Russische Soldaten auf gepanzerten Militärfahrzeugen auf einer Straße in der Nähe von Kiew.
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Krieg gegen die Ukraine + Russische Abgeordnete kritisieren öffentlich Militäreinsatz +

Stand: 27.05.2022 21:19 Uhr

Zwei russische kommunistische Abgeordnete haben den sofortigen Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine gefordert. Die UN berichten von mindestens 4000 toten Zivilisten seit Kriegsbeginn. Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen

28.05.2022 • 03:18 Uhr

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Die Lage für die ukrainischen Truppen in Sjewjerodonezk wird nach Angaben des Gouverneurs der Provinz Luhansk, Serhij Gaidai, immer schwieriger. Russische Einheiten seien in die Stadt eingedrungen, schrieb er im Kurznachrichtendienst Telegram. Zwar hätten die ukrainischen Soldaten genügend Kraft und Ressourcen, um sich zu verteidigen. "Trotzdem ist es möglich, dass wir uns zurückziehen müssen, um uns nicht ergeben zu müssen."

Finnland drängt auf eine zügige Lösung des Streits um seine NATO-Mitgliedschaft. Es sei sehr wichtig, dass die Vorbehalte der Türkei gegen einen Beitritt Finnlands zu dem Militärbündnis vor dem NATO-Gipfel Ende Juni beseitigt seien, sagte Außenminister Pekka Haavisto vor Journalisten nach einem Treffen mit seinem US-Kollegen Antony Blinken.

Russlands Krieg gegen die Ukraine führt zu einer Spaltung der russisch-orthodoxen Kirche. Ihr ukrainischer Zweig beschloss in Kiew seine völlige Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchat. Nach einem Landeskonzil, an dem Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien teilnahmen, erklärte die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats am Abend: "Wir teilen nicht die Position des Patriarchen von Moskau und ganz Russland Kyrill zum Krieg in der Ukraine." Das Konzil habe Änderungen des Kirchenstatuts angenommen, "die die volle Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche bescheinigen". Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt.

Für Russlands Kirche wäre der Verlust ihres ukrainischen Zweigs mit Millionen Gläubigen und Geistlichen ein schwerer Schlag. Im Gegensatz zu Kyrill I. verurteilte das ukrainische Landeskonzil Russlands Angriffskrieg als Verstoß gegen das Gebot "Du sollst nicht töten!". Die Versammlung sprach allen Menschen, die unter dem Krieg litten, ihr Beileid aus. Die Regierungen der Ukraine und Russlands sollten den Verhandlungsprozess fortsetzen und das "Blutvergießen" beenden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird sich zu Beginn des EU-Sondergipfels am kommenden Montag per Video an Vertreter der 27 Mitgliedstaaten richten. Selenskyj werde zu Beginn der Beratungen über die Lage in der Ukraine per Videokonferenz dabei sein, kündigte EU-Ratspräsident Charles Michel in seiner Einladung an die Staats- und Regierungschefs an.

Die EU ringt derzeit um einen Importstopp für russisches Öl, der von Ungarn blockiert wird. Bei dem EU-Gipfel soll es Michel zufolge vor allem um dringend von der Ukraine benötigte Finanzhilfen gehen, um die aus dem Krieg resultierende Energie- und Lebensmittelkrise sowie um die gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern. 

Ein zentrales Thema dürfte jedoch das Ringen um ein Embargo für russisches Öl sein, das Teil einer weiteren Verschärfung der Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine sein soll.

Die prorussischen Separatisten haben mit der Tötung dreier gefangen genommener Ausländer gedroht, die aufseiten der Ukraine gekämpft haben sollen. Demnach sind "Ermittlungen" gegen zwei Briten und einen Marokkaner abgeschlossen worden.

"Gegen die Angeklagten kann unter Berücksichtigung des Kriegsrechts die Höchststrafe - die Todesstrafe - verhängt werden", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der Separatisten der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Der Fall sei bereits an das Gericht übergeben.

Auch die russische Führung hatte ausländischen Kämpfern mit harten Strafen gedroht, wenn sie gefangen genommen würden. Sie würden nicht als Soldaten gelten, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.

