Verschobenes Verbrenner-Aus So bringt man Europa nicht voran
Deutschland ruiniert seinen Ruf in der EU. Die dafür verantwortliche FDP hat nicht begriffen, was auf dem Spiel steht. Der Kanzler muss einschreiten.
Wenn vom guten Ruf Deutschlands in der Europäischen Union noch irgend etwas übrig sein sollte, dann ist diese Bundesregierung gerade dabei, diesen Rest endgültig zu verspielen. Und warum? Weil ein deutscher Verkehrsminister von der FDP entweder seine positiven Emotionen dem Verbrennungsmotor gegenüber nicht in den Griff bekommt - was zumindest merkwürdig erscheinen würde. Oder weil er ernsthaft glaubt, mit diesem Thema mehr Zuspruch für seine bei der Wählergunst erheblich ins Trudeln geratene Partei gewinnen zu können. Eine Partei, die sich bekanntlich liberal nennt und die immer wieder gern behauptet, außerordentlich europafreundlich zu sein.
So ganz sicher nicht. Denn was passiert da gerade? Deutschland blockiert eine Entscheidung, die in der EU seit Monaten ausgemachte Sache ist: Das Verbot des Verbrennungsmotors in neuen Autos - Pkw und Mini-Vans - ab 2035. Darauf hatte man sich geeinigt, alle miteinander: die Mitgliedsstaaten mit der EU-Kommission und mit dem Europäischen Parlament.
Es war ein Kraftakt, das so auf den Weg zu bringen, aber notwendig, denn der Schritt gilt als entscheidend dafür, dass die EU ihre selbst gesetzten Klima-Ziele auch wirklich erreicht - die Klimaneutralität ab 2050. Die will Deutschland für sich ja sogar schon ab 2045 - da wird es sicher helfen, wenn der Verbrenner eine möglichst lange Zukunft hat.
Deutschland stößt fast allen vor den Kopf
Verkehrsminister Volker Wissing scheint das jedenfalls wirklich zu glauben. Wie sonst könnte er dafür sorgen, dass Deutschland dieses ausverhandelte Verbrenner-Verbot quasi auf den allerletzten Metern blockiert, obwohl die Bundesregierung es in den Verhandlungen bisher noch mitgetragen hat?
Mit so einem Verhalten stößt die Bundesrepublik in Europa quasi allen vor den Kopf. Außer vielleicht Polen, Bulgarien und Italien, die da auch ihre Bedenken hatten und sich jetzt ganz tüchtig freuen, weil sie sich mit ihrem Widerstand hinter Deutschland verstecken können. Was für eine in jeder Hinsicht schöne Koalition!
So bringt man Europa nicht voran, so zerlegt man es. Ganz abgesehen davon, dass einem der Klimaschutz an dieser Stelle offensichtlich völlig egal ist, Hauptsache die Motoren röhren auch in Zukunft noch so schön wie gestern und vorvorgestern und es kommt weiter richtig etwas aus dem Auspuff. Wo soll die Freude am Fahren denn sonst herkommen?
Scholz sollte eingreifen
Sicher, die FDP nennt das "technologie-offen", mit synthetischen E-Fuels sei das alles klimaneutral machbar. Mag sein, nur: Um welchen Preis? E-Fuels sind ineffiziente Energiefresser - man wird sie künftig vor allem für die Luftfahrt brauchen oder für den Schiffsverkehr.
Nein: Wer mit diesen Kraftstoffen die Herzen der deutschen Verbrenner-Freunde gewinnen und damit jetzt politisch punkten will, der hat offenbar überhaupt nicht begriffen, worum es eigentlich geht. Um Europas Zukunft nämlich.
Und als Hinweis aus Brüssel an die Ampel in Berlin: Es ist nur die FDP - SPD und Grüne wollen das Verbrenner-Verbot ja. Höchste Zeit, dass der Bundeskanzler den Verkehrsminister jetzt zurück in die Spur bringt. Wenn er das nicht schafft, wäre das ein schwerer Schlag für die EU. Und die Ampelkoalition hätte dann bewiesen, dass wirklich niemand sie braucht.
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