Infomaterial der Zentralen Servicestelle Berufsanerkennung
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Einwanderung von Fachkräften Langwierig, kompliziert und voller Hürden

Stand: 21.05.2023 08:12 Uhr

Es gibt nicht genug Nachwuchs, klagen viele Branchen in Deutschland. Sie hoffen auf Arbeitskräfte aus dem Ausland. Doch das Bewerbungsverfahren für eine Arbeitserlaubnis ist langwierig und kompliziert.

Von Thomas Denzel und Lukas Föhr, SWR

In Europa war er längst, doch für einen Job in Deutschland musste Madhusudhanan Manavalan erst zurück in sein Heimatland Indien und dort monatelang auf die Arbeitserlaubnis warten. In Polen arbeitete der ausgebildete Hotelfachmann bereits in der Gastronomie. Bei einer Veranstaltung dort begegnete er Kristin Vogel, die als Personalchefin des Mariott Hotels im deutschen Sindelfingen dringend Arbeitskräfte suchte und ihm eine Stelle anbot. "Sie hatten sich für mich entschieden, da dachte ich, der Rest ist einfach", erzählt der 35-Jährige.

Dann aber habe er erfahren, dass er das Visum nicht bei der Deutschen Botschaft in Warschau beantragen kann, sondern nur bei der deutschen Vertretung in seinem Heimatland. Er reiste zurück, in der Hoffnung auf eine schnelle Entscheidung. Tatsächlich dauerte es sechs Monate, bis er einen Bescheid bekam. "Ich wollte immer mal nach Deutschland", sagt Manavalan. "Aber irgendwann habe ich mich gefragt: 'Warum mache ich das alles mit?'" Als er gerade beschlossen hatte, einfach wieder nach Polen zu gehen, kam das grüne Licht aus Deutschland.

Kaum noch Bewerbungen aus der Region

Kristin Vogel ist froh, dass es am Ende geklappt hat. Aus der Region rund um Sindelfingen bekomme sie kaum noch Bewerbungen. Und das fehlende Personal mache sich bereits im laufenden Betrieb bemerkbar. "Dann sind an der Rezeption mal nur zwei statt drei Mitarbeiter", berichtet sie. "Und es kommt zu Wartezeiten im Restaurant, weil die Küche nicht voll besetzt ist und so die Essen nicht schnell genug zubereitet werden können."

Gerne würde das Hotel deshalb mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland einstellen. Doch die bürokratischen Hürden seien auch in anderen Fällen oft hoch. "Wir sehen, da kommt eine tolle Bewerbung, wo wir schon wissen, das mit der Arbeitserlaubnis wird nicht klappen", sagt die Personalchefin. "Dann sagen wir auch ganz klar, den Weg versuchen wir gar nicht erst zu beschreiten."

Agenturen werben Arbeitskräfte im Ausland an

Manche Arbeitgeber setzen deshalb auf die Unterstützung durch Personal-Agenturen, die sich auf die Vermittlung ausländischer Fachkräfte spezialisiert haben. Die Agentur "Talent Orange" in Frankfurt am Main zum Beispiel wirbt im Ausland Erzieherinnen und Erzieher, Pflegekräfte und medizinische Assistentinnen und Assistenten an. Lateinamerika, Asien und Afrika sind die bevorzugten Regionen.

Vermittelt durch die Agentur kam Fernando Rico Clavijo vergangenen November von Kolumbien nach Karlsruhe, wo er nun beim städtischen Klinikum als Krankenpfleger arbeitet. Doch leicht war der Wechsel für ihn nicht. In Kolumbien werden Pflegekräfte zwar sogar für mehr medizinische Tätigkeiten ausgebildet und eingesetzt als in Deutschland. Dennoch muss Clavijo durch einen Anerkennungsprozess, an dessen Ende eine Kenntnisprüfung auf deutsch steht. "Die Regelungen sind ein bisschen kompliziert, und die Ausländerbehörde ist sehr langsam", sagt er.

