Lage im Nahen Osten ++ Streit über Geiselliste behindert Verhandlungen ++
Ein Streit über eine Liste aller israelischen Geiseln scheint die Verhandlungen über eine Waffenruhe zu blockieren. Die Krankenhäuser im Gazastreifen sind laut UN dringend auf mehr Hilfe angewiesen. Die Entwicklungen im Liveblog.
- UN-Büro: Kliniken im Gazastreifen brauchen dringend Hilfe
- Medien: Streit über Geiselliste erschwert Gaza-Verhandlung
- Syriens neuer Außenminister warnt Iran vor Einmischung
Israels Präsident Isaac Herzog hat die Führung des Landes dazu aufgerufen, alle "Macht" und "Mittel" einzusetzen, um ein Abkommen zur Freilassung der vor mehr als einem Jahr in den Gazastreifen entführten israelischen Geiseln zu erreichen. "Ich rufe unsere Führung auf, mit all ihrer Macht und allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu handeln, um eine Einigung herbeizuführen", sagte er.
Die Befugnisse des israelischen Präsidenten sind weitgehend zeremonieller Natur. Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der dort festgehaltenen Geiseln sind erneut ins Stocken geraten. Israel und die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas warfen sich gegenseitig vor, für die Blockade verantwortlich zu sein. Konkrete Angaben dazu, worin die neu aufgetretenen Hindernisse für ein Abkommen bestehen, machten beide Seiten nicht.
Nach Demonstrationen in der syrischen Stadt Homs ist staatlichen Medien zufolge eine Ausgangssperre verhängt worden. Sie gelte für eine Nacht, hieß es. Eine Stellungnahme der seit dem Sturz von Präsident Baschar al-Assad herrschenden Islamisten liegt bisher nicht vor. In Homs soll es im Zusammenhang mit Demonstrationen zu Unruhen gekommen sein. Die Proteste seien jeweils von Alawiten und Schiiten angeführt worden.
Wie schwer die Unruhen waren, ist bisher unklar. Einwohner zufolge standen sie im Zusammenhang mit Gewalt gegen die Alawiten, die als loyal gegenüber Assad galten. Dieser war am 8. Dezember von sunnitischen Rebellen gestürzt worden.
Die neuen Machthaber in Syrien haben große Mengen beschlagnahmter Drogen verbrannt, darunter etwa eine Million Pillen des Aufputschmittels Captagon. Ein Videojournalist der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, wie in der Hauptstadt Damaskus im Hof eines Gebäudes des früheren syrischen Sicherheitsapparats Feuer an die Drogen gelegt wurde
"Wir haben eine große Menge Captagon gefunden, etwa eine Million Pillen", sagte ein Vertreter der neuen Machthaber. Bei dem Drogenfund handelte es sich um ein Lager unter anderem mit Cannabis, dem Schmerzmittel Tramadol und etwa 50 Tüten mit rosafarbenen Captagon-Pillen, wie der AFP-Journalist feststellte.
Der schwunghafte Handel mit dem amphetaminähnlichen Captagon hatte Syrien unter dem am 8. Dezember gestürzten Assad zum größten Drogenstaat der Welt gemacht.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die kurdischen Milizen in Syrien in scharfen Worten aufgefordert, die Waffen niederzulegen. "Die separatistischen Mörder müssen sich entweder von ihren Waffen verabschieden oder sie werden in Syrien zusammen mit ihren Waffen begraben werden", sagte er im Parlament. "Wir werden die Terrororganisation auslöschen, die versucht, eine Wand des Blutes zwischen uns und unseren kurdischen Geschwistern zu errichten."
ie Türkei fordert seit dem Sturz von Syriens Präsident Baschar al-Assad mit Nachdruck eine Entwaffnung der kurdischen Gruppen im Nachbarland. Zuletzt zeigten sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr türkischer Kollege Hakan Fidan einig, dass die kurdischen Rebellen im Norden Syriens entwaffnet und in die internen Sicherheitsstrukturen des Landes eingebettet werden sollen.
Nach einem weiteren Raketenangriff auf den Großraum Tel Aviv hat der israelische Luftwaffenchef härtere Gegenangriffe auf die Huthi-Miliz im Jemen angekündigt. Man habe die Huthis bereits dreimal angegriffen, sagte General Tomer Bar bei einer Zeremonie auf dem Luftwaffenstützpunkt Chazerim in der Negev-Wüste im Süden Israels. "Wir werden die Häufigkeit der Angriffe und ihre Stärke nach Bedarf weiter erhöhen", sagte Bar.
In der Nacht hatte die israelische Luftabwehr nach Militärangaben erneut eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete abgefangen. In zahlreichen Gebieten im Zentrum Israels heulten in der zweiten Nacht in Folge die Warnsirenen. Die Menschen mussten ihre Betten verlassen und sich in Schutzräume begeben. Solche nächtlichen Huthi-Angriffe häuften sich zuletzt. Südlich von Tel Aviv schlug nach Medienberichten ein Raketenteil in einem Haus ein.
