
Lage im Nahen Osten ++ Netanjahu sieht Fortschritte bei Waffenruhe-Verhandlungen ++
Israels Ministerpräsident Netanjahu sieht "bedeutsame" Fortschritte in den Bemühungen um eine Waffenruhe. Israels Armee hat die Bewohner im Norden der Stadt Gaza aufgerufen, sich in Bunker im Süden zu begeben.
Die wichtigsten Entwicklungen im Überblick:
- Netanjahu sieht Fortschritte bei Bemühungen um Waffenruhe
- Israels Armee ruft zur Evakuierung in Nord-Gaza auf
- Israel beschießt Hafen im Jemen
- Deutsch-Israelische Gesellschaft für Waffenlieferungen
- UN: Nur 4.600 Tonnen Mehl in Gazastreifen gebracht
- Israel weist Gaza-Schiff-Aktivisten aus
- Palästinensische Medien: Drei Rettungskräfte und ein Journalist getötet
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben erneut eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete abgefangen. In mehreren Gegenden Israels - darunter in Jerusalem, im besetzten Westjordanland sowie mehreren Orten im Zentrum des Landes - hatten zuvor die Alarmsirenen geheult. Berichte über Verletzte oder größere Schäden gab es offiziellen Angaben zufolge nicht.
Das Geschoss, dessen Ursprung der Huthi-Miliz im Jemen zugeschrieben wurde, zerbrach in mehrere Stücke, nachdem es von einer Abfangrakete getroffen worden war, hieß es in der Armeemitteilung. Die israelische Luftabwehr habe mindestens weitere sieben Abfangraketen abgefeuert, um Bruchstücke abzuschießen.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat "bedeutsame Fortschritte" in den Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg gemeldet. Ein möglicher Deal könnte die Freigabe von einigen der 55 Geiseln ermöglichen, die noch im Gazastreifen festgehalten würden, erklärte Netanjahu. Zugleich dämpfte er die Erwartungen. Es sei "noch zu früh, um zu hoffen". Sein Außenminister Gideon Saar sprach zuvor ebenfalls von Fortschritten in den Verhandlungen um eine Waffenruhe.
Einzig die Vereinten Nationen sind nach Worten des UN-Experten Philippe Lazzarini in der Lage, in großem Maßstab und sicher Hilfsgüter im Gazastreifen zu verteilen. "Wir haben die Expertise, das Wissen und das Vertrauen der Gemeinschaft", schrieb der Generalsekretär des UN-Hilfswerks für Palästinenser (UNRWA) auf der Plattform "X".
Er rief Israel dazu auf, "die Belagerung" aufzuheben und den UN einen sicheren und ungehinderten Zugang nach Gaza zu gewähren, damit sie Hilfsgüter verteilen können. "Nur so können wir ein massenhaftes Verhungern abwenden, unter dem auch eine Million Kinder leiden", so Lazzarini. Das gegenwärtig genutzte Verteilsystem der umstrittenen "Gaza Humanitarian Foundation" (GHF) bezeichnete der Hilfswerk-Chef als Todesfalle und erniedrigend, weil es Tausende von hungernden Menschen dazu zwinge, weite Strecken zu Fuß zurückzulegen und damit die Schwächsten von der Hilfe ausschließe.
Großbritannien hat die ultrarechten israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir wegen radikaler Äußerungen zum Umgang mit der Bevölkerung im Gazastreifen mit Sanktionen belegt. Beide hätten "zu extremistischer Gewalt und schwerwiegenden Verstößen gegen die palästinensischen Menschenrechte angestiftet", sagte der britische Außenminister David Lammy der BBC zufolge. Die Sanktionen umfassen ein Einreiseverbot sowie das Einfrieren von Vermögenswerten. Kanada, Australien, Neuseeland und Norwegen schlossen sich Großbritannien an.