Die britische Außenministerin Liz Truss sieht kein baldiges Ende der russischen Aggression gegen die Ukraine. "Wir müssen bereit sein, die Ukraine auf lange Sicht zu unterstützen", sagte die konservative Politikerin nach einem Treffen mit ihrem tschechischen Kollegen Jan Lipavsky in Prag.

Jetzt sei nicht die Zeit für Selbstzufriedenheit. Man müsse sicherstellen, dass die Ukraine den Krieg gewinnt und Russland sich zurückzieht. Gespräche über einen Waffenstillstand oder Zugeständnisse an den russischen Präsidenten Wladimir Putin lehnte Truss ab.

Die britische Chefdiplomatin äußerte sich anerkennend über die bisherigen Rüstungslieferungen Prags an Kiew. Tschechien sei das erste Land gewesen, dass Panzer an die Ukraine geliefert habe. Nach Medienberichten handelte es sich um T-72-Panzer sowjetischer Bauart.

Die Slowakei hat ihre Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen beträchtlich verringert. Das gaben Ministerpräsident Eduard Heger und Wirtschaftsminister Richard Sulik bekannt. Heger verkündete an einer neu errichteten Erdgas-Kompressorstation in der ostslowakischen Gemeinde Vyrava den Beginn des Testbetriebs einer Gaspipeline, die Polen und die Slowakei verbindet.

Die mit EU-Förderungen gebaute Leitung werde der Slowakei ermöglichen, Gas auch aus Norwegen und Übersee zu beziehen. Wirtschaftsminister Richard Sulik gab in Bratislava die Unterzeichnung von mehreren Gaslieferverträgen bekannt. Eine Vereinbarung mit Norwegen könne ab Juni 32 Prozent des slowakischen Bedarfs abdecken. Weitere 33 Prozent seien durch gleichzeitig abgeschlossene andere Vereinbarungen zur Lieferung von Flüssiggas mittels Tankern über die Ostsee und Polen gesichert.

Das Geburtszentrum von Pokrowsk in der Donezker Oblast ist für Schwangere aus der Region die letztmögliche Anlaufstation. Hier entbinden Frauen - mit knapper Versorgung und in ständiger Angst vor Raketeneinschlägen, berichtet Andrea Beer.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat nach Ansicht von Österreichs Kanzler Karl Nehammer im Ukraine-Krieg ein Entgegenkommen bei Getreideexporten signalisiert. "Putin hat Signale gegeben, dass er durchaus bereit ist, Exporte über die Seehäfen zuzulassen", sagte Nehammer nach einem 45-minütigen Telefonat mit dem russischen Präsidenten.

Die dafür nötigen Häfen müssten aber wohl von zu Verteidigungszwecken ausgelegten Minen geräumt werden, was Moskau nicht ausnützen dürfe, sagte Nehammer. Insgesamt sei das Telefonat "sehr intensiv und sehr ernst" gewesen. Österreich versuche in der Tradition seiner "aktiven Neutralitätspolitik" mit allen Konfliktparteien im Gespräch zu bleiben. Von Kremlseite hieß es, Putin habe Nehammer darauf hingewiesen, dass es keinen Grund gebe, Russland die Schuld für die Probleme bei den Lebensmittellieferungen zu geben.

Laut Nehammer habe Putin auch zugesichert, mit Kiew wieder über die Frage des Gefangenenaustauschs zu verhandeln. Das Internationale Rote Kreuz werde laut Putin Zugang zu den Kriegsgefangenen erhalten, so der Regierungschef in Wien.

Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer vor Mikrofonen.

Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer führte ein 45-minütiges Telefonat mit dem russischen Präsidenten Putin.

In der Region Primorje im östlichsten Teil Russlands haben zwei kommunistische Abgeordnete öffentlich ein Ende der Offensive in der Ukraine gefordert. "Wenn unser Land die Militäroperation nicht stoppt, wird es noch mehr Waisen in unserem Land geben", sagte der Abgeordnete Leonid Wasjukewitsch während einer Sitzung des Regionalparlaments.