Hamas wirft Israel Verzögerung vor
Die Hamas wirft Israel vor, neue Bedingungen für eine Waffenruhe im Gazastreifen gestellt zu haben. Das habe dazu geführt, dass sich eine Vereinbarung darüber sowie über eine Freilassung der Geiseln und im Gegenzug palästinensischer Gefangener verzögere. Sie selbst habe sich flexibel gezeigt, erklärte die mitlitant-islamistische Organisation. Die Gespräche in Doha unter Vermittlung von Katar und Ägypten gingen in eine ernsthafte Richtung.
Israel macht seinerseits die Hamas für Verzögerungen bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe verantwortlich. "Die terroristische Hamas-Organisation lügt weiter, hält sich nicht an bereits getroffene Absprachen und erschwert weiterhin die Verhandlungen", erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Im Gazastreifen sind nach Angaben der dortigen von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde seit Kriegsbeginn vor mehr als einem Jahr mindestens 45.361 Menschen getötet worden. Mindestens 107.803 Palästinenserinnen und Palästinenser seien verletzt worden.
Unter den Opfern seien zahlreiche Frauen und Kinder. Die Behörde unterscheidet bei den Zahlen nicht zwischen der militant-islamistischen Hamas und der Zivilbevölkerung.
Ein Streit über eine Namensliste der verbleibenden Geiseln in der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Hamas behindert offensichtlich Fortschritte bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen. Nach Berichten israelischer Medien weigert sich die Hamas, eine solche Liste zu übergeben. Dies schaffe "erhebliche Schwierigkeiten" bei den Verhandlungen unter Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA.
Nach mehr als einer Woche intensiver Verhandlungen in Katar hatte Israel seine Unterhändler am Dienstag zurückgerufen. Es solle interne Beratungen über die Fortsetzung der Verhandlungen geben, erklärte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Aus Hamas-Kreisen hieß es, man sei bereit, eine Liste von Geiseln zu übergeben, die in einer ersten Phase freigelassen werden könnten. Die Organisation lehne jedoch eine Forderung Israels ab, eine vollständige Liste aller noch Lebenden unter den 100 Geiseln zu übermitteln. Sie warf Netanjahu vor, durch eine entsprechende Forderung die Verhandlungen zu blockieren.
Israelische Truppen sollen von der Pufferzone auf den besetzten Golanhöhen aus an mehreren Punkten weiter ins syrische Nachbarland eingedrungen sein. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete ferner, es seien weitere Ortschaften in der Provinz Kuneitra auf der syrischen Seite der Golanhöhen besetzt worden.
Die Truppen seien teilweise sieben Kilometer weiter auf syrisches Gebiet vorgerückt, hieß es in dem Bericht. Genannt wurden unter anderem die Ortschaften Swissa und Kussaiba in Syrien.
Die israelische Armee teilte auf Anfrage mit, ihre Streitkräfte seien "im Süden Syriens im Einsatz, innerhalb der Pufferzone und an strategischen Punkten". Ziel sei es, die Einwohner des israelischen Nordens zu beschützen. Um die Sicherheit der Truppen zu gewährleisten, werde man keine genauen Standorte nennen.
Nach Einschätzung des Irans könnte es auch nach dem Machtwechsel in Syrien zu weiteren politischen Entwicklungen und Veränderungen kommen. "Es ist noch zu früh, um über die Zukunft Syriens zu urteilen, denn viele Faktoren können die politische Lage dort noch erheblich beeinflussen", sagte Außenminister Abbas Araghchi, ohne dabei ins Detail zu gehen.
Dies gelte für alle Seiten, und deshalb sollten sich auch diejenigen, "die sich derzeit als sichere Sieger fühlen", nicht zu früh freuen, erklärte Araghchi der Nachrichtenagentur Isna.
Der Außenminister der syrischen Übergangsregierung, Asaad Hassan al-Schaibani, hatte zuvor den Iran davor gewarnt, "Chaos in Syrien zu verbreiten". Teheran müsse "den Willen des syrischen Volkes und die Souveränität und Sicherheit des Landes respektieren", schrieb er auf der Plattform X. Der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad war ein schwerer Schlag für den Iran, der seine gesamte Nahostpolitik dadurch geschwächt sieht.
Israel: Rakete aus Jemen abgefangen
Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben eine Rakete aus dem Jemen abgefangen. Sie sei noch außerhalb der eigenen Landesgrenzen abgeschossen worden, hieß es. In mehreren Gebieten im Zentrum Israels hatten wieder die Warnsirenen geheult.
Die Sirenen seien wegen möglicher herabfallender Trümmerteile infolge des Abschusses ausgelöst worden. Rettungskräfte meldeten laut Nachrichtenagentur Reuters mindestens neun Verletzte.
