Wahlsieg von Keir Starmer Schlicht das kleinere Übel
Auf dem strahlenden Sieg von Labour-Chef Starmer gibt es Schatten. Denn für viele in Großbritannien war er schlicht das kleinere Übel, meint Christoph Prössl. Eine seiner wichtigsten Aufgaben nun: Vertrauen herstellen.
Das Ergebnis von Labour bei den Wahlen in Großbritannien wirkt wie ein strahlender Sieg. Die Partei um den Spitzenkandidaten Keir Starmer hat eine große Mehrheit der Sitze errungen. Labour hat versprochen, den Wandel zu liefern - und der ist dringend nötig. Nach 14 Jahren Tory-Regierung ist das Land runtergewirtschaftet, die politische Kultur verroht.
Labour gilt nicht als die vertrauenswürdige Alternative
Es gibt jedoch Schatten auf diesem strahlenden Sieg. Da ist zum einen das fehlende Vertrauen vieler Britinnen und Briten. Keir Starmer hat es nicht geschafft, eine Stimmung des Wandels, des Aufbruchs zu erzeugen. Trotz Partygate, einer missratenen Finanzpolitik unter der ehemaligen Premierministerin Liz Truss, vielen gebrochenen Versprechen der Tories: Labour hat sich nicht als vertrauenswürdige Alternative durchsetzen können sondern war für zahlreiche Wähler schlicht das kleinere Übel. Der Vertrauensverlust ist eine Herausforderung für alle Parteien.
Neue Partei für Enttäuschte verschiebt die Verhältnisse
Das zeigt sich auch in den Zahlen: Labour hat bei diesen Wahlen knapp 34 Prozent der Stimmen bekommen - nur sehr wenig mehr als 2019. Tony Blair, Gewinner der Wahlen 1997, konnte damals einen sehr viel größeren Anteil der Wählerschaft begeistern und erreichte eine ähnliche Zahl an Sitzen für Labour.
Zum Niedergang der Tories hat also auch beigetragen, dass die rechte Partei Reform UK so gut abgeschnitten hat - gemessen am Stimmenanteil. Man könnte von einem Rechtsruck sprechen. Wobei: Viele Reform-UK-Positionen werden auch in der konservativen Partei vertreten. Da hat sich möglicherweise gar nicht so viel verschoben. Es gibt jetzt eben nur eine neue Partei, in der Rechte, Enttäuschte und Protestwähler zusammenkommen.
Starmer braucht Vertrauen und Geld
Keir Starmer hat nun einen klaren Auftrag: Regierungsbildung, Ärmel hochkrempeln. Es liegt in seiner Hand, den Vertrauensverlust aufzuarbeiten. Indem er Reformen anstößt, Missstände beseitigt, eine andere politische Kultur etabliert. Und diese Aufgabe ist riesengroß.
Die Kassen sind leer, Steuererhöhungen hat Starmer ausgeschlossen. Dabei bräuchte die neue Regierung viel Geld, um den maroden Gesundheitsdienst NHS zu sanieren, in Bildung zu investieren, Infrastruktur, Wohnungsbau. Nach kräftigem Wachstum, was die Einnahmen des Staates erhöhen könnte, sieht es derzeit auch nicht aus. Man kann Keir Starmer nur wünschen, dass er erfolgreich ist und Verbesserungen schaffen kann, die so dringend nötig sind.
Das ist die Voraussetzung dafür, auch wieder das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Vielleicht ist dieser Keir Starmer, dem im Wahlkampf vorgeworfen wurde, wie langweilig er sei, der richtige, diese unfassbare Aufgabe zu erledigen. Für eine strahlende Zukunft.
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