"Wir verlangen den sofortigen Rückzug der russischen Truppen." Wasjukewitschs Fraktionskollege Gennadij Tschulga pflichtete ihm bei. Nach der Rede, die auf den Youtube-Kanälen des Regionalparlaments und der Zeitung "Kommersant" übertragen wurde, war vereinzelter Applaus zu hören.

Es ist das erste Mal, dass Abgeordnete der Kommunistischen Partei in Russland (KPRF) sich öffentlich derart äußern. Die KPRF unterstützt den Militäreinsatz in der Ukraine. Der bei der Parlamentssitzung anwesende Gouverneur der im Osten Sibiriens gelegenen Region Primorje, Oleg Koschemjako, warf den beiden kommunistischen Abgeordneten vor, "die russische Armee zu diskreditieren (...), die gegen den Nazismus kämpft".

Beiden Abgeordneten wurde daraufhin mit 27 zu fünf Stimmen für die Dauer des Tages ihr Stimmrecht im Regionalparlament entzogen. Der kommunistische Fraktionsvorsitzende Anatolij Dolgatschew wandte sich umgehend gegen seine Kollegen und versprach "härteste Strafmaßnahmen".

Russlands Zentralbank erlaubt russischen Bürgern den Kauf der Aktien von Unternehmen aus Ländern, die als "freundlich" eingestuft werden. Voraussetzung sei, dass die Transaktionen in Rubel stattfänden oder in der Währung des jeweiligen Landes, teilt die Notenbank mit.

Einige der Beschränkungen für Auslandsinvestitionen würden aufgehoben, heißt es in einer Miteilung. Russland bezeichnet üblicherweise Länder dann als "unfreundlich", wenn sie Sanktionen verhängt haben.

Der staatliche ukrainische Gaskonzern und Netzbetreiber fordert von Deutschland, die Erdgas-Lieferung über die Pipeline Nord Stream 1 einzustellen oder stark zu drosseln. Eine entsprechende Bitte sei der deutschen Regierung zugestellt worden, erklärt Serhij Makogon im ukrainischen Fernsehen.

Deutsches Recht erlaube einen Betrieb der Pipeline unter der Bedingung, dass dadurch die Gasversorgung Europas gesichert werde. Russland habe jedoch "diese Prinzipien verletzt". Nord Stream 1 ist seit etwa einem Jahrzehnt ein wichtiger Strang für die deutsche Gasversorgung. Die Pipeline läuft von Russland aus durch die Ostsee bis Mecklenburg-Vorpommern. Russland drohte Anfang März, die Leitung zu kappen.

Die zum Moskauer Patriarchat gehörende ukrainisch-orthodoxe Kirche beklagt eine zunehmende Feindseligkeit gegen sie in der Gesellschaft. Gegner der Kirche hätten bereits mehr als 40 Gotteshäuser überfallen, sagte ihr Oberhaupt, Metropolit Onufri, bei einer Versammlung von Bischöfen, Priestern und Laien aus allen ukrainischen Diözesen in Kiew. Mehr als 20 Mal hätten Kommunalpolitiker zudem rechtswidrig die Arbeit von örtlichen Pfarreien verboten oder eingeschränkt.

"Gemeinden der Ukrainischen Orthodoxen Kirche stehen unter ständigem Druck durch Staatsorgane und Plünderer", so Onufri laut Kirchenangaben. Es handele sich um bewusste Verstöße gegen den Verfassungsgrundsatz der Trennung von Kirche und Staat und der Gleichheit aller vor dem Gesetz. Er verwies auch darauf, dass eine Abgeordnete im ukrainischen Parlament ein Verbot der Kirche des Moskauer Patriarchats und der Verstaatlichung ihres Eigentums beantragt habe.

Der Kirche wird vorgeworfen, Kreml-Chef Wladimir Putin zu unterstützen und unpatriotisch zu sein. Zwei ihrer Geistlichen waren unter anderem wegen Kooperation mit dem russischen Geheimdienst festgenommen worden. Onufri wies die Anschuldigungen zurück und betonte, seine Kirche habe Hilfsgüter und Geld für die ukrainischen Streitkräfte gespendet.

Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine vor drei Monaten sind laut den Vereinten Nationen mindestens 8766 Zivilisten verletzt oder getötet worden. Durch Gewalt seien 4.031 Menschen ums Leben gekommen, 4735 weitere hätten Verletzungen erlitten, teilte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Genf mit.

Unter den Getöteten befinden sich den Angaben zufolge 261 Kinder. Weitere 406 Mädchen und Jungen seien verletzt worden. Die Angaben über die erfassten zivilen Opfer beziehen sich laut dem Hochkommissariat auf den Zeitraum seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar bis Donnerstag. Die tatsächliche Zahl der getöteten und verletzten Zivilisten dürfte wesentlich höher liegen, hieß es.

Die meisten Zivilisten seien beim Beschuss mit Explosivwaffen - etwa Artillerie und Raketenwerfer - mit einem weiten Radius getötet oder verletzt geworden. Zudem seien Zivilisten bei Luftangriffen getroffen worden. Bei dem absichtlichen Beschuss von Wohngebieten und Zivilisten handelt es sich laut dem Hochkommissariat um ein Kriegsverbrechen.

Die US-Regierung zieht einem Medienbericht zufolge in Erwägung, fortschrittliche Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite in die Ukraine zu schicken. Die in den USA hergestellten Artilleriesysteme MLRS und HIMARS könnten Geschosse über bis zu 300 Kilometer abfeuern, berichtete der Sender CNN unter Berufung auf mehrere Beamte.

Ein neues militärisches Hilfspaket könnte bereits in der kommenden Woche angekündigt werden. Die Ukraine habe um diese Art von Waffen gebeten, hieß es weiter. Allerdings sei die US-Regierung zögerlich gewesen, da befürchtet werde, dass die Ukraine die Raketensysteme für Angriffe auf russisches Gebiet nutzen könnte. Es stelle sich die Frage, ob dies eine russische Vergeltungsmaßnahme gegen die USA zur Folge haben könnte, so CNN.

Nach Angaben des Gouverneurs der Region Luhansk haben Russlands Truppen weite Teile der Stadt Sjewjerodonezk eingekreist. 90 Prozent aller Wohngegenden seien durch Granateneinschläge zerstört, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Reuters.

Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind die letzten Städte in der Region Luhansk, die noch von ukrainischen Truppen kontrolliert werden.

Russlands Militär hat Angriffe auf die ostukrainischen Gebiete Charkiw und Donezk bestätigt. Auf eine ukrainische Brigade in der heftig umkämpften Stadt Bachmut in Donezk etwa seien Raketen abgefeuert worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.

Im Charkiwer Gebiet seien Militärobjekte ebenfalls mit Raketen beschossen worden. Die ukrainische Seite hatte bereits am Donnerstag mehrere Tote durch russischen Beschuss in Charkiw beklagt. Russland führt seit dem 24. Februar Krieg gegen die Ukraine.

Derzeit toben die schwersten Kämpfe im Osten des Landes. Die Region Luhansk ist zum Großteil von russischen und prorussischen Militärs eingenommen, die noch von Ukrainern kontrollierten Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk drohen eingekesselt zu werden.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russlands Präsidenten Wladimir Putin vor Illusionen im Ukraine-Krieg gewarnt. "Frieden entsteht nicht durch gewaltsames Unterwerfen. Gerechtigkeit ist die Voraussetzung für den Frieden", sagt Scholz auf dem Katholikentag.

Grenzen dürften nicht durch Gewalt verändert werden. Putin führe nicht nur Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen die internationale Friedensordnung.

Russland wirft der Ukraine widersprüchliche Äußerungen zu Friedensgesprächen vor. Dass die Gespräche eingefroren seien, liege in der Verantwortung der Regierung in Kiew, sagt der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow. "Die ukrainische Führung macht ständig widersprüchliche Aussagen. Das erlaubt es uns nicht, vollständig zu verstehen, was die ukrainische Seite will."