"Zum fünften Mal innerhalb einer Woche wurden Millionen Israelis in Schutzräume geschickt, während Huthi-Terroristen im Jemen einen Raketenangriff starteten", erklärt das israelische Militär auf der Plattform X. Erst in der vorherigen Nacht hatte die Huthi-Miliz im Jemen nach eigenen Angaben eine ballistische Rakete in Richtung der Küstenmetropole Tel Aviv abgefeuert. Auch diese war abgefangen worden.
Luftalarm in Israel
In Teilen Zentralisraels herrscht Luftalarm. Nach ersten Erkenntnissen der israelischen Armee wurde ein Geschoss aus dem Jemen abgefeuert. Weitere Einzelheiten seien noch unklar und würden derzeit geprüft.
Der Iran hat ein nach eigenen Angaben "dreistes Eingeständnis" Israels verurteilt, den früheren Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran getötet zu haben und dem Land ein "abscheuliches Verbrechen" vorgeworfen. Bei dem "dreisten Eingeständnis" handele es sich um das erste Mal, dass Israel "sich offen zu seiner Verantwortung für das abscheuliche Verbrechen bekennt", schrieb Irans Botschafter bei den Vereinten Nationen, Amir Saeid Irawani, in einem Brief an den UN-Generalsekretär.
Hamas-Politbürochef Hanija war Ende Juli während eines Besuchs anlässlich der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian in Teheran getötet worden
Israels Luftwaffe hat nach eigenen Angaben einen Terroristen der islamistischen Hamas in einer humanitären Schutzzone im Gazastreifen angegriffen. Wie das israelische Militär in der Nacht bekanntgab, sei der Mann in dem Gebiet der Stadt Chan Yunis im Süden des abgeriegelten Küstenstreifens aktiv gewesen.
Vor dem "präzisen Angriff" seien zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern, teilte das israelische Militär auf Telegram weiter mit. Angaben zu möglichen Opfern machte die Armee nicht. Ihre Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Das UN-Nothilfebüro OCHA hat an Heiligabend erneut zu dringender Hilfe für Kliniken im umkämpften Gazastreifen aufgerufen. Es gebe weiterhin Berichte über Angriffe auf und um Krankenhäuser im nördlichen Gaza, die dringend mit Nahrungsmitteln und Wasser versorgt werden müssten, berichtete OCHA.
In der Stadt Gaza im Norden stünden laut dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) nur noch drei Beatmungsgeräte für Säuglinge zur Verfügung, die intensivmedizinisch versorgt werden müssen, hieß es weiter. Die Lage in den Krankenhäusern Kamal Adwan, Al Awda und dem Indonesischen Krankenhaus im Norden des Gazastreifens habe sich seit dem 21. Dezember drastisch verschlechtert, hieß es.
Israels Armee teilte zuvor mit, sie habe "im Gebiet des Indonesischen Krankenhauses einen begrenzten Einsatz gegen Terroristen und Infrastruktur ausgeführt und abgeschlossen". Vom Klinikgelände aus habe es wiederholt Angriffe auf israelische Soldaten gegeben. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Bei der Mitternachtsmesse in Bethlehem hat der höchste Vertreter der katholischen Kirche im Heiligen Land, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen bekundet. "Ihr seid nicht allein", sagte Pizzaballa in der Katharinenkirche direkt neben der Geburtskirche in der kleinen Stadt im Westjordanland. "Ihr seid wirklich ein sichtbares Zeichen der Hoffnung inmitten der Katastrophe der totalen Zerstörung, die euch umgibt", sagte der lateinische Patriarch, der vor Weihnachten die einzige katholische Kirche im Gazastreifen besucht hatte.
Gleichzeitig sagte Pizzaballa, es sei "schwer für mich, in diesem Jahr die Freude von Jesu Geburt zu verkünden, euch und all jenen, die aus aller Welt auf Bethlehem schauen".
Der neu ernannte syrische Außenminister Asaad Hassan al-Schibani hat den Iran vor einer Einmischung in die Angelegenheiten Syriens. "Iran muss den Willen des syrischen Volkes und die Souveränität und Sicherheit des Landes respektieren. Wir warnen sie davor, Chaos in Syrien zu stiften, und machen sie für die Folgen der jüngsten Äußerungen verantwortlich", schrieb al-Schibani auf dem Kurznachrichtendienst X.
Um welche Äußerungen es sich handelte, präzisierte er nicht. Die Warnung folgt auf eine Rede des iranischen geistlichen Oberhaupts Ajatollah Ali Chamenei am Sonntag, in der er die syrische Jugend aufforderte, "mit fester Entschlossenheit gegen diejenigen zu stehen, die diese Unsicherheit orchestriert und herbeigeführt haben".
Der Liveblog vom Dienstag
Bei einem Einsatz der israelischen Armee im Gazastreifen sind mindestens fünf Palästinenser getötet worden. Das israelische Parlament hat den Ausnahmezustand um ein weiteres Jahr verlängert. Die Entwicklungen vom Dienstag zum Nachlesen.