Weltjugendtag in Lissabon Institution Kirche steht vor einer Zerreißprobe
Papst Franziskus will eine Kirche für alle. Aber bei großen Themen wie etwa Sexualität gibt es konträre Meinungen unter den Gläubigen. Für die katholische Kirche eine riesige Herausforderung.
Es war ein Glaubensfest der Superlative. Eineinhalb Millionen Menschen kamen in Lissabon zusammen, um mit Papst Franziskus zu beten, um mit ihm Gottesdienst zu feiern. Der 86-Jährige wurde von der Jugend gefeiert wie ein Rockstar. "Er inspiriert mich", meint eine junge Frau aus Portugal. Eine andere aus Kolumbien hat Tränen in den Augen.
Beim ersten Großevent nach der Corona-Pandemie zeigt die katholische Kirche, was sie drauf hat. Besser gesagt: Was ihre Jugend drauf hat. Aus mehr als 150 Ländern kam sie angereist - Brasilien, Korea, Guatemala. Die jungen Menschen sangen, tanzten, beteten. Voller Leidenschaft, voller Freude, voller Hoffnung. Der Weltjugendtag 2023 hat anschaulich vor Augen geführt, dass die katholische Kirche universal ist, eine globale Gemeinschaft über Grenzen hinweg. Es ist ihr Unique Selling Point, das, was sie von anderen abhebt - keine Frage.
Große Wut über Missbrauchsskandale in Portugal
Doch zwischen all dem Jubel blieb nicht verborgen, dass es auch andere Seiten gibt. In Lissabon hat sich Papst Franziskus mit Missbrauchsopfern getroffen. Erst im Februar war im Gastgeberland Portugal eine erste Missbrauchsstudie veröffentlicht worden. Die Wut war groß. Wegen des Missbrauchs haben viele Menschen der Kirche den Rücken zugekehrt. Nicht nur, aber vor allem in Europa. Nicht nur, aber vor allem in Deutschland.
Auch wegen der Lehrmeinung zur Sexualität fühlen sich viele in der Kirche nicht mehr zu Hause. Schwule, Lesben, Transgender. Sie kämpfen für ihre Rechte, der Papst ermutigt sie. Doch trotzdem dürfen nach wie vor keine homosexuellen Paare gesegnet werden. Und während Homosexualität von vielen auf dem europäischen Kontinent akzeptiert wird, ist sie in den meisten Ländern Afrikas tabu. Das Thema Sexualität eint die Kirche nicht, sie fordert sie heraus.
Auf dem Weltjugendtag wurden Teilnehmer mit Regenbogenfahnen von anderen Teilnehmern angepöbelt - sie störten sich am Symbol der Solidarität für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Auch an der zukünftigen Rolle der Frau scheiden sich die Geister. Während es für die meisten Katholiken und Katholikinnen in Frankreich, Portugal oder Deutschland völlig selbstverständlich ist, dass die Frau in der Kirche mehr Mitspracherechte haben soll, sieht das in vielen Teilen der Welt ganz anders aus.
Gläubige sollen sich vor Weltsynode einbingen
Für Oktober hat Papst Franziskus zu einer Weltsynode zusammengerufen. Im Vorfeld sollten erstmals alle Gläubigen sagen dürfen, was sie umtreibt, was sie ändern wollen, wie sie sich ihre Kirche vorstellen. Er selbst hat dafür auf diesem Weltjugendtag die Richtung vorgegeben: Die Kirche sei offen für alle - "todos, todos, todos" rief er seinen jugendlichen Fans zu. Doch was passiert, wenn die einen Homo-Paare segnen wollen, die anderen das aber vehement ablehnen?
Was passiert, wenn die einen die Frau in der Kirche mit dem Mann gleichstellen wollen, die anderen aber dagegen vorgehen? Was passiert, wenn die einen wollen, dass Priester heiraten dürfen. Die anderen aber weiterhin dagegen sind? Die Kirche ist offen für alle - so Franziskus. Aber welche Rechte werden alle haben? Die Universalkirche steht vor einer ihrer größten Bewährungsproben. Auch das hat dieser Weltjugendtag gezeigt.
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