivilgericht entscheiden
Neben Schadensersatz für den Wertverlust der Anlagen fordern die deutschen Atomkraftwerks-Betreiber auch eine Entschädigung für noch getätigte Investitionen, die nicht mehr zum Tragen kämen. Das Bundesverfassungsgericht muss prüfen, ob die Novelle des Atomgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Über den Schadensersatz selbst entscheidet es nicht. Diesen müssten die Versorger dann gegebenenfalls vor einem anderen Gericht durchsetzen.
Die Regierung hatte nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 in einer überraschenden Kehrtwende acht der deutschen Kernkraftwerke sofort abgeschaltet und die Laufzeiten der verbleibenden neun Anlagen deutlich verkürzt.