
Der neue "Bonhoeffer"-Film Wie ein Pazifist missbraucht wird
Er gehört zu den weltweit bekanntesten Theologen, war Widerstandskämpfer in der Zeit des Nationalsozialismus: Dietrich Bonhoeffer. Jetzt gibt es ein neues Drama über sein Leben und Wirken - und das schlägt hohe Wellen.
Dietrich Bonhoeffer ist auf dem Weg zu seiner Kirche. Der Konfirmandenunterricht beginnt gleich. Da kommt ihm eine Gruppe Jungen entgegen. Sie tragen die Uniform der Hitlerjugend, laufen in Reih und Glied wie kleine Soldaten.
Bonhoeffer fasst es nicht: Es sind seine Konfirmanden, die da mit Hitlergruß aufmarschieren, die SA gleich hinten dran. Es ist der Moment, in dem der Pfarrer und Theologe erkennt, dass auch die Kirche sich den Nationalsozialisten zugewandt hat, und, dass er jetzt handeln muss. Eine eindrucksvolle Szene aus Todd Komarnickis neuem Film "Bonhoeffer".
Ein Film, der Kontroversen auslöst
Dietrich Bonhoeffer gilt heute als einer der bekanntesten, einflussreichsten, deutschen Theologen. Er war Widerstandskämpfer in der Zeit des Nationalsozialismus. Für seine Überzeugung hat er mit dem Leben bezahlt.
Regisseur Todd Komarnicki wollte ihm nun ein filmisches Denkmal setzen mit einer europäischen Koproduktion, die vor allem auf deutscher Seite prominent besetzt ist: Jonas Dassler spielt die Titelrolle, Moritz Bleibtreu Bonhoeffers Vater und einen Mitstreiter in der Kirche gibt August Diehl.
Von rechten Evangelikalen gekapert
"Bonhoeffer" ist nicht der erste Film über Dietrich Bonhoeffer, aber der, der die größten Kontroversen ausgelöst hat. Der frühere bayerische Landesbischof und ehemalige EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm ist Mitautor eines Zeit-Artikels, der den Umgang mit dem Film in den USA kritisiert.
Rechte, evangelikale Populisten kaperten schon vor dem US-Filmstart Bonhoeffer für ihre Ideologie. Bonhoeffer, ein Widerstandskämpfer im Namen Gottes - das macht ihn in den Augen der religiösen Rechten zu einem Vorbild für Donald Trump. Der amerikanische Bonhoeffer-Biograf Eric Metaxas erklärte ihn sogar zu einem Streiter gegen den sogenannten Deep State.
"Eine ganz problematische Aussage", so Heinrich Bedford-Strohm. "Hätte Trump verloren und hätte er das nicht akzeptiert, hätte es die Gefahr gegeben, dass man unter Berufung auf Bonhoeffer die demokratisch gewählte Regierung bekämpft. Das ist unerträglich und hat mit Bonhoeffer überhaupt nichts zu tun."
Fehlgeleitete Marketingkampagne
Fehlgeleitet ist nach Bedford-Strohm auch die Vermarktung des neuen Bonhoeffer-Films durch den US-Verleih Angel Studios. Er ist spezialisiert auf christliche Filme - und verantwortlich für eine Marketingkampagne, die die Evangelikalen in den USA in ihren Ansichten bestärkt hat.
Auf den Filmplakaten war Bonhoeffer mit Pistole abgebildet, Untertitel: Pastor, Agent, Attentäter. Diese Begriffe wurden für den deutschen Filmstart gestrichen. Bonhoeffers Nachfahren und auch die deutschen Darsteller wehren sich dagegen, dass die historische Figur falsch ausgelegt wird.

Das US-Plakat zum Film wird nach Ansicht der Nachfahren und der deutschen Darsteller der historischen Figur Bonhoeffer nicht gerecht.
"Was nicht nur bei den Schauspielern, sondern auch bei der Bonhoeffer-Familie einen scharfen Widerspruch geweckt hat, das war die Pistole auf dem Filmplakat", sagt Bedford-Strohm: Dass er in irgendeiner Weise Gewalt legitimiert habe, mit der Pistole in der Hand, das sei einfach nicht Dietrich Bonhoeffer. "Und dem ist deswegen auch zu Recht klar widersprochen worden."
Aus seiner Sicht sei der Film missbraucht worden, so Bedford-Strohm. "Die Menschen, die diesen Film gemacht haben, der Regisseur, aber ganz besonders auch die Schauspieler, besonders auch die deutschen Schauspieler, die hatten mit diesem Film was ganz anderes im Sinn, als was dann eine bestimmte Werbekampagne daraus gemacht hat."
Pathetisches Geschichtskino
Der neue Film zeichnet das Leben und Wirken Bonhoeffers mit viel Kitsch und Pathos nach. Das macht ihn rein unterhaltungstechnisch anstrengend. Dramaturgisch schwankt der Film zwischen Familienporträt, theologischer Diskussion und Widerstandsthriller und ist am Ende nichts wirklich.
Immerhin, Regisseur Kormanicki zeigt, wie sich die deutsche Kirche vor den Karren der Nazis hat spannen lassen. Doch wird gerade Bonhoeffers Zeit im Widerstand kreativ sehr frei interpretiert: Bonhoeffer im dunklen Keller mit Verschwörern als aufrechter, unerschütterlicher Christ, der zur Verteidigung der Menschenrechte sogar seine Prinzipien über Bord wirft und bei einem Attentat auf Hitler sogar zu Gewaltanwendung bereit ist - das ist schon starker Tobak.

Der ehemalige EKD-Vorsitzende Bedford-Strohm sieht deutliche Schwächen bei dem Film.
Insgesamt greift die Darstellung von Bonhoeffers Wirken in den Augen von des früheren bayerischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm zu kurz: "Es gibt Lücken. Ich würde mir wünschen, dass dieser Einsatz für soziale Gerechtigkeit, für die Schwachen, der Blick von unten in diesem Film deutlicher zum Ausdruck kommt."
"Es ist ein bestimmter Blick auf Bonhoeffer, und deswegen reicht der Film nicht aus", sagt Bedford-Strohm weiter. "Aber sich darauf einzulassen, sich auch selbst ein Urteil zu bilden, das macht schon Sinn. Ich würde mir wünschen, dass Menschen diesen Film sehen, aber sich dann auch vertieft mit Bonhoeffer beschäftigen."
Bonhoeffer wurde 1945, kurz vor Kriegsende, im KZ Flossenbürg ermordet. Der Spielfilm erinnert an sein Vermächtnis, seiner Größe wird er nicht gerecht.