Teures München Wie Apples Milliarde auf die Mieten wirkt
München ist Apples größter Entwicklungsstandort in Europa. Nun will der US-Konzern eine weitere Milliarde Euro dort investieren. Was viele begrüßen, weckt bei anderen Angst vor weiter steigenden Mieten.
Vor rund zwei Wochen wurde bekannt, dass der Technologiekonzern Apple in München eine weitere Milliarde Euro investieren möchte und damit seinen Standort an der Isar zu einem Schwerpunkt in der Chipentwicklung ausbaut. Für die bayerische Landeshauptstadt bedeutet das nicht nur sprudelnde Gewerbesteuern, sondern auch eine Herausforderung.
Tilman Schaich kämpft seit Jahren für bezahlbare Mieten in München. Er ist Mitgründer der Bürgerinitiative "#ausspekuliert". Erst in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass der Mietenspiegel um 21 Prozent gestiegen ist - innerhalb von zwei Jahren. Bei Neuvermietungen liegt der Quadratmeterpreis in München im Durchschnitt nun bei 16,07 Euro.
Kurze "Verweildauer" der Apple-Mitarbeiter?
Tech-Konzerne wie Apple suchten die besten Mitarbeiter und zahlten die dementsprechenden Gehälter, was nur logisch sei, so Schaich. Jedoch kämen diese Menschen nicht wirklich nach München, um hier ansässig zu werden. Die meisten, glaubt Schaich, "sind ein paar Jahre hier, zahlen eine hohe Miete und sind dann wieder weg". Die Mietwohnung sei aber dann für Menschen mit mittleren Einkommen nicht mehr zu finanzieren.
Der Mietaktivist befürchtet, dass sich in München Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt entwickeln könnten, wie man sie über Jahre aus dem Ursprungsort vieler Tech-Konzerne gehört hat, dem Silicon Valley bei San Francisco. Dort sind die Mieten enorm hoch.
München wird schon "Isar Valley" genannt
In München haben sich über die vergangenen Jahre viele Tech-Konzerne angesiedelt: Amazon, Yahoo, Microsoft und auch Google sowie unzählige große und kleine Start-ups. Apple kam schon in den 1990er-Jahren. Im Jahr 2022 wurden laut einer Studie in Deutschland die meisten Start-ups in München gegründet - und nicht mehr in Berlin. Deswegen wird München in manch einer Zeitung halb bewundernd "Isar-Valley" genannt.
"München ist ein attraktiver Standort und das ist wunderschön", sagt Schaich. "Aber es kann einfach nicht sein, dass Lehrerinnen, Polizistinnen, Feuerwehrfrauen und -männer - also die Mittelschicht - die Stadt verlassen und die Stadt nicht mehr lebenswert ist."
Eine "spalterische" Diskussion?
Clemens Baumgärtner findet Vergleiche mit dem Silicon Valley falsch. In den USA habe man eine ganz andere Sozialstruktur als in Deutschland. Der CSU-Politiker ist so etwas wie der Stadtminister für Wirtschaft. Als städtischer Wirtschaftsreferent ist er unter anderem dafür verantwortlich, den Standort München so attraktiv wie möglich zu gestalten.
Er empfindet die Diskussion, wer nun nach München kommen darf und wer nicht, als spalterisch. "Das ist eine Teilung der Gesellschaft, die mit nichts, aber auch gar nichts sachlich begründet ist", so Baumgärtner.
Die Baustelle des neuen Münchner Chip-Zentrums von Apple.
Baumgärtner erinnert daran, dass auch in der "guten alten Zeit" schon große Unternehmen in München ansässig waren. Seit den 1960er-Jahren sei Siemens das Tech-Unternehmen in München gewesen und habe vielen Menschen in der Stadt gut bezahlte Arbeitsplätze geboten. Allerdings habe Siemens in den letzten Jahrzehnten große Teile seines Geschäfts aufgegeben. Damit seien viele Arbeitsplätze in München verschwunden.
Genauso verhalte es sich derzeit mit der zwar immer noch großen Autoindustrie, aber auch die werde kleiner. Unternehmen wie Apple böten die Möglichkeit, die Münchner Unternehmenslandschaft in die Zukunft zu transferieren, findet Baumgärtner. Apple zahle auch keine "Wundergehälter", so Baumgärtner. Und es wollten sich auch gar nicht alle Mitarbeiter von Tech-Unternehmen in der Innenstadt ansiedeln. Viele ziehe es in die Region, das Homeoffice mache das möglich.
Viertel im Wandel
Moses Wolff hingegen sagt: "Menschen, die bei Apple arbeiten, verdienen in der Regel nicht einen Appel und ein Ei, sondern mehr." Wolff ist Kabarettist und ein "Münchner Urgestein" und mit seiner blütenweißen Mütze nebst ebenso blütenweißem Kaschmirschal bereits von Weitem zu erkennen. Er wohnt im Gärtnerplatzviertel, einem Münchner Szeneviertel.
Einst zogen hier der Regisseur Rainer Werner Fassbinder und Queen-Sänger Freddy Mercury um die Häuser. All das ist lange her. Aus dem einstigen Künstlerviertel mit vielen heruntergekommenen Häusern ist mit den Jahren eine begehrte Wohngegend geworden.
Durch den Immobilienboom der vergangenen Jahre und die Corona-Pandemie hat sich der Strukturwandel in München nochmal beschleunigt. Dazu kommt die Inflation. Vergangene Woche machte in München das erste Gasthaus Schlagzeilen in der Lokalpresse, das für einen halben Liter Bier sechs Euro verlangt. Viele Künstler seien in den vergangenen Jahren aus München weggezogen, sagt Wolff. Und viele Studierende suchten sich eher Unis in kleineren Städten.
Legendärer Club soll abgerissen werden
In München werde zwar sehr viel für die Kultur getan, die örtliche Politik und das städtische Kulturreferat förderten, wo es möglich sei, sagt Wolff. Doch die Orte, die kreative Freiräume böten, würden weniger. Der seit 20 Jahren existierende Technoclub "Harry Klein", ein Fixpunkt des Münchner Nachtlebens, schließt im März seine Türen. Ein Investor möchte das Gebäude abreißen und dort ein Hotel errichten.
Das Problem der sich stetig verteuernden Innenstädte sei ein Phänomen, das München mit ganz vielen Städten der Welt teile, sagt Baumgärtner. Das habe nichts mit Unternehmen per se zu tun. Im Gegenteil, man brauche Tech-Konzerne wie Apple und Google, um im internationalen Vergleich nicht zurückzufallen, findet er.
Von den circa 7,5 Milliarden Euro des städtischen Haushalts kämen rund drei Milliarden Euro durch die Gewerbesteuer. "Daran tragen die in München ansässigen Tech-Unternehmen einen großen Anteil." Von diesem Geld profitiere die Kultur genauso wie der Bereich des Sozialen oder die öffentliche Infrastruktur.
Wären Werkswohnungen eine Lösung?
Wolff und Schaich sind nicht per se gegen die Ansiedlung von Unternehmen. "Ich wünsche mir von Apple und Google, dass sie einen Teil ihres Gewinns in die freie Kulturszene stecken, wenn sie hier herziehen", sagt Wolff. Und auch Schaich findet es sehr gut, wenn Unternehmen in München investieren.
Die Frage sei aber, ob auch in bezahlbaren Wohnraum investiert werde. In den Hochzeiten von Siemens in München unterhielt der Konzern rund 2300 Werkswohnungen in der Stadt.