Smotrich hatte mit einer "totalen Zerstörung" des Gazastreifens gedroht. Er sagte, die Einwohner sollten ganz im Süden des Küstenstreifens in einer "humanitären Zone" konzentriert werden. Von dort aus sollten die Einwohner dann in großer Zahl das Gebiet verlassen und in Drittländer gehen. Ben-Gvir hatte sich strikt gegen die Wiederaufnahme humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen nach Israels Blockade ausgesprochen. Smotrich ist Finanzminister, Ben-Gvir Polizeiminister. Beide sind Vertreter ultrarechter Parteien in der Regierungskoalition.
Israels Außenminister Gideon Saar nannte den Schritt "empörend" und kündigte für kommende Woche eine Reaktion an.
Die israelische Armee hat die Bewohner mehrerer Viertel im Norden der Stadt Gaza zur Evakuierung aufgerufen. "Zu eurer eigenen Sicherheit, begebt euch sofort zu bekannten Bunkern im Süden von Gaza", erklärte der Sprecher der israelischen Armee, Avichay Adraee, auf Arabisch im Onlinedienst X.
Zuvor hatte die israelische Armee gemeldet, ein aus dem Gazastreifen kommendes Geschoss abgefangen zu haben. Die israelische Armee gehe im Norden von Gaza gegen "die Kapazitäten von terroristischen Organisationen" vor, erklärte Adraee. Sie werde "nachdrücklich auf jede Terrortat und jeden Raketenangriff antworten".
Tote nahe Verteilzentrum in Gaza
Mindestens 18 Palästinenser sind nach Krankenhausangaben durch Schüsse der israelischen Armee getötet worden. Der Vorfall habe sich in der Nähe eines Verteilungszentrums für humanitäre Hilfsgüter im Bereich des Netzarim-Korridors ereignet, teilte das Al-Kuds-Krankenhaus in der Stadt Gaza mit.
Die israelische Armee teilte dazu mit: "Israelische Truppen gaben Warnschüsse ab, um Verdächtige auf Abstand zu halten, die sich im Gebiet von Wadi Gaza näherten und eine Bedrohung für die Truppen darstellten. Dies geschah trotz Warnungen, dass es sich bei dem Gebiet um eine aktive Kampfzone handelt." Die Schüsse seien Hunderte Meter von dem Verteilungszentrum entfernt und vor seiner Öffnung abgegeben worden.
"Eine erste Untersuchung legt nahe, dass die Zahl der gemeldeten verletzten Personen nicht mit den der Armee vorliegenden Informationen übereinstimmt", hieß es weiter. Die Einzelheiten würden derzeit überprüft. Die Angaben beider Seiten lassen sich nicht unabhängig verifizieren.

Israels Streitkräfte haben laut einer UN-Untersuchung mehr als 90 Prozent der Schul- und Hochschulgebäude im Gaza-Streifen beschädigt oder zerstört. Mehr als 658.000 Kinder in dem umkämpften Gebiet seien seit 20 Monaten nicht mehr unterrichtet worden, teilte die UN-Untersuchungskommission zu den besetzten palästinensischen Gebieten in Genf mit. Zudem hat Israels Armee danach mehr als die Hälfte der religiösen und kulturellen Stätten und Einrichtungen im Gaza-Streifen zerstört.
Die Kommission unter dem Vorsitz der Juristin Navi Pillay aus Südafrika arbeitet im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates. Sie sprach von einem weitreichenden und unaufhörlichen Angriff auf das palästinensische Volk. "Israels gezielte Angriffe auf das erzieherische, kulturelle und religiöse Leben des palästinensischen Volkes schaden den jetzigen und künftigen Generationen und behindern ihr Recht auf Selbstbestimmung," sagte Pillay.
Im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, leide das Bildungssystem unter den zunehmenden israelischen Militäroperationen, dem Schikanieren von Schülern, Zerstörungen und Siedlerangriffen. Mehr als 806.000 palästinensische Schüler seien davon betroffen, kritisierte Pillay. Israel habe wenig unternommen, um jüdische Siedler, die absichtlich Bildungseinrichtungen und Schüler angreifen, strafrechtlich zu verfolgen.
