EU-Agrarpolitik auf Prüfstand Kleiner ambulanter Eingriff
Wer viel hat, der bekommt auch viel - dieser ungerechten Verteilung von Subventionen für die Landwirtschaft will die EU nun mit einem "Gesundheitscheck" beikommen. Eine Reform, die schon vor Veröffentlichung für Protest sorgt, aber auch Beifall findet.
Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Das Papier ist noch gar nicht offiziell auf dem Markt, da hat sich der Protest schon formiert. Aus der Gesundheitsüberprüfung dürfe keine Operation werden, fordert der Chef des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, in Richtung Brüssel. Tatsächlich verkauft Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel ihre Ideen heute unter dem Namen Health Check, also Gesundheitstest - wohl damit niemand merkt, dass sich dahinter ein zumindest kleiner, ambulanter Eingriff in die Agrarpolitik der Europäischen Union verbirgt.
Der Gesundheitscheck ist als Zwischenbilanz der jüngsten Reform aus dem Jahr 2003 gedacht. Und dabei hat die Kommissarin festgestellt, dass die Subventionen äußerst ungerecht fließen: Wer viel hat, der bekommmt auch viel aus Brüssel. Nach Berechnungen der Initiative für Transparenz in der Agrarpolitik erhalten 0,5 Prozent aller Betriebe in Deutschland mehr als 300.000 Euro, 70 Prozent der Betriebe jedoch unter 10.000 Euro.
Nach den Zahlen, die heute im Umlauf sind, plant die Kommissarin nun, die Subventionen jenseits der 100.000-Euro-Grenze deutlich zusammenzustreichen. Richtig findet das Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Öko-Bauer und Europaabgeordneter der Grünen, denn "wir haben im Moment eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der bäuerlichen Betriebe. Rationalisierte Großbetriebe, wo eine Arbeitskraft 400 Hektar macht, bekommen 100-, 120.000 Euro je Arbeitskraft und Jahr, also umgerechnet auf die Arbeitskraft, während die bäuerlichen Betriebe ein Zehntel davon erhalten, wenn überhaupt."
Wichtig ist für zu Baringdorf auch, dass das eingesparte Geld nicht etwa in den Haushalt der EU zurückfließt, sondern in die Entwicklung ländlicher Räume umgeleitet wird. Oder besser: werden soll. Denn nicht nur die Bauernlobby protestiert bereits, auch Agrarminister Horst Seehofer hat schon signalisiert, dass diese Korrektur mit ihm nicht zu machen ist.
CDU warnt vor "Neiddiskussion"
So sieht das auch Lutz Goepel, der für die CDU im Europaparlament sitzt. Goepel stammt aus der Ostdeutschland, wo es besonders viele Empfänger hoher Subventionen gibt. Er wehrt sich gegen das pauschale Verdammmen der Großbetriebe: "Es sind Mehrfamilienbetriebe mit vielen Beschäftigten, die alle ihre kleinen Flächen eingebracht haben, und das im Ergebnis einer Landwirtschaftspolitik, die in der ehemaligen DDR bestanden hat. Und dann sollte man die Leute einfach arbeiten lassen und nicht eine so große Neiddiskussion machen."
Auch RWE bekommt Agrarsubventionen
Auch in NRW wird übrigens nicht schlecht verdient: Rund 70 Betriebe erhalten mehr als 100.000 Euro an Direktzahlungen – darunter der Stromkonzern RWE. Was Lutz Goepel und die Konservativen so gelassen macht, ist, dass bisher noch jeder Agrarkommissar beim Versuch, Subventionen zu kürzen, gescheitert ist. Doch im Moment stehen die Zeichen gut für eine kleine Wende: Die Bauern verdienen ganz ordentlich an ihrer Milch und ihrem Getreide, weil die Nachfrage hoch ist. Wer an Subventionen festhält, kommt in Erklärungsnot. Schließlich fließen jährlich 50 Millarden Euro in die Landwirtschaftspolitik, das ist bald die Hälfte des EU-Haushaltes.