Virtuelle Hauptversammlung Wenn das Bild des Vorstands wackelt
Während der Pandemie wurden Hauptversammlungen ins Netz verlegt. Viele Konzerne bleiben auch jetzt bei diesem virtuellen Format. Das sorgt für Kritik bei den Anteilseignern.
Einmal im Jahr können Aktionäre den Vorständen ihres Unternehmens auf den Zahn fühlen, ihrem Ärger Luft machen und Fragen stellen. Während der Corona-Pandemie wurden diese Hauptversammlungen virtuell abgehalten. Auch jetzt halten viele Konzerne an diesem Format fest. Aktionärsschützer kritisieren das, wegen der anfälligen Technik und weil sie die Aktionärsrechte eingeschränkt sehen.
So ist es bei jeder dritten Online-Hauptversammlung in Deutschland in diesem Jahr zu technischen Problemen vor allem bei Bild und Ton gekommen. Das stellte die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in einer Erhebung fest, die sie in ihrem aktuellen "HV-Report" veröffentlichte.
Fast 30 Prozent aller Störungen hätten nicht nur zu kurzfristigen Unterbrechungen geführt, sondern die Aktionärstreffen teilweise um Stunden in die Länge gezogen, heißt es. Als Negativbeispiel nennt die DSW die Hauptversammlung von Covestro, bei der sich die Unterbrechungen auf drei Stunden summiert hätten. Insgesamt habe die Veranstaltung mehr als neun Stunden gedauert.
Eingeschränktes Rederecht
"Wir sind nicht grundsätzlich gegen die virtuelle Hauptversammlung - in klar begründeten Ausnahmesituationen", sagte DSW-Geschäftsführerin Christiane Hölz. "Eine technisch einwandfreie Umsetzung ist allerdings eine zwingende Grundvoraussetzung." Die virtuelle Hauptversammlung war in der Corona-Krise zunächst als Notlösung eingeführt worden, ist aber inzwischen als Alternative zur Präsenzveranstaltung gesetzlich erlaubt. Technische Störungen sind laut dem Gesetz kein Grund für eine Anfechtung.
Dennoch führten die Störungen dazu, dass sich Aktionäre in ihren Rechten eingeschränkt fühlten. Insbesondere mit Blick auf das Frage- und Auskunftsrecht beklagten sie deutliche Nachteile im Vergleich zu Präsenz-Hauptversammlungen. "Der konstruktive Austausch der Aktionäre mit der Verwaltung aber auch der Dialog untereinander sind die wichtigen Elemente einer Hauptversammlung", kritisierte Hölz.
Schrumpfende Teilnehmerzahl
Laut der DSW-Studie nutzen vor allem DAX-Unternehmen die virtuelle Hauptversammlung: 28 Aktionärstreffen fanden in diesem Jahr online statt, nur zehn in Präsenz. Bei kleineren Firmen aus dem MDAX (25 in Präsenz, 24 online) und SDAX (40 zu 26), bei denen der Aufwand aufgrund der deutlich geringeren Zahl der Aktionäre kleiner ist, überwiegt das Präsenzformat. Das Argument, dass die Online-Hauptversammlung mehr Aktionären eine Teilnahme ermögliche, ziehe nicht, erklärte die DSW. Die Präsenz bei den Aktionärstreffen im DAX sei in diesem Jahr geringer als zu Beginn der Corona-Pandemie.
Die DSW, die vor allem private Aktionäre vertritt, plädiert weiter für ein hybrides Format, das den Anteilseignern die Wahl lässt, ob sie persönlich zur Hauptversammlung gehen oder sie im Internet verfolgen. Die meisten Aktionärsvereinigungen im europäischen Ausland bevorzugten ebenfalls die hybride Variante, die in Österreich und Luxemburg hätten sich sogar für die Präsenz-Hauptversammlung ausgesprochen. Auch in Österreich, Frankreich und Portugal habe es technische Probleme gegeben.