Thunberg aus Israel abgeschoben
Die Schwedische Aktivistin Greta Thunberg ist per Flugzeug aus Israel abgeschoben worden. Das bestätigte das israelische Außenministerium. Die israelische Armee hatte das Segelschiff "Madleen" mit Thunberg und anderen Aktivisten an Bord auf dem Weg in den Gazastreifen am frühen Montagmorgen abgefangen.
Israel greift Hafenstadt im Jemen an
Erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs vor 20 Monaten hat die israelische Marine im Jemen angegriffen. Ziel der Attacke seien Einrichtungen der Huthi-Miliz am Hafen Hodeida gewesen, teilte die israelische Armee mit. "Die Angriffe wurden infolge der Aggression des Huthi-Terrorregimes gegen den Staat Israel ausgeführt", hieß es in der Mitteilung. Die Huthi hätten Israel mit Boden-Boden-Raketen und Drohnen angegriffen.
Ziel der Angriffe in Hodeida sei es, "den Einsatz des Hafens für militärische Zwecke zu stoppen". Der Hafen sei innerhalb des vergangenen Jahres mehrfach von der israelischen Luftwaffe angegriffen worden und werde dennoch weiterhin für Terrorziele genutzt. Dazu gehörten Waffenlieferungen der Huthi, die damit die zivile Infrastruktur zynisch missbrauchen, hieß es weiter.
Ein Armeesprecher hatte am Montagabend in arabischer Sprache zur Evakuierung von drei Häfen im Jemen aufgerufen, die von den Huthi kontrolliert werden, darunter auch Hodeida. Es gab zunächst keine Angaben zu möglichen Opfern.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft befürwortet weitere deutsche Waffenlieferungen an Israel. Der Präsident der Gesellschaft, Volker Beck, sagte dem Kölner Stadtanzeiger, man müsse "das große Ganze" sehen. Israel sei in einem "Sieben-Fronten-Krieg". Beck wandte sich gegen "Oberlehrertum in Deutschland, als ob man hier besser wüsste, wie der asymmetrische Krieg der israelischen Armee so zu führen ist, dass er sowohl mit dem vollständigen militärischen Sieg über die Hamas endet als auch mit der größtmöglichen Schonung der Zivilbevölkerung einhergeht".
Zugleich äußert die Gesellschaft in einem Positionspapier Kritik an der israelischen Blockade von Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Für deren Wiederaufnahme sei es "höchste Zeit" gewesen. "Es so weit kommen zu lassen, war ein Fehler der Netanjahu-Regierung, und die Begründung für die Wiederaufnahme als von außen erzwungen ist beschämend, denn das vorsätzliche Aushungern von Zivilisten ist nach dem humanitären Völkerrecht eindeutig verboten", so die Gesellschaft.
Den Militäreinsatz Israels im Gazastreifen bezeichnete die Deutsch-Israelische Gesellschaft als "grundsätzlich verhältnismäßig". Was Israel zur Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts benötige, müsse das Land auch bekommen.
US-Präsident Donald Trump zufolge ist der Iran an den Verhandlungen über ein Waffenruheabkommen zwischen Israel und der Hamas beteiligt. "Der Gazastreifen befindet sich gerade inmitten massiver Verhandlungen zwischen uns, der Hamas und Israel, und der Iran ist tatsächlich daran beteiligt, und wir werden sehen, was mit dem Gazastreifen passieren wird. Wir wollen die Geiseln zurückholen", sagte Trump vor Reportern im Weißen Haus.
Er ging nicht näher darauf ein, und das Weiße Haus reagierte nicht sofort auf eine Anfrage nach Einzelheiten über die Beteiligung des Irans. Die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York reagierte nicht sofort auf eine Bitte um Stellungnahme.