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach eigenen Worten bereits mehrfach versucht, ein direktes Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu organisieren, um den Krieg zu beenden. Russland sei aber anscheinend noch nicht bereit für ernsthafte Friedensgespräche, sondern stelle nur Ultimaten. "Wir wollen unser Leben zurück", sagt Selenskyj. "Wir wollen das Leben eines souveränen Landes auf seinem eigenen Territorium zurückerobern."

Russland will seine Getreideexporte nach den Worten von Landwirtschaftsminister Dmitri Patruschew deutlich steigern. In diesem Getreidejahr habe Russland bereits mehr als 35 Millionen Tonnen ausgeführt, darunter 28,5 Millionen Tonnen Weizen, sagte Patruschew auf einer Getreidemesse.

Bis Ende des Getreidejahrs Ende Juni werde das Volumen 37 Millionen Tonnen übersteigen. Im kommenden Getreidejahr "schätzen wir unser Exportpotenzial auf 50 Millionen Tonnen". Russlands Präsident Wladimir Putin hatte laut Kreml am Donnerstag in einem Telefonat mit dem italienischen Regierungschef Mario Draghi erklärt, Moskau sei bereit, "durch den Export von Getreide und Düngemitteln einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Nahrungsmittelkrise zu leisten, sofern die politisch motivierten Beschränkungen des Westens aufgehoben werden".

Die Ukraine und Russland gehören zu den weltweit wichtigsten Getreideproduzenten. Der Export aus beiden Ländern ist wegen der Kämpfe in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland eingebrochen.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ist in die Ukraine gereist und hat der Regierung in Kiew deutsche Hilfe beim Wiederaufbau zugesagt. Nach Angaben ihres Ministeriums erklärte Schulze in Kiew: "Die Ukrainerinnen und Ukrainer brauchen Strom, Trinkwasser und ein Dach über dem Kopf. Kinder und Jugendliche sollen trotz Krieg weiter in die Schule gehen können, lokale Betriebe durch die Wirtschaftskrise kommen".

Sie wollte demnach mit ukrainischen Regierungsmitgliedern erörtern, wie die deutsche Unterstützung ausgebaut werden könnte. Das Bundesentwicklungsministerium hatte vor einigen Wochen ein Sofortprogramm für die Ukraine aufgelegt, das inzwischen einen Umfang von rund 185 Millionen Euro hat. Darüber sollen unter anderem Unterkünfte für Binnenvertriebene finanziert und medizinische Güter bereitgestellt werden.

Durch Russlands Krieg gegen die Ukraine sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj rund zwölf Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden. Rund 5,5 Millionen Menschen hätten das Land verlassen, sagte er in einer Ansprache für ein indonesisches Forschungsinstitut.

Die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Ukraine beorderten Truppen machen nach Einschätzung des britischen Premierministers Boris Johnson langsame, aber spürbare Fortschritte im Donbass im Osten. "Ich befürchte, dass Putin unter hohen Kosten für sich selbst und das russische Militär weiterhin im Donbass Boden zerstört", sagt er Bloomberg TV. "Er macht weiterhin allmähliche, langsame, aber ich fürchte, spürbare Fortschritte, und deshalb ist es absolut notwendig, dass wir die Ukrainer weiterhin militärisch unterstützen."

Bundeskanzler Olaf Scholz hat beim Katholikentag in Stuttgart betont, dass Deutschland zur Unterstützung der Ukraine verpflichtet sei. "Wir haben uns entschieden, dem Opfer dieses Angriffskriegs beizuspringen", sagte Scholz in einer Rede bei dem Kirchenfest. Putin dürfe mit seinem "zynischen, menschenverachtenden Krieg" nicht durchkommen.

Der Krieg richte sich nicht allein gegen die Ukraine, sondern allgemein gegen die Werte der westlichen Demokratie. "Putins Krieg richtet sich gegen eine Friedensordnung, die aus dem Bekenntnis 'Nie wieder' nach zwei verheerenden Weltkriegen entstanden ist. Er will zurück zum Recht des Stärkeren." Das dürfe auf keinen Fall zugelassen werden.