Briefpost statt digitaler Bewerbung

Clavijo allerdings hat dabei Unterstützung von "Talent Orange" bekommen. Sprachkurs, Visumsantrag, Kommunikation mit den deutschen Behörden: All das hat die Agentur für ihn organisiert. "Wir haben es mit insgesamt vier Behörden zu tun", erklärt Uta Rasche von "Talent Orange". "Mit dem lokalen Regierungspräsidium, mit der Bundesagentur für Arbeit, mit der deutschen Botschaft im Herkunftsland und mit der Ausländerbehörde am künftigen Wohnort."

Viele Behörden seien personell unterbesetzt. Beim Nachweis der Ausbildung würden meist individuell einzelne Teilzeugnisse verlangt, statt Studiengänge generell zu überprüfen und dann pauschal anzuerkennen. Von Original-Dokumenten würden oft Kopien auf dem Postweg verlangt. All das ziehe den Prozess in die Länge und schrecke ab. Wünschenswert sei stattdessen ein gestrafftes volldigitales Verfahren.

Deutschland steht in harter internationaler Konkurrenz

"Die USA zum Beispiel kriegen das sehr viel besser hin als wir", gibt Rasche zu bedenken. "Wir stehen in harter Konkurrenz, und wir können uns nicht darauf verlassen, dass es immer genug Menschen geben wird, die das alles auf sich nehmen, um zu uns zu kommen." Die Bürokratie sei nur einer von vielen Wettbewerbsnachteilen. Dazu käme vor allem die Sprachhürde. Deutsch sei eine vergleichsweise schwierige Sprache. Englischsprachige Länder seien schon deshalb im Vorteil, weil Englisch meist in der Schule gelehrt wird. Was Deutschland attraktiv mache, seien andere Aspekte. "Deutschland gilt als wirtschaftlich stabil, wir punkten mit einer stabilen Demokratie und der Gleichberechtigung von Mann und Frau, wir haben Sicherheit auf den Straßen", erklärt Rasche.

Die Schwierigkeiten beim bürokratischen Prozess versucht die Agentur mit ihrem Service auszugleichen. Sie betreibt einen eigenen Ausbildungs-Campus in Deutschland, der auch Wohnraum zur Verfügung stellt. In den vergangenen zehn Jahren hat das Unternehmen nach eigenen Angaben über 1700 Arbeitskräfte nach Deutschland geholt. Die künftigen Arbeitgeber bezahlen dafür rund 9000 Euro Vermittlungsgebühr pro Arbeitskraft - dazu noch die Kosten für Visum und Sprachkurs.

Bundesregierung will nachbessern

Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und will das Anwerben von ausländischen Arbeitskräften nun erleichtern. Seit Ende April befasst sich der Bundestag mit dem Gesetzentwurf. In manchen Berufsfeldern gelten Mindestgehälter, die ausländische Bewerber verdienen müssen, um eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Diese Schwellen sollen deutlich abgesenkt werden. Auch der Arbeitgeberwechsel innerhalb der EU soll vereinfacht werden. Ob die Einreise für ein Probearbeiten erlaubt wird, soll künftig mit einem Punktesystem beurteilt werden. Sprachkenntnisse, Berufserfahrung und Deutschlandbezug sollen dabei eine Rolle spielen.

Mehr Vertrauen in die deutschen Arbeitgeber?

Solch ein Punktesystem könnte den Behörden am Ende noch mehr Arbeit machen, warnt Uta Rasche. "Wir würden uns wünschen, dass die Behörden den Arbeitgebern mehr vertrauen, die richtigen Leute zu finden und gegebenenfalls die nötigen Fortbildungen zu organisieren."

Krankenpfleger Fernando Rico Clavijo jedenfalls ist glücklich in Deutschland angekommen zu sein - im Land Ludwig van Beethovens. Er liebt die Musik des Komponisten. Einer der Gründe, warum er ausgerechnet nach Deutschland wollte. Und Hotelfachmann Madhusudhanan Manavalan hat nach all den bürokratischen Hürden dennoch Verständnis für die deutschen Behörden: Am Ende gehe es ja um die nationale Sicherheit Deutschlands - ein bisschen schneller aber dürfte es schon gehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 09. März 2023 um 10:45 Uhrin den Nachrichten.