Wetterthema Von Schmetterlingen und Reissäcken
Von Schmetterlingen und Reissäcken
Was haben Reissäcke mit der Wettervorhersage zu tun?
Wettermodelle berechnen die Entwicklungen in der Atmosphäre bis zu zwei Wochen in die Zukunft. Mit dem sogenannten Vorhersagehorizont ist es so eine Sache, er ist nämlich beschränkt und liegt deutlich unterhalb der angesprochenen zwei Wochen. Man könnte ein Wettermodell auch ein Jahr in die Zukunft rechnen lassen, ob dabei aber verlässliche Vorhersagen erzeugt werden, darf angezweifelt werden.
Um diesen Vorhersagehorizont abzuschätzen kann man ein und dasselbe Computermodell mit minimal unterschiedlichen Anfangsdaten füttern, dem ursprünglichen Wetterzustand also, um dann zu prüfen nach welcher Zeit die unterschiedlichen Vorhersagen auseinanderlaufen. Typischerweise führt man dies etwa 30-mal durch und erhält dadurch ein ganzes Ensemble an Vorhersagen. Die Unterschiede der Eingangsdaten liegen dabei innerhalb der normalen Toleranz, der auch die Messungen unterliegen. Man kann Temperatur, Luftdruck, Feuchte usw. eben nicht beliebig genau und in beliebig hoher räumlicher Auflösung messen.
So erhält man eine längerfristige Prognose, wie beispielsweise die Temperatur in etwa 1500 Metern Höhe über Frankfurt am Main, die in obiger Abbildung fast bis Ende Februar, also über zwei Wochen weit in die Zukunft reicht. Deutlich zu erkennen ist ab dem 16. Februar der breiter werdende Unsicherheitsbereich, die sog. Rauchfahne, innerhalb dessen sich die Temperaturentwicklung dieser 30 Vorhersagen bewegt. Aufgrund der ruhigen Wetterlage in den kommenden Tagen liegt der Vorhersagehorizont aktuell ungewöhnlich weit in der Zukunft. Oft laufen die einzelnen Modelläufe bereits nach zwei bis drei Tagen deutlich auseinander.
Woher rührt diese Unsicherheit und wird sich daran im Zuge des technischen Fortschritts noch etwas Grundlegendes ändern? Quantensprünge durch eventuelle künftige Durchbrüche in der Computertechnik beispielsweise sind hier nicht mehr zu erwarten, denn dieses Verhalten, die Widerspenstigkeit, mit der sich atmosphärische Entwicklungen der Eingrenzung durch Vorhersagen entziehen ist eine der Natur innewohnende Eigenschaft, deren Entdeckung in den 60iger Jahren einen ganz neuen Zweig der Physik, die Chaosforschung begründet hat.
Eine charakteristische Eigenschaft atmosphärischer, oder allgemein aller chaotischer Systeme ist deren Empfindlichkeit gegenüber unterschiedlichen Anfangsbedingungen. Das bedeutet, anfängliche Ungenauigkeiten oder Abweichungen bauen sich mit der Zeit immer weiter auf, potenzieren sich zu immensen Fehlern.
Man stelle sich eine Billardkugel vor, deren Einfallswinkel an einer Bande unter idealisierten Bedingungen gleich ihrem Ausfallwinkel ist. Eigentlich müsste man deren Lauf ja beliebig weit in die Zukunft vorausberechnen können. jedoch sorgen bereits kleinste Einflüsse, wie ein Staubkorn auf ihrem Weg oder der Luftzug durch ein offenes Fenster zu Fehlern, die nach mehren Bandenkontakten ihre Bahn weit vom vorausgesehenen Weg abbringen werden. Ganz ähnlich verhält es sich in der Atmosphäre, was zu dem bildlichen Vergleich führte, ein Schmetterlingsschlag in Brasilien oder das Umfallen eines Reissackes in China löse hierzulande ein Gewitter aus.