In der mittlerweile von russischen Truppen eingenommenen ukrainischen Hafenstadt Mariupol sind Angaben eines Lokalpolitikers zufolge Dutzende weitere Leichen von Bewohnern gefunden worden. Rettungskräfte hätten insgesamt rund 70 leblose Körper auf einem ehemaligen Fabrikgelände entdeckt, schrieb der Mariupoler Stadtratsabgeordnete Petro Andrjuschtschenko im Nachrichtendienst Telegram. Die Menschen seien unter den Trümmern begraben worden, als russische Besatzer das Gebäude beschossen, schrieb er. Überprüfen ließen sich diese Angaben zunächst nicht.

Die prorussischen Separatisten in Donezk haben nach eigenen Angaben die Stadt Lyman im Osten der Ukraine eingenommen. Die strategisch wichtige Stadt sei vollständig unter ihrer Kontrolle, teilten die Separatisten in der selbst ernannten Volksrepublik Donezk mit. Eine unabhängige Bestätigung dafür ist zunächst nicht zu erhalten.

In der Region Luhansk im Osten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben durch russische Angriffe mindestens fünf Menschen getötet worden. In der Regionalhauptstadt Sewerodonezk seien in den vergangenen 24 Stunden vier Zivilisten getötet und 50 Gebäude beschädigt worden, teilte Regionalgouverneur Serhij Gajdaj im Onlinedienst Telegram mit. Im 50 Kilometer entfernten Komyschuwacha sei ein Mann durch eine Granate getötet worden.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der Gouverneur der ebenfalls im Donbass liegenden Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, hatte am Donnerstagabend von fünf getöteten Zivilisten in seiner Region berichtet.  Russland hat seine Truppen aus dem Zentrum und Norden der Ukraine, wo es die Städte Kiew und Charkiw nicht einnehmen konnte, großteils in den Osten verlagert. Seitdem werden strategisch wichtige Städte wie Sewerodonezk und Lyssytschansk von der russischen Armee belagert.

Die russische Armee greift nach Ansicht britischer Regierungsexperten bei ihrer Invasion der Ukraine inzwischen auf veraltetes Gerät zurück. Moskau habe wahrscheinlich in den vergangenen Tagen 50 Jahre alte T-62-Panzer aus Lagerbeständen geholt und in den Einsatzbereich des südlichen Streitkraftverbands gebracht, hieß es in einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums in London.

"Die T-62-Panzer werden beinahe mit Sicherheit besonders gefährdet sein durch Panzerabwehrwaffen und ihre Anwesenheit auf dem Schlachtfeld wirft ein Schlaglicht auf Russlands Mangel an modernem, einsatzbereitem Gerät", so die Mitteilung weiter.

Der südliche Streitkraftverband der Russen dürfte nach Ansicht der britischen Experten weiterhin mit der Besetzung von Gebiet in der Südukraine beauftragt sein. Vorstöße gibt es den britischen Angaben nach im Donbass, wo russische Bodentruppen weiterhin versuchen, die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk im Donbass einzukreisen. Dabei seien mehrere Dörfer nordwestlich von Popasna erobert worden. "Russland übt Druck aus auf den Kessel von Sjewjerodonezk, die Ukraine behält aber die Kontrolle über mehrere verteidigte Bereiche und verwehrt Russland damit die volle Kontrolle über den Donbass", hieß es.

Dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse macht die Aufrüstung in Deutschland und anderen westlichen Ländern im Gefolge des Krieges in der Ukraine Sorgen. Mit Waffen allein ließen sich die Probleme der Welt nicht lösen, gab der SPD-Politiker beim Katholikentags-Empfang seiner Partei in Stuttgart zu bedenken.

"Die Zweiteilung der Welt, die Überwindung des Kommunismus' ist nicht durch Panzer und Bomben erkämpft worden, sondern durch 'soft power'", so Thierse mit Blick auf die Zeit der Wende 1989/90. Zu diesen "weichen" Faktoren zählten etwa wirtschaftliche Beziehungen und diplomatische Kontakte. Friedensbemühungen könnten scheitern, aber das mache sie deswegen nicht falsch, fügte Thierse hinzu. Wichtig sei jedoch, dass man über die Gründe des Scheiterns rede.

