Wetterthema Hurrikane, Taifune, Zyklone
Wie entstehen extreme Tropenstürme und werden diese auch in Europa zur Bedrohung?
Hurrikan Milton hat in der Nacht auf Donnerstag mit Windgeschwindigkeiten von knapp 200 km/h bei den Siesta Keys südlich von Tampa / Florida Festland erreicht. Zuvor hatte er sich über dem gut 30 Grad warmen Wasser im Golf von Mexiko innerhalb nur eines Tages von einem Tropensturm zu einem Hurrikan der höchsten Kategorie 5 mit Windgeschwindigkeiten bis 285 km/h intensiviert. Mit einem Kerndruck von 897 Hektopascal (hPa) war er somit der bisher stärkste Tropensturm weltweit in diesem Jahr und der fünftstärkste Hurrikan im Atlantik seit Messbeginn, stärker noch als Hurrikan Katrina, der 2005 New Orleans unter Wasser setzte und fast 1400 Menschleben forderte.
Wie kann solch ein zerstörerischer Sturm überhaupt entstehen? Die wichtigste Grundvoraussetzung ist eine hinreichend hohe Temperatur des oberflächennahen Meerwassers. Ab etwa 27 Grad Wassertemperatur verdunstet genug Feuchtigkeit über den Ozeanen, damit eine sog. tropischen Depression, der Vorläufer eines Wirbelsturms, entstehen kann. Damit sich dieses Tiefdruckgebiet in Rotation versetzt, muss die ablenkende Kraft der Erddrehung wirksam werden. Das ist direkt am Äquator nicht der Fall, wie man an der Verteilung der tropischen Wirbelstürme gut erkennen kann. Erst etwa ab 5 Grad nördlicher bzw. südlicher Breite ist die Wirkung der sog. Corioliskraft stark genug, um einen Wirbelsturm entstehen zu lassen.
Zugbahnen tropischer Wirbelstürme
Wenn man sich die Verteilung aller zwischen 1985 und 2005 beobachteten Wirbelstürme auf der Weltkarte ansieht, so bemerkt man, dass es bestimmte Regionen auffällig hoher Sturmdichte gibt. Überall dort sorgen besonders warme Meeresströmungen für die notwendigen Wassertemperaturen. Die Bezeichnung Hurrikan wird für Wirbelstürme verwendet, die im Atlantik und im Ostpazifik nahe der mexikanischen Küste ihr Unwesen treiben. Im Westpazifik, nördlich des Äquators, nennt man sie Taifun. Dort können sich aufgrund der großen freien Wasserflächen die stärksten Stürme auf diesem Planeten entwickeln. Im Indischen Ozean und südlich des Äquators schließlich nennt man sie Zyklone. Dort sind sie nicht minder zerstörerisch, wie uns Zyklon NARGIS 2008 lehrte. Ihm fielen in Birma nach amtlichen Schätzungen mindestens 77 Tausend Menschen zum Opfer.
Zudem könnten geringe Scherwinde, also sich mit zunehmender Höhe ändernde Windstärke und -richtung das Wachstum des jungen Sturms nur wenig gestört haben. Diese Bedingungen werden im Atlantik, gesteuert durch sogenannte atmosphärische Fernwirkungen, häufig während La-Nina beobachtet, einem Kaltwasser-Ereignis im tropischen Pazifik, welches sich dort seit Juni vollzieht.
Da beiden Faktoren, also hoher Wassertemperaturen und geringe Scherwinde in diesem Jahr Entstehung und Intensivierung von Tropenstürme begünstigen, wurde schon im Vorfeld eine besonders aktive Hurrikan-Saison im Atlantik prognostiziert. Bisher sind bereits 9 Hurrikans, davon 4 schwere mit Windstärken über 210 km/h beobachtet worden. Durchschnittlich sind es 6, im bisherigen Rekordjahr 2005 waren es sogar 15. Jedoch dauert die Saison offiziell bis Ende November an, es können aber auch im Dezember noch „Nachzügler“ entstehen.
Infolge der globalen Erwärmung hat sich nun die Meeresoberflächentemperatur im Entstehungsgebiet vieler atlantischer Wirbelstürme, vor der Westafrikanischen Küste zwischen 10 und 20 Grad nördlicher Breite um etwa 0,6 Grad erhöht. Da aufgrund der dadurch erhöhten Verdunstung auch mehr Energie in die Atmosphäre gelangt, sollte dadurch die Entstehung der Tropenstürme begünstigt werden. Tatsächlich ist in den vergangenen Jahrzehnten eine Zunahme der Stärke tropischer Wirbelstürme im Atlantik und Nordindik beobachtet worden.
Besonders auffällig sind die ungewöhnlich hohen Wassertemperaturen seit vergangenem Jahr nicht nur im Golf von Mexiko, wo sie aktuell noch um 30 Grad betragen und damit etwa ein Grad über dem langjährigen Mittel liegen, sondern auch auf dem Atlantik sowie in ausgedehnten Meeresgebieten im Pazifischen und Indischen Ozean.
Die Anzahl atlantischer Hurrikans hingegen schwankt zwar von Jahr zu Jahr mitunter beträchtlich, ein systematischer Trend lässt sich seit 1950 nicht ausmachen. Jedoch nehmen gerade die schweren Stürme der Kategorie 4 und 5 mit Windstärken über 210 km/h systematisch zu. So haben seit 2017 insgesamt neun schwere Hurrikans, Milton mitgezählt, die US-Küsten erreicht, in den 50 Jahren davor waren es gerade einmal acht.
Auch hierzulande waren am Donnerstag die Auswirkungen des ehemaligen Hurrikans KIRK zu spüren. Auf dem Feldberg im Schwarzwald wurde eine Orkanböe von 158 km/h gemessen, im Flachland gab es schwere Sturmböen bis 110 km/h. Ursprünglich war KIRK ein Hurrikan der Kategorie 4 mit Windstärken bis 235 km/h. Auf seinem Weg nach Norden wandelte er sich jedoch über kälterem Wasser in ein außertropisches Tief um, erreichte am Mittwoch die französische Atlantikküste und schwächte sich in der Folge deutlich ab, bevor er hierzulande nun als „normaler“ Herbststurm sein letztes Kapitel schrieb.
Solche Umwandlungen erfahren etwa die Hälfte aller atlantischen Hurrikane, wenige jedoch erreichen in der Folge das Europäische Festland. Im Zuge des Klimawandels werden uns die Tropenstürme möglicherweise etwas mehr auf die Pelle rücken, wie bedrohlich diese aber im Vergleich zu anderen, für uns relevanteren Extremwetterereignissen wie Starkregen in Zuge sommerlicher Schwergewitter oder sich nur langsam verlagernden Tiefs werden, ist schwer einzuschätzen.