Israel weist die Aktivisten des abgefangenen Gaza-Solidaritätsschiffs aus. Sie seien am Ben-Gurion-Flughafen eingetroffen, um Israel zu verlassen und in ihre Heimatländer zurückzukehren, schrieb das israelische Außenministerium auf der Plattform X. Sie sollten noch heute ausreisen. Diejenigen, die sich weigerten, die Ausweisungsdokumente zu unterzeichnen, würden gemäß israelischem Recht vor eine Justizbehörde gebracht, damit die Ausweisung genehmigt werde.
Die israelische Armee hatte das Segelschiff "Madleen" mit der Schwedin Greta Thunberg an Bord auf dem Weg in den Gazastreifen am frühen Montagmorgen abgefangen. Erst am Montagabend war das Schiff dann in der israelischen Hafenstadt Aschdod eingelaufen. Laut israelischem Außenministerium wurden die Aktivisten von Konsuln aus ihren jeweiligen Heimatländern am Flughafen empfangen. An Bord des Schiffes waren Menschen aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Spanien, der Türkei sowie Brasilien.
Die "Madleen" war vor gut einer Woche von Sizilien aus in See gestochen. Thunberg sowie die anderen Aktivisten wollten Hilfsgüter wie Babynahrung und medizinische Güter in den Gazastreifen bringen. Zugleich wollten sie mit der Aktion internationale Aufmerksamkeit auf die humanitäre Lage in dem dicht besiedelten Gebiet mit zwei Millionen Bewohnern richten.
Die Vereinten Nationen (UN) konnten nach eigenen Angaben seit der Aufhebung der israelischen Hilfsblockade vor drei Wochen nur wenig Mehl in den Gazastreifen bringen.
Die UN hätten 4.600 Tonnen Weizenmehl über den Kerem-Shalom-Übergang in den Gazastreifen transportiert, den einzigen Zugang, den Israel billigt, sagte der stellvertretende UN-Sprecher Fahan Haq. "Das meiste davon wurde von verzweifelten, hungernden Menschen gestohlen, bevor die Lieferungen ihr Ziel erreichten. In einigen Fällen wurden die Lieferungen von bewaffneten Banden geplündert", sagte Haq.
Dem UN-Sprecher zufolge schätzen Hilfsorganisationen, dass zwischen 8.000 und 10.000 Tonnen Weizenmehl im Gazastreifen benötigt würden, um jeder Familie einen Sack Mehl zu geben und die Verzweiflung zu verringern. Haq forderte Israel auf, weit mehr Hilfsgüter über mehrere Grenzübergänge und Routen einzulassen.
Nach den Richtlinien des Welternährungsprogramms würden 4.600 Tonnen Mehl den zwei Millionen Einwohnern des Gazastreifens für etwa acht Tage Brot reichen, wenn man von einer täglichen Standardration von 300 Gramm pro Person ausgeht.
Israel hat laut Medienberichten bei Angriffen auf das Viertel Tuffah in Gaza-Stadt drei Mitarbeiter des medizinischen Dienstes und einen Journalisten getötet. Dies berichteten palästinensische Medien, darunter die Hamas-nahe Nachrichtenagentur Shehab am späten Montagabend.
Die Rettungskräfte seien bei der Versorgung von Verwundeten und der Bergung von Leichen in dem Viertel getötet worden, so Shehab.
Das israelische Militär reagierte nicht sofort auf eine Anfrage zur Stellungnahme. Zuvor hatte es erklärt, dass seine Streitkräfte weiterhin gegen "terroristische Organisationen" im gesamten Gazastreifen vorgehen.
Dem Sprecher des iranischen Außenministeriums, Esmaeil Baghaei, zufolge ist die nächste Runde der indirekten Verhandlungen zwischen dem Iran und den USA für Sonntag in Muscat im Oman geplant. Dies teilte das Außenministerium auf seinem Telegram-Kanal mit. US-Präsident Donald Trump hatte dagegen verkündet, die Gespräche über ein Atomabkommen würden am Donnerstag fortgesetzt werden.