Der frühere Bundeswehr- und NATO-General Hans-Lothar Domröse geht davon aus, dass die Ukraine dem russischen Vormarsch im Donbass in den kommenden Wochen nicht vollständig standhalten kann. "Jetzt kommt der große Schwung der Weltmacht Russland zum Tragen. (...) Sie sind reichweiten- und zahlenmäßig überlegen", sagte Domröse dem Nachrichtenradio MDR Aktuell. Die ukrainischen Kräfte könnten den Vormarsch maximal hier und da verzögern.

Ab Herbst könnten die Ukrainer aber wieder mehr Widerstand leisten, so Domröse. In etwa einem halben Jahr werde das Land viel mehr westliche Waffensysteme haben und die Soldaten viel besser an diesen ausgebildet sein. "Bis dahin werden sie aber noch schwere Schläge hinnehmen müssen", sagte Domröse. Die Zeit spiele etwas für die Ukraine, "wenn sie durchhält".

Die ostukrainische Stadt Sjewjerodonezk ist laut ihrem Bürgermeister zum Schauplatz heftiger Angriffe der russischen Truppen geworden. Rund 1500 Menschen seien seit Kriegsbeginn getötet worden, teilte Olexandr Strjuk mit. Rund 12.000 bis 13.000 seien in der Stadt verblieben, 60 Prozent der Wohngebäude seien dort zerstört worden. Die ukrainischen Kräfte hielten den Angriffen noch stand, doch sei eine russische Aufklärungs- und Sabotagegruppe in ein Hotel in Sjewjerodonezk eingedrungen, meldete Strjuk.

Die Stadt ist das einzige Gebiet der Region Luhansk im Donbass, das von der ukrainischen Regierung kontrolliert wird. Russische Truppen versuchen die Stadt vom Rest des von der Ukraine dominierten Territoriums abzuschneiden. Die Hauptstraße zwischen der Nachbarstadt Lyssytschansk und dem weiter südwestlich gelegenen Bachmut sei zwar noch offen, doch seien Reisen gefährlich, sagte Strjuk. Am Donnerstag hätten nur zwölf Menschen evakuiert werden können.

Die ukrainische Armee steht im äußersten Osten ihrer Front stark unter Druck. Die Ukraine beobachtet nach Militärangaben, dass Russland in seinen Grenzgebieten Belgorod und Woronesch Truppen neu formiert. Damit seien weitere Angriffe auf die ukrainischen Gebiete Charkiw und Luhansk zu befürchten, wie der ukrainische Generalstab in seinem Bericht mitteilte.

Russische Truppen beschossen demnach weiter die Großstadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk. Der Angriff auf die Stadt und ihren Vorort Boriwske sei aber nicht erfolgreich. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar.

In einem anderen Dorf in der Nähe, in Ustyniwka, habe die russische Seite einen Teilerfolg errungen, hieß es. Die Großstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind derzeit die äußersten ukrainischen Vorposten im Osten. Kämpfe gibt es aber auch schon im Rückraum dieser Städte, damit drohen ukrainische Truppen abgeriegelt zu werden.

Auf der Nordseite dieses möglichen Kessels sei die Stadt Lyman verloren, bestätigte Präsidentenberater Olexyj Arestowytsch im ukrainischen Fernsehen. Nach Generalstabsangaben werden nun ukrainische Positionen südlich von Lyman beschossen. Auf der Südseite des möglichen Kessels gab es Kämpfe um die Orte Komyschuwacha, Nirkowe und Berestowe. Auch hier hieß es, die Angriffe seien abgewehrt worden. Einen Teilerfolg hätten die Russen aber in der Nähe von Pokrowske erzielt.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, wirft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mangelnde Führungsstärke und eine Missachtung ukrainischer Interessen vor. Kiew habe sich erhofft, aus der Rede von Scholz auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos herauszuhören, mit welchen ganz konkreten Schritten die Ampel die Ukraine massiv unterstützen wolle, sagt Melnyk der "Bild". "Leider war das eine Fehlanzeige, vor allem in Bezug auf sofortige Lieferung von schweren Waffen aus Deutschland, um die Riesenoffensive der Russen im Donbass zu ersticken", so der Botschafter. Auch bei dem Thema EU-Mitgliedschaft habe es keine ermutigenden Signale an die Ukrainer gegeben

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland "Völkermord" in der Ostukraine vorgeworfen. Im Donbass betreibe Moskau "eine offensichtliche Politik des Völkermords", sagte er in seiner täglichen Fernsehansprache in der Nacht. Die russische Offensive könne dazu führen, dass die Region "unbewohnbar" werde. Er warf den Russen vor, die ukrainischen Städte in Schutt und Asche legen zu wollen. "All dies, einschließlich der Verschleppung unserer Menschen und der Massentötung von Zivilisten, ist eine offensichtliche Politik des Völkermords, die von Russland betrieben wird". 

Dem Weißen Haus zufolge gibt es derzeit keine Gespräche über eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland, um Getreideexporte zu ermöglichen. Der russische Präsident Wladimir Putin und der italienische Ministerpräsident Mario Draghi diskutierten am Donnerstag über Möglichkeiten, wie die internationale Nahrungsmittelkrise gelindert werden könnte. Der Kreml machte dabei deutlich, dass dies nur möglich sei, wenn der Westen seine Sanktionen aufhebe.

Die US-Regierung zieht einem Medienbericht zufolge in Erwägung, fortschrittliche Langstrecken-Raketensysteme in die Ukraine zu schicken. Die in den USA hergestellten Waffensysteme könnten Raketen über Hunderte Kilometer abfeuern, berichtete der Sender CNN unter Berufung auf mehrere Beamte. Ein neues militärisches Hilfspaket könnte bereits in der kommenden Woche angekündigt werden. Die Ukraine habe um diese Art von Waffen gebeten, hieß es weiter. Allerdings sei die US-Regierung zögerlich gewesen, da befürchtet werde, dass die Ukraine die Raketensysteme für Angriffe auf russisches Gebiet nutzen könnte. Es stelle sich die Frage, ob dies eine russische Vergeltungsmaßnahme zur Folge haben könnte, so CNN. US-Präsident Joe Biden hatte erst am Wochenende ein neues Milliarden-Hilfspaket der USA für die Ukraine mit einem Volumen von fast 40 Milliarden Dollar (38 Milliarden Euro) in Kraft gesetzt.

Flüchtlinge aus der Ukraine haben offenbar ein großes Interesse an Integrationskursen zur Sprach- und Kulturvermittlung. Dies stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) fest. Dem Amt zufolge seien bislang innerhalb weniger Wochen bereits mehr als 80.000 Teilnahmeberechtigungen erteilt worden, wie "Die Welt" vorab berichtet. "Wir haben gut ausgebildete Teilnehmende, die mit großem Elan lernen", sagt Benjamin Beckmann, Leiter der BAMF-Integrationskursabteilung, der Zeitung. Laut Beckmann können 95 Prozent der Ukraine-Flüchtlinge ihren Integrationskurs direkt mit dem normalen Sprachkurs beginnen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigt sich enttäuscht über die Uneinigkeit innerhalb der EU bezüglich weiterer Sanktionen gegen Russland. "Wie viele Wochen wird die Europäische Union noch versuchen, sich auf ein sechstes Paket zu einigen", sagt Selenskyj in seiner abendlichen Fernsehansprache. Er sei den Nationen dankbar, die sich für neue Sanktionen einsetzten: "Aber woher nehmen die Leute, die dieses sechste Paket blockieren, ihre Macht? Warum dürfen sie diese Macht ausüben?" Die EU diskutiert derzeit eine sechste Runde von Strafmaßnahmen, darunter ein Embargo für russische Ölimporte. Für einen solchen Schritt ist Einstimmigkeit erforderlich, doch Ungarn lehnt die Idee vorerst ab.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. Mai 2022 um 05:30 Uhr und 09:00